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Deutschland braucht Digitalisierung-„Aufholjagd“ im Gesundheitssystem

Nach Ansicht des deutschen Gesundheitsministers Karl Lauterbach ist Deutschland im Bereich Digitalisierung im Gesundheitssystem ein „Entwicklungsland“. Es sei „nicht mehr vertretbar, dass wir in der heutigen Zeit noch immer die Rezepte über Papier ausdrucken“, sagte er am Mittwoch bei der Vorstellung des E-Rezeptes. Zudem hält Lauterbach zusätzliche Steuermittel zur Finanzierung des Gesundheitswesens für unvermeidlich.

red

„Wir sind im Bereich der Digitalisierung unseres Gesundheitssystems ein Entwicklungsland. Das ist leider so, wir brauchen daher eine Aufholjagd.“ Diese Aufholjagd beginne mit dem elektronischen Rezept und gehe weiter mit der elektronischen Patientenakte. Seit 1. Juli ist es in ersten Apotheken möglich, ein E-Rezept abzurufen. „Ich gehe davon aus, dass 2,4 Millionen E-Rezepte bis zum jetzigen Zeitpunkt eingelöst worden sind. Und bisher sind die Erfahrungen sehr positiv“, sagte Lauterbach.

Elektronisch Verschreibungen ab 2024 verpflichtend

Für deutsche Ärzt:innen soll es ab 1. Jänner 2024 zur Pflicht werden, Verschreibungen elektronisch auszustellen. Voraussetzung ist unter anderem ein spezielles Verbindungsgerät an die geschützte Datenautobahn des Gesundheitswesens. Dort werden E-Rezepte auf einem zentralen Server gespeichert. Apotheken werden beim Einstecken der Karte autorisiert, E-Rezepte der Versicherten von dort abzurufen.

Bis Anfang 2025 sollen in Deutschland dann auch E-Patientenakten für alle kommen - außer man lehnt ab. Es handelt sich um einen persönlichen Datenspeicher etwa für Befunde, Röntgenbilder und Listen eingenommener Medikamente.

Höhere Steuermittel unvermeidlich

Lauterbach hält zudem zusätzliche Steuermittel zur Finanzierung des Gesundheitswesens für unvermeidlich. „Mittelfristig muss der Steuerzuschuss für die Kranken- und Pflegeversicherung erhöht werden“, so der deutsche Gesundheitsminister. Für das kommende Jahr rechnet er nach eigenen Worten erneut mit einem Anstieg der Kassenbeiträge.

„Der Beitragssatz zur Gesetzlichen Krankenversicherung wird auch im nächsten Jahr wie bereits angekündigt erneut moderat steigen müssen“, sagte Lauterbach. „Aber wir werden an der Beitragsschraube nicht mehr oft drehen können“, begründete er die Forderung nach zusätzlichem Geld aus dem Bundeshaushalt. Derzeit gebe es für zusätzliche Haushaltsmittel keinen Spielraum, weil Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) die Schuldenbremse einhalten wolle, sagte Lauterbach weiter. Dafür habe er auch „volles Verständnis“. Umgekehrt erwarte er aber auch von Lindner, „dass er mich meine Arbeit machen lässt“.

Forderungen an Finanzminister

Der Sozialverband Deutschland (SoVD) rief Lindner auf, unverzüglich mehr Geld für den Gesundheitsbereich zur Verfügung zu stellen. „Geben Sie endlich das Geld frei, damit der Bund seine Pflicht erfüllen kann“, sagte die Verbandsvorsitzende Michaela Engelmeier der „Rheinischen Post“ an den Finanzminister gewandt. Sie betonte, der Bund sei für die Finanzierung gesamtgesellschaftlicher Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung verantwortlich. Langfristig sei zudem eine zukunftsfähige Finanzierungsreform im Gesundheitsbereich notwendig, sagte Engelmeier weiter. „Der Sozialverband fordert daher die Einführung der Bürgerversicherung, wie es auch zwei der drei Koalitionspartner in ihrer Agenda vorsehen“, betonte die SoVD-Vorsitzende.

Engelmeier forderte zudem Lauterbach auf, endlich Empfehlungen „für eine stabile, verlässliche und solidarische Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung" vorzulegen. Sie wies darauf hin, dass die eigentlich bereits für den Mai geplant gewesen sei.

Für 2024 plant Lindner ein Einfrieren des Bundeszuschusses für die gesetzlichen Krankenkassen. Da es in den vergangenen Jahren insbesondere wegen der Corona-Pandemie jeweils Zusatzzahlungen gegeben hatte, steht tatsächlich allerdings weniger Geld zur Verfügung. Für die Pflegeversicherung will Lindner den Bundeszuschuss sogar streichen. Es gibt deswegen Warnungen vor auch hier künftig weiter steigenden Beiträgen.