Pflege

Grazer Universität: Ausbildung im Forensic Nursing

Hinter den gröberen Verletzungen, die in Spitälern und Spitalsambulanzen versorgt werden müssen, stehen neben Unachtsamkeit und Unglück oftmals auch akute Gewaltausbrüche und Missbrauchsfälle - auch wenn sie nicht immer als solche entdeckt werden. Sensibilisierte Pflegekräfte könnten dafür und für die rechtliche Absicherung der Opfer eine wesentliche Rolle spielen. An der Medizinischen Universität Graz werden entsprechende „Forensic Nurses“ in einem Lehrgang ausgebildet.

red/Agenturen

Laut Med-Uni Graz werden im Jahr 2022 in Österreich an die 79.000 Gewaltdelikte angezeigt, die Dunkelziffer wird noch weit höher geschätzt. Menschen, die körperliche Gewalt erfahren haben, die geschlagen, getreten oder gewürgt oder auch vergewaltigt wurden, wenden sich mit ihren Verletzungen in Notfallambulanzen - doch die Gewalttaten werden nicht immer als solche angesprochen. Oftmals ist ihnen auch nicht auf den ersten Blick anzusehen, was sie durchgemacht haben. Die Dokumentation der Verletzungen und Sicherung von Spuren, die dann auch gerichtlich verwertbar sind, ist aber zur Durchsetzung der Rechte des Opfers wichtig.

Die Sicherung und Dokumentation von Spuren durch Pflegende, um so Opfern zu helfen und die Polizei bei der Aufklärung von Gewaltverbrechen zu unterstützen, wird „Forensic Nursing“ genannt. In den USA und Kanada ist diese Disziplin seit den 1990er-Jahren fest im Gesundheitssystem verankert und u. a. bei vermuteter oder bestätigter sexueller und häuslicher Gewalt, Kindesmissbrauch, Misshandlung von Betagten und Schutzbedürftigen eingesetzt.

An der Med-Uni Graz wird hierfür erstmals ein Universitätslehrgang als Zusatzausbildung für Pflegende angeboten. „Im Lehrgang werden Pflegepersonen befähigt, Opfer und Gewaltdelikte zu erkennen, Spuren zu sichern und die entsprechenden Dokumentationen durchzuführen“, schilderte die organisatorische Leiterin Marianne Raiger von der Akademie für Gesundheitsberufe des Österreichischen Gesundheits- und Krankenpflegeverbandes. Die wissenschaftliche Leitung liegt bei Sarah Heinze vom Diagnostik- und Forschungsinstitut für Gerichtliche Medizin der Medizinischen Universität Graz.

Vorerst 16 Plätze im Lehrgang

Zielgruppe sind Krankenpflege-Fachkräfte, die beispielsweise in Notfallstationen, oder der Gynäkologie, der Kinder- und Jugendmedizin oder auch den Mobilen Diensten und der Langzeitpflege tätig sind. „Wir zielen auf den gesamten Bereich der Pflege ab, weil wir aus Erfahrung wissen, dass Gewalt überall vorkommt und Kinder ebenso Opfer werden wie ältere Menschen“, betonte Raiger. Teilnehmende erlernen die offensichtlichen und subtilen Spuren von Gewalt zu erkennen und diese gerichtlich verwertbar zu sichern. „Sie trainieren aber auch, sicher im Umgang mit Opfern von Gewalt zu werden und sie bestmöglich mit der Vermittlung weiterer Hilfsangebote zu unterstützten“, so Raiger.

Der berufsbegleitende Lehrgang läuft über zwei Semester und umfasst Präsenz- und Onlinelehre. Eine Hospitation in einer Einrichtung ist vorgesehen, Unterrichtssprache ist Deutsch. Vorerst wurde der Lehrgang mit 16 Plätzen konzipiert.

Lehrgang

 

 

 

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