Ärztekammer Wien

Machtkampf um Präsident Steinhart schwelt weiter

Der Machtkampf in der Wiener Ärztekammer schwelt weiter. Am Dienstag forderte das gesamte Präsidium abseits des Präsidenten eben diesen zum Rücktritt auf. Steinhart selbst wies dies postwendend zurück und sprach von einem „durchsichtigen politischen Spiel“. Vizepräsident Stefan Ferenci begründete die Forderung nach einem Rückzug des Präsidenten mit Vorgängen bei einer turbulenten Kuriensitzung am Freitag. Eine Vorstandssitzung am Dienstagabend wurde abgebrochen.

red/Agenturen

Alle drei Vizepräsidenten - Stefan Ferenci, Erik Randall Huber und Stefan Konrad - sowie Finanzreferent Frederic Tömböl sprachen sich am Dienstagnachmittag auf einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz für den Abzug Steinharts aus dem fünfköpfigen Gremium aus. Anlass für die Rücktrittsaufforderung sind Vorgänge rund um eine außerordentliche Sitzung der Kurie der niedergelassenen Ärzte vom vergangenen Freitag, über die es seitens der der Konfliktparteien unterschiedliche Auffassungen gibt.

Kammerpräsident Steinhart erklärte, in besagter Sitzung sei Kurien-Obmann Huber Befangenheit zu bestimmten Themen und Anträgen ausgesprochen worden - und zwar von insgesamt sechs Fraktionen und „völlig Geschäftsordnungs-konform“, wie er am Dienstagabend in einer Aussendung einmal mehr unterstrich: „Er hatte Geschäftsordnungs-widrig zahlreiche wichtige Anträge nicht zur Abstimmung zugelassen.“ Huber habe sich geweigert, dieses „demokratische Ergebnis“ zur Kenntnis zu nehmen und den Sitzungssaal zu verlassen. Daher hätten die Mandatare dieser sechs Fraktionen in einen anderen Sitzungssaal ausweichen müssen, „um die Sitzung konstruktiv fortsetzen zu können.“

Die Gegenseite sieht das anders. „Ich bin noch immer ziemlich zerrüttet von den Vorkommnissen am Freitag“, meinte Huber, der bei der Pressekonferenz von einem versuchten „Putsch“ bei der Sitzung sprach. Nach Handgreiflichkeiten - einem „Bodycheck“ zwischen zwei Mandataren - habe er die Sitzung nur noch beenden können, da nicht mehr ausreichend Mandatare für die Beschlussfähigkeit vorhanden gewesen seien. Huber hat die MA 40 als Aufsichtsbehörde eingeschaltet und zeigte sich zuversichtlich, dass diese die Kuriensitzung nicht anerkennen werde.

Diametrale Sichtweisen

Ferenci warf Steinhart mit Blick auf die Sitzung vor, antidemokratische Methoden gutzuheißen. Das sei allerdings nicht der einzige Grund, warum Steinhart nicht mehr fit für das Amt des Präsidenten der Wiener Ärztekammer sei, sagte er mit Blick auf die Vorwürfe gegen die Beschaffungsplattform Equip4Ordi (E4O) - einer ausgelagerten Tochtergesellschaft der Kurie der niedergelassenen Ärzte. Derzeit ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Untreue, Begünstigung und des schweren Betrugs - unter anderem wird auch Steinhart, der damals Obmann der Niedergelassenen-Kurie war, als Beschuldigter geführt. Dieser hat die Vorwürfe stets zurückgewiesen.

Steinhart wies die Rücktrittsaufforderung nach der Pressekonferenz einmal mehr strikt zurück. Diese sei eine „weitere Episode in einer Kampagne, die von einer Gruppe politischer Mitbewerber seit Monaten gegen mich betrieben wird“, erklärte er am Abend in einer Aussendung. „Selbstverständlich werde ich der Aufforderung dieser Gruppe nicht nachkommen, die bloß ein durchsichtiges kammerpolitisches Spiel betreibt. Ich wurde demokratisch zum Präsidenten gewählt und werde selbstverständlich nur eine demokratische Abwahl akzeptieren, und nicht eine Rücktrittsaufforderung per Zuruf.“

Die gegen ihn erhobenen Hauptvorwürfe seien nicht neu oder schlicht unzutreffend, so Steinhart. Er unterstütze die Untersuchungen der Staatsanwaltschaft und sei „zuversichtlich, dass sich die Anschuldigungen gegen mich letztlich in Luft auflösen werden“.

Anschuldigungen erhob Steinhart vielmehr in Richtung Huber: Dieser sei „nicht mehr in der Lage“, die Kurie zu führen, schrieb er in einem der APA vorliegenden Brief an Wiens Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ). Dies hätte ebenjene Sitzung am Freitag gezeigt. Auch habe Huber erst am Vortag den gewählten Finanzreferent der Kurie eigenmächtig für befangen erklärt und eine Vertraute als neue Finanzreferentin eingesetzt, die dann im Sinne Hubers gehandelt habe. Dies sei „massiv gesetz-, satzungs- und geschäftsordnungswidrig“ und sei bereits durch den abgesetzten Finanzreferenten bei der Aufsichtsbehörde gemeldet worden. Er rege aus all diesen Gründen an, „umgehend eine Amtsenthebung gegen Herrn Dr. Huber einzuleiten“, schreibt Steinhart an Hacker.

Außerordentliche Vollversammlung als Option

Huber berichtete zuvor, Kurientöchter seien auch Thema der Sitzung am Freitag gewesen. Hier sei es in den letzten Wochen zu neuen Entwicklungen gekommen, es habe „viele Handlungen“ gegeben, die er der Staatsanwaltschaft gemeldet habe. In der letzten Sitzung sei es schließlich um die „Beseitigung aller mit der Aufklärung des Sachverhalts betrauter Personen“ gegangen. Mittlerweile gebe es Schadenersatzforderungen von drei Millionen Euro, die zu ungeteilter Hand den Beschuldigten - unter anderem Steinhart - angelastet würden. Die Anträge in der Kuriensitzung von Freitag hätten unter anderem dafür dienen sollen, alle Geschäftsführer zu entlassen oder der beauftragten Anwaltskanzlei das Mandat zu entziehen.

Formal kann der Präsident der Wiener Ärztekammer mittels Misstrauensantrag der Vollversammlung aus seinem Amt entfernt werden. Die nächste reguläre Vollversammlung wäre erst im Dezember angesetzt. Eine außerordentliche Sitzung kann ein Drittel der 90 Sitze zählenden Mitglieder der Vollversammlung einberufen. Um einen Misstrauensantrag in der Vollversammlung durchzubringen ist eine Zweidrittelmehrheit notwendig. Für eine außerordentliche Vollversammlung gebe es bereits genügend Unterschriften, meinte Ferenci. Ob eine Zweidrittelmehrheit für einen Misstrauensantrag zustande komme, wisse er nicht. Wichtig sei es jedenfalls, Steinhart vor Augen zu führen, dass viele Mandatare mit ihm unzufrieden seien.

Eine noch am Dienstagabend angesetzte Vorstandssitzung wurde abgebrochen. Steinhart bedauerte das in einer Aussendung, „da wichtige Vorhaben so nicht umgesetzt werden können und auf die lange Bank geschoben werden“. Aus Ärztekammer-Kreisen hieß es gegenüber der APA, eine Mehrheit der Vorstandsmitglieder hätte den Mandatar, der für den „Bodycheck“ verantwortlich war, aufgefordert, sein Mandat niederzulegen und die Sitzung zu verlassen. Es gebe einige Personen, die Angst vor gewalttätigen Aktionen hätten. Nachdem der Mann der Forderung nicht nachgekommen sei, hätte die Mehrheit der Mitglieder die Sitzung verlassen, wonach diese nicht mehr beschlussfähig gewesen und beendet worden sei.

„Zivilisierte Sitzung“ war geplant

14 von 28 anwesenden Mandataren hätten die Sitzung verlassen, teilten vier Fraktionen der Ärztekammer Wien - die Vereinigung Österreichischer Ärztinnen und Ärzte von Kammerpräsident Steinhart, das Team Szekeres, die Wahlgemeinschaft - Ärzte für Ärzte - Wiener Mittelbau und die Wahlärzte Wien plus - der APA mit. Die Vorwürfe gegen jenen Kollegen, der einen anderen körperlich angegriffen habe, seien falsch, das Argument eine „vorgeschobene Grundlage, die Sitzung zu verlassen“, kritisierten sie die „Fraktionen um die Vizepräsidenten Ferenci und Huber“. In der Sitzung sei ein Abwahlantrag gegen Finanzreferent Tömböl geplant gewesen.

Bei der Pressekonferenz hatte Ferenci noch erklärt, die Sitzung „zivilisiert“ abhalten zu wollen. Tömböl hatte indes bereits im Voraus Sicherheitsbedenken angemeldet. Der für den „Bodycheck“ verantwortliche Mandatar sei ebenfalls eingeladen. Auf Facebook habe er ihm gegenüber gedroht, sich auf ihn „draufsetzen“ zu wollen, so der Finanzreferent.