| Aktualisiert:

Nationalrat beschließt weitere Teile der Pflegereform und neues Barrierefreiheitsgesetz

Der Nationalrat hat weitere Teile der im Frühjahr 2022 eingeleiteten Pflegereform auf Schiene gesetzt. Auf Basis eines Gesetzesantrags der Koalitionsparteien stimmten die Abgeordneten unter anderem mehrheitlich dafür, die Befugnisse des Pflegepersonals in einzelnen Belangen auszuweiten, die Anerkennung ausländischer Berufsausbildungen zu vereinfachen und den Zugang zu Weiterbildungsmaßnahmen zu erleichtern. Einstimmig hat der Nationalrat ein auf einer EU-Richtlinie basierendes neues Barrierefreiheitsgesetz beschlossen.

 

red/Agenturen

Mit dem Barrierefreiheitsgesetz soll sichergestellt werden, dass bestimmte Produkte und Dienstleistungen, die für Menschen mit Behinderung als besonders wichtig eingestuft wurden und insbesondere den Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie betreffen, europaweit den gleichen Barrierefreiheitsanforderungen entsprechen. Das betrifft PCs, Smartphones, Bankomaten und Fahrkartenautomaten ebenso wie E-Banking, E-Commerce, Online-Messenger-Dienste und E-Books.

Mehr Kompetenzen für Pflegepersonal

Im Zuge der Pflegereform werden diplomierte Gesundheits- und Krankenpfleger:innen ab 2024 bestimmte Medizinprodukte wie Verbandsmaterialien und Gehhilfen selbstständig verordnen können. Zudem enthält eine begleitende Gesetzesnovelle administrative Vereinfachungen bei der im letzten Jahr beschlossenen sechsten Urlaubswoche für Pflegepersonal ab dem 43. Lebensjahr. Die Beschlüsse wurden in Dritter Lesung mit den Stimmen von ÖVP, FPÖ und Grünen bzw. - in Bezug auf die Entlastungswoche für Pflegepersonal - mit ÖVP-Grünen-NEOS-Mehrheit gefasst.

Die Freiheitlichen forderten unter anderem eine gesetzlich festgelegte Entschädigung für Pflegelehrlinge und eine Erhöhung des Pflegestipendiums für Personen, die sich zu einer Pflegefachkraft umschulen lassen, konnten sich mit entsprechenden Entschließungsanträgen aber nicht durchsetzen.

Aus den aktuell 44 bestehenden Primärversorgungseinheiten (PVE) sollen bis 2025 120 in ganz Österreich werden. Aktuell sind 30 in Planung, davon fünf für Kinder. Statt bisher 340.000 Patient:innen sollen so mindestens 705.500 Menschen pro Jahr versorgt werden. Auch andere Gesundheitsberufe als Ärzte können Gesellschafter werden, Ärzte müssen aber mehr als 50 Prozent am Kapital der Gesellschaft halten. Rechtlich ermöglicht werden auch reine Kindermedizin-Einrichtungen.

„Ein erster, ganz wesentlicher Baustein“

Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) zeigte sich zufrieden: „Was wir heute beschließen, ist ein erster, aber ein ganz wesentlicher Baustein einer umfassender Gesundheitsreform, die wir jetzt versuchen im Zuge des Finanzausgleichs auf den Boden zu bringen.“ Die Abgeordneten Ralph Schallmeiner und Josef Smolle, die die Novelle für Grüne bzw. ÖVP verhandelt hatten, hoben in ihren Beiträgen auch hervor, dass künftig auch schon zwei Personen eine PVE gründen können und 100 Mio. Euro an Fördermitteln aus dem Aufbau- und Resilienzplan der EU bereitstünden.

Bei der SPÖ bemühte man sich zu betonen, dass das Primärversorgungsgesetz ursprünglich in der Ära von Christian Kern und Pamela Rendi-Wagner beschlossen worden war. Rudolf Silvan bemängelte aber, dass Maßnahmen gegen den Ärztemangel fehlten. Gerhard Kaniak (FPÖ) sprach in diesem Zusammenhang gar von einem Desaster. „Geld alleine und das was sie hier vorgelegt haben, wird nicht reichen, um die Probleme zu beseitigen“, unterstrich er. Zustimmung zum Gesetz kam hingegen von den NEOS. Dass Rauch den Mut zeige, „sich gegen diverse Stakeholder aufzubäumen“, begrüßte deren Abgeordnete Fiona Fiedler.

Mit Koalitionsstimmen beschlossen wurde danach die Umsetzung des neuen Eltern-Kind-Passes, nachdem dieses Vorhaben im Juni an einem Formalfehler gescheitert war. Mit Jänner 2024 soll das neue nun digital aufgesetzte Vorsorgeprogramm in Kraft treten, bis 2026 soll der Leistungsumfang um zusätzliche Angebote während der Schwangerschaft bzw. für Neugeborene erweitert werden. Dafür braucht es noch eine Verordnung.

„Pensionst:innen-WGs“

Um die gemeinsame Betreuung alter Menschen in sogenannten „Pensionst:innen-WGs“ zu ermöglichen, werden 24-Stunden-Betreuerinnen und -Betreuer künftig bis zu drei betreuungspflichtige Menschen in einem Haushalt betreuen dürfen, auch wenn diese nicht in einem Angehörigenverhältnis zueinander stehen. Zivildiener werden künftig unterstützende Tätigkeiten bei der Basisversorgung an den von ihnen betreuten Personen durchführen dürfen, wenn sie ein entsprechendes Ausbildungsmodul absolviert haben.

Auf der Tagesordnung steht am Donnerstag auch noch eine neue Beschwerdestelle gegen Polizeigewalt im Bundesamt für Korruptionsbekämpfung. Aufgewertet wird die Freiwilligenarbeit, indem es beim Freiwilligem Sozialjahr und beim Freiwilligen Umweltschutzjahr ein höheres Taschengeld gibt. Beim neuen Krisensicherheitsgesetz kommt eine einfachgesetzliche Regelung, denn die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit fehlt.

Nationalratssitzung 6. Juli 2023
Der Ausbau von Primärversorgungszentren wurde im Nationalrat beschlossen; auch für den Eltern-Kind-Pass gab es grünes Licht.
Parlamentsdirektion/Anna Rauchenberger
Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) zeigte sich zufrieden: „Was wir heute beschließen, ist ein erster, aber ein ganz wesentlicher Baustein einer umfassender Gesundheitsreform, die wir jetzt versuchen im Zuge des Finanzausgleichs auf den Boden zu bringen.“