Ärztekammerwahlen
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Double: Johannes Steinhart wird auch österreichischer Ärztekammerpräsident

Johannes Steinhart ist neuer Präsident der Österreichischen Ärztekammer. Der 67-Jährige wurde am Freitag im Rahmen des Ärztekammertags in Bad Radkersburg gewählt. Steinhart war bereits Favorit im Rennen um die Präsidentschaft. Er gehört der ÖVP-nahen „Vereinigung Österreichischer Ärztinnen und Ärzte“ an und ist seit Mai Präsident der Wiener Ärztekammer. Steinhart löst damit Thomas Szekeres ab.

red

Die Liste des bei der Vertretung von Ärzteinteressen oft recht forsch auftretenden Steinhart war bei der Wiener Kammerwahl im März stimmenstärkste Fraktion geworden. Das war auch bei den letzten Wahlen so gewesen, diesmal schaffte es sein SPÖ-naher Gegner Szekeres aber nicht, eine Koalition gegen ihn zu schmieden. Dass ein neuer Länderkammerchef auch gleich Präsident im Bund wird, ist in der Ärztekammer eine Seltenheit. Zuletzt hat das Michael Neumann 1986 geschafft.

Steinhart blickt auf jahrelange Expertise im Gesundheitssystem und Erfahrung in der Kammerpolitik zurück: Unter anderem war er zehn Jahre lang Obmann der Bundeskurie niedergelassene Ärzte. „Die zuletzt aufgetretenen Risse in der Ärzteschaft müssen geschlossen werden, wir Ärztinnen und Ärzte müssen angesichts der entscheidenden Weggabelungen, die vor uns und unserem Gesundheitssystem liegen, nun stark und geeint auftreten. Nur der Zusammenhalt macht uns — auch als Ärztekammer — im Gesundheitswesen zu einem einflussreichen Faktor.“ so der frisch gewählte Präsident. Für einen „ehrlichen Diskurs im Umgang miteinander“ plädiert er, „aber bei der Vertretung unserer Interessen sollten wir uns nicht auseinanderdividieren lassen.“ Fehlentwicklungen weiter offen anszuprechen und klare rote Linien zu definieren, die entsprechend scharf verteidigt werden müssen, so beschreibt Steinhart, der als harter Verhandler gilt, seine Zielsetzung. 

Großes Portfolio an Aufgaben

Im niedergelassenen Bereich gebe es eine ganze Reihe von Baustellen für die kommenden Jahre. „Wir brauchen im Kassenbereich eine neue Zeitrechnung, eine völlig neue Herangehensweise. Ärztinnen und Ärzte, aber selbstverständlich auch die Versicherten, brauchen ein stabiles und leistungsfähiges System, das den herausragenden Leistungen, die die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte nicht nur während der Pandemie, sondern jeden Tag erbringen, gerecht wird. Die Versorgung, die niedergelassene Ärztinnen und Ärzte leisten können, ist auf Champions-League-Niveau, aber wenn das System und die Rahmenbedingungen nur Bezirksligaformat haben, werden wir international nicht bestehen können“, verglich Steinhart. Hier bedürfe es rascher Verbesserungen. „Das beginnt zum Beispiel bei einer Vereinheitlichung der angebotenen Leistungen. Es kann doch im 21. Jahrhundert nicht angehen, dass die Straßenseite, auf der ich wohne, entscheidet, wie meine medizinische Versorgung aussieht. Mit viel Aufwand und enormen Finanzmitteln wurde eine Österreichische Gesundheitskasse geschaffen – jetzt kann man es doch nicht bei einer reinen Neutapezierung bewenden lassen, sondern muss endlich auch österreichweit denken. Von unserer Seite liegt seit fast zwei Jahren ein fertiger einheitlicher Leistungskatalog bereit, der mit viel Einsatz und Schweiß erarbeitet wurde. Dieser gehört endlich umgesetzt“, appelliert Steinhart.

„Das wäre schon eine deutliche Verbesserung für die Menschen in diesem Land – ebenso ein Dispensierrecht für alle Ärztinnen und Ärzte, damit zum Beispiel im ländlichen Bereich der Zugang zum Medikament einfach und unkompliziert für alle möglich wird.“ Darüber hinaus müssten endlich die Arbeitsbedingungen im Kassenbereich verbessert werden. „Die alten Strukturen, die Deckelungen und die Bürokratie schrecken die jungen Ärztinnen und Ärzte von einer Tätigkeit im Kassenbereich ab – das ist nicht hinzunehmen. Ebenso wenig, den freien Arztberuf mit einem Rückfall in Zeiten der Planwirtschaft aushöhlen zu wollen“, so Steinhart. Zuviel Bürokratie und verzopfte, alte Strukturen würden junge Ärztinnen vom Kassenbereich abschrecken, das sei nicht hinzunehmen, so Steinhart weiter.

Veränderte Prioritäten der jungen Generation

Auch im Spitalsbereich stehen einige Herausforderungen an, etwa bei der Besetzung von Ausbildungsplätzen. „Hier muss das Augenmerk darauf liegen, den Beruf des Spitalsarztes wieder attraktiver zu machen. Österreich befindet sich in einem internationalen Wettstreit um den Nachwuchs und wir wissen aus Untersuchungen, dass junge Ärztinnen und Ärzte sehr genaue Vorstellungen von ihrer Ausbildung und von ihrer Tätigkeit haben. Wenn sie das in Österreich nicht bekommen können, ist ein hoher Prozentsatz auch bereit, ins Ausland zu gehen“, hält Steinhart fest. Die Prioritäten der jungen Generation würden sich verändern, das müssten die Spitalsträger endlich auch in ihrem Angebot abbilden. „Ein Übermaß an bürokratischen Tätigkeiten, zu wenig Einbindung und zu starre Dienstpläne vergraulen die jungen Ärztinnen und Ärzte“, so Steinhart. Zudem drohe sich die Qualität der Ausbildung durch das Bestreben der Politik, die Bewilligung und Qualität der ärztlichen Ausbildungsstellen künftig in die Verantwortung der Länder zu verlagern, zu verschlechtern.

Eine weitere drohende Fehlentwicklung sieht Steinhart im Trend, Ärzt:innen im Spital als Füllmaterial für Lücken in der niedergelassenen Versorgung verwenden zu wollen. „Dieses kurzsichtige ‚Loch auf, Loch zu‘ ist selbstverständlich keine ernstzunehmende Lösung und wird deshalb klar abgelehnt“, sagt Steinhart.  „Generell müssen wir das Berufsbild deutlich aufwerten und seine Rolle angesichts des zunehmenden Ökonomisierungsdrucks stärken. Wir brauchen keine Medizinfabriken mit Behandlungen am Fließband und einer Unterscheidung in rentable und unrentable Patienten, wie es international immer häufiger vorkommt.“  

All das wird sich ohne mehr Investitionen ins System nicht umsetzen lassen, stellt der neue ÖÄK-Präsident klar: „Es muss Schluss sein mit Kostendämpfungspfaden und Kaputtsparen. Wir sehen bereits jetzt deutliche Versorgungslücken im Kassenbereich und gleichzeitig Schwierigkeiten, Ausbildungsplätze zu besetzen. Das ist das logische Resultat der Gesundheitspolitik der vergangenen Jahre – aber so kann es nicht weitergehen. Die diversen Zwangsphantasien, die geäußert werden, sind der verzweifelte Versuch, ein totes Pferd noch weiterzureiten. Das ist selbstverständlich sinnlos und wir können uns derartigen Unsinn nicht mehr leisten – weder zeitlich noch finanziell.“ unterstrich Steinhart.

 

 

Johannes Steinhart, Präsident der Ärztekammer für Wien
Johannes Steinhart, Urologe, Wiener und jetzt auch frisch gewählter Österreichischer Ärztekammerpräsident.
Ärztekammer für Wien / Stefan Seelig
 
© medinlive | 16.04.2024 | Link: https://app.medinlive.at/index.php/gesundheitspolitik/double-johannes-steinhart-wird-auch-oesterreichischer-aerztekammerpraesident