Stuhltransplationen

Psychische Erkrankungen über die Darmflora heilen

Der Darm und sein Mikrobiom beeinflussen Hormonproduktion und Immunabwehr. Mehrere Studien legen nahe, dass Menschen mit psychischen Erkrankungen häufig ein abnormales Mikrobiom aufweisen. Aktuelle Fallstudien mit Stuhltransplantationen schüren Hoffnung.

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Australische Forscher der University of New South Wales (UNSW Sydney) liefern im Fachjournal „Bipolar Disorders“ nun erste Hinweise. Studienautor Gordon Parker und seine Kollegen haben den Fall eines jungen Mannes verfolgt, bei dem im Jugendalter eine bipolare Störung diagnostiziert wurde. Eine psychische Erkrankung, bei der die Stimmung des Betroffenen zwischen manischen und depressiven Phasen wechselt. In der Regel nehmen Menschen, die an der Erkrankung leiden, Medikamente ein, um ihre Symptome zu regulieren. Doch bei dem Patienten zeigten verschiedenste Arzneimittel keine Wirkung. So wurde eine Stuhltransplantation durchgeführt. Den Wissenschaftlern zufolge hätten seine Symptome innerhalb eines Jahres nachgelassen, er sei zudem weniger ängstlich geworden und habe seine Medikamente absetzen können, wie „welt.de“ berichtet.

Die Erfahrung des Mannes deckt sich mit einer weiteren Fallstudie aus Australien. 2016 behandelte der Psychiater Russell Hinton eine Frau Ende 20, die an einer bipolaren Störung litt. Auch in ihrem Fall halfen Arzneimittel kaum. Elf Monate lang erhielt die Patientin Stuhltransplantationen von ihrem Ehemann. Nach einem halben Jahr verschwanden ihre Symptome langsam, auch brauchte sie keine Medikamente mehr. 

Mehrere Studien belegen, dass Menschen mit psychischen Erkrankungen wie Depressionen und Schizophrenie häufig ein abnormales Mikrobiom aufweisen. Zudem scheinen Ratten, denen Fäkalien von Menschen mit Depressionen verabreicht werden, eine Art Ratten-Depression zu entwickeln. Ähnliches passiert bei Mäusen, die Stuhlproben von Menschen mit Schizophrenie transplantiert bekommen. Dazugehörige Studien wurden im Jahr 2016 im Fachblatt „Journal for Psychiatric Research“ und 2019 in „Science Advances“ publiziert.

Gesunde Darmflora gesunder Geist

Unser Darm produziert der Darm verschiedenste Hormone, darunter ein Großteil der Glückshormone wie etwa Dopamin und Serotonin. Diese Botenstoffe werden über den Vagusnerv an das Gehirn weitergeleitet. Ist das Mikrobiom jedoch ungesund, kann das die Darmschleimhaut schädigen und zu Entzündungen führen: Die Produktion sowie der Austausch von Hormonen werden möglicherweise gestört.

Ob transplantierte Fäkalien tatsächlich bei bipolaren Störungen, Depressionen oder weiteren Krankheiten helfen können, ist nicht abschließend geklärt. Der jetzige Kenntnisstand beruht fast ausschließlich auf Fallstudien. Forscher in Australien und in Kanada arbeiten jedoch an klinischen Studien, um dieser Frage nachzugehen.

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