Uni Innsbruck

Zuverlässig die Stabilität von Arzneistoffen vorhersagen

Wirkstoffe sollten sich nicht verändern, auch wenn ein Medikament z.B. im geheizten, feuchten Badezimmer aufbewahrt wird. Daher werden Arzneistoffe in Kristallform meist in ihrer stabilsten Form verwendet, obwohl sie so immer die schlechteste Wasserlöslichkeit aufweisen. Ein Forscherteam mit Innsbrucker Beteiligung stellt nun im Fachjournal „Nature“ eine Methode zur zuverlässigen Vorhersage der Stabilität von kristallinen Feststoffen unter realen Bedingungen vor.

red/Agenturen

Moleküle können sich in einem Kristall auf unterschiedliche Weise anordnen. Die Kristallstruktur hat allerdings starken Einfluss auf die physikalisch-chemischen Eigenschaften eines Stoffes, etwa auf Stabilität und Löslichkeit - und damit im Fall von Arzneimittel auf deren Wirksamkeit. Für die pharmazeutische und chemische Industrie bedeutet dies einen erheblichen Aufwand, um in der Produktion sicherzustellen, dass nur die bevorzugte Festform eines Stoffes hergestellt und verarbeitet wird und diese sich nicht mehr verändert.

„Eingesetzt werden meist stabile Formen, weil bei diesen nicht die Gefahr besteht, dass sie sich umwandeln können“, erklärte Doris Braun vom Institut für Pharmazie der Universität Innsbruck. Das Problem dabei: „Die stabilste Form hat immer auch die schlechteste Wasserlöslichkeit“ - was für Arzneistoffe nicht immer vorteilhaft ist. Metastabile Festformen von Wirkstoffen haben den Vorteil, sich besser in Wasser zu lösen und damit besser vom Körper aufgenommen werden können - sofern sie nicht in die stabile Form umgewandelt werden.

Wie stabil eine Kristallform ist, lässt sich berechnen. Doch dabei wurden bisher die Schwingungen der Moleküle im Kristall nicht berücksichtigt, man ging also vom unrealistischen Szenario aus, dass sich der Stoff am absoluten Nullpunkt (minus 273 Grad Celsius) befindet. Für Berechnungen der Stabilität unter realen Temperatur-und Feuchtigkeitsbedingungen fehlten zuverlässige experimentelle Vergleichsdaten.

Software berechnet Stabilität des Stoffs

Die kommen nun von einem internationalen Forscherteam, dem auch die Innsbrucker Pharmazeutin Doris Braun angehört. Die Wissenschafter:innen  haben in den vergangenen Jahren die experimentellen Daten für zahlreiche industriell relevante Kristallformen erarbeitet. Auf deren Basis konnte der deutsche Software-Entwickler Avant Garde Materials Simulation (AMS) eine neue Berechnungsmethode testen und validieren. Die neue Methode „TRHu(ST) 23“ ermöglicht die Berechnung der temperatur- und feuchtigkeitsabhängigen freien Energie einer Kristallstruktur, mit deren Hilfe zuverlässig vorhergesagt werden kann, wie stabil ein fester Stoff ist.

„Bisher war es Standard, die Berechnungen für Null Grad Kelvin (minus 273 Grad Celsius, Anm.) bzw. für Null Prozent Raumfeuchte durchzuführen. Daher konnte man die Übergangstemperatur bzw. -feuchte nicht vorhersagen, bei der sich eine metastabile in eine stabile Form umwandelt und in welchem Bereich eine Festform stabil oder metastabil ist“, so Braun.

Interessant sind derartige zuverlässigen Prognosen für die gesamte chemische Industrie organischer Stoffe. Das reicht weit über die Pharmabranche hinaus, denn solche Molekülkristalle sind auch wichtige Bestandteile von Lebensmittel, Halbleitern oder Agrochemikalien.