Ursache für Unterschiede in Dauer und Intensität der Wirkung erforscht
Psychostimulanzien, die mit dem Dopamintransporter interagieren, finden sich in der Therapie von neuropsychiatrischen Störungen wie ADHS oder Depressionen ebenso wie auf dem illegalen Drogenmarkt. Um deren genaue Wirkweise und unerwünschte Wirkungen besser zu verstehen, beschäftigt sich ein Forschungsteam um Harald Sitte vom Zentrum für Physiologie und Pharmakologie der MedUni Wien schon länger mit der Frage, warum verschiedene Stoffe dieser Substanzgruppe unterschiedlich wirken.
Die Antwort, so das Ergebnis aktueller Untersuchungen, liegt in der jeweiligen Bindungsdauer der Substanzen an den Dopamintransporter. Die Studie wurde soeben im Fachjournal Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) publiziert.
In einer Reihe von in vitro- und in vivo-Untersuchungen sowie Computer-Simulationen untersuchte das Team die pharmakologischen Wirkungen verschiedener sowohl medizinisch als auch missbräuchlich verwendeter Psychostimulanzien, die mit dem Dopamintransporter interagieren. Dazu zählen auf der einen Seite Stoffe wie α-Pyrrolidinovalerophenon (auch α- PVP oder „Flakka“ genannt) sowie 3,4-Methylendioxypyrovaleron (auch MDPV oder als „Cloud9“ bekannt) und auf der anderen Seite Kokain sowie Methylphenidat, ein gängiger Wirkstoff zur Behandlung von ADHS (Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung). „Manche dieser Stoffe zeigten in unseren Zellkulturmodellen einen ausgeprägt anhaltenden Effekt, den wir dann auch in vivo in Mausmodellen wiederfinden konnten“, berichtet Studienleiter Harald Sitte vom Institut für Pharmakologie des Zentrums für Physiologie und Pharmakologie der MedUni Wien aus der Analyse der genauen pharmakologischen Zusammenhänge: „Unseren Forschungen zufolge ist es die Dauer der Bindung an den Dopamintransporter, die hier den Unterschied macht.“
Zentrale Rolle des Dopamintransporters
Dopamintransporter sind Proteine, die für die Wiederaufnahme des Neurotransmitters Dopamin verantwortlich sind. Als Botenstoff, der Signale zwischen Nervenzellen weiterleitet, steuert Dopamin emotionale, geistige, aber auch motorische Reaktionen im Gehirn. Man kennt es auch als einen „Botenstoff des Glücks“, der uns Glücksgefühle empfinden lässt. Ist zu viel oder zu wenig Dopamin im Spiel, sind neuropsychiatrische Probleme die Folge. Die mit Dopamin in Zusammenhang stehenden Zustände können sowohl medikamentös als auch missbräuchlich durch die Wirkweise von Psychostimulanzien hervorgerufen werden. Dopamintransporter und Dopaminspiegel spielen bei der Entwicklung von Substanzgebrauchsstörungen eine zentrale Rolle.
„Unsere Ergebnisse lassen den Schluss zu, dass die von uns untersuchten Wirkstoffe unterschiedlich stark und unterschiedlich lang mit dem Dopamintransporter interagieren“, erläutert Erstautor Marco Niello vom Zentrum für Physiologie und Pharmakologie der MedUni Wien. „Das wiederum ist der molekulare Hintergrund für die Unterschiede in Dauer und Intensität der Wirkungen von unterschiedlichen Psychostimulanzien“, ergänzt Sitte und erklärt die medizinische und gesellschaftliche Relevanz der Studie, die in Kooperation mit dem National Institute of Drug Abuse in Baltimore, der Paracelsus Medizinischen Universität in Salzburg sowie der Universität Kopenhagen durchgeführt wurde: „Durch die Erkenntnisse aus unserer Forschungsarbeit werden wir in Zukunft bessere Voraussagen über die Wirkweise und unerwünschten Wirkungen von z. B. neuartigen sowie unerforschten Straßendrogen treffen können und so zu einem nachhaltigeren Schutz der Bevölkerung beitragen. Darüber hinaus können unsere Studienergebnisse die Basis für weitere Forschungen zur Verbesserung der therapeutischen Anwendung von Psychostimulanzien darstellen.