Sambia - Chronische Krise im Stillen

Sambia leidet weitgehend im Stillen. Vom Klimawandel weiter befeuert herrscht in dem Binnenstaat im südlichen Afrika seit Jahren eine chronische Krise. Unterernährung - vor allem bei Kindern eine der höchsten Raten der Welt -, eine horrende HIV-Infektionsrate von rund zehn Prozent und ausgeprägte Gewalt gegen Frauen und Mädchen sind neben Dürre und exorbitanten Fluten, oft auch gleichzeitig, weitere Kennzeichen. Die Weltöffentlichkeit interessiert das seit Jahren kaum.

red/Agenturen

Im jährlich von der Hilfsorganisation CARE veröffentlichten Bericht „Suffering in Silence“ bzw. „Breaking the Silence“, wie er in seiner heurigen Ausgabe hieß, nimmt Sambia seit mehreren Jahren schon einen Fixplatz ein. CARE erstellt jedes Jahr ein Ranking jener Katastrophen, über die im Vorjahr in Online-Medien am wenigsten berichtet wurde, und veröffentlicht dieses jeweils im Jänner des Folgejahres. Heuer lag Sambia auf Platz vier hinter seinen Nachbarstaaten Angola und Malawi sowie der Zentralafrikanischen Republik. 2022 war Sambia gar auf dem ersten Platz, 2021 auf dem zehnten Rang und 2020 zum ersten Mal im Report und da gleich auf Platz drei.

Dabei ist Sambia, mit mehr als 750.000 Quadratkilometern deutlich größer als jedes Land in Europa (Russland nicht mitgerechnet), politisch ausgesprochen stabil. So ging 2021 der Machtwechsel von Präsident Edgar Lungu nach verlorener Wahl an den Oppositionskandidaten Hakainde Hichilema friktionsfrei über die Bühne. „Ich möchte meinem Bruder (...) Hichilema dazu gratulieren, dass er der siebente Präsident wird“, sagte Lungu damals. Hichilema genießt in der Bevölkerung nach wie vor hohes Ansehen. Fährt man durch das Land, ist er auf zahlreichen Plakaten zu sehen. Meist geht es dabei um den Kampf gegen die Korruption.

Ebenso bemerkenswert ist es auch, dass die seit 1964 unabhängigen Sambier es geschafft haben, 72 ethnische Gruppen friedlich unter einen Hut zu bringen. Die größten Ethnien sind die Bemba, die Tonga, die Rotse und die Nyanja-Chewa. Einzige Amtssprache ist Englisch, angesichts von zig gesprochenen Sprachen wenig verwunderlich. Allerdings kommunizieren die wenigsten Sambier auf Englisch, die wichtigsten Verkehrssprachen sind Bemba und Nyanja.

Sicheres Reiseland, unsichere Regenjahre

Sambia ist auch reich an Kupfer, nicht umsonst heißt eine der Provinzen „Copperbelt“ (Kupfergürtel, Anm.). Sambia lag 2018 an der siebenten Stelle weltweit bei der Kupferförderung, noch vor Russland, und in Afrika hinter der Demokratischen Republik Kongo an zweiter Stelle. Allerdings ist, wie in vielen afrikanischen Staaten, der chinesische Einfluss sehr groß. Daneben spielt der Tourismus eine gewisse Rolle. Nationalparks locken mit vielfältiger Fauna. Anziehungspunkt ist zweifellos Livingston an der Grenze zu Simbabwe, von wo aus die Victoria-Fälle zu bestaunen sind. Sambia ist als Reiseland auch weitestgehend sicher.

Dennoch ist die Lage trist: Der Human Development Index (HDI) wies Sambia im Jahr 2021 auf Platz 154 (von 191) aus - Tendenz sinkend. An den Wetterdaten der letzten 30 Jahre zeigt sich, wie das Wetter wegen des Klimawandels immer unsicherer wurde. Am Beispiel des Bezirks Kalomo in der Südprovinz zeigt sich nur, dass die Monate Juni, Juli und August mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit niederschlagsfrei sind. Von 1991 bis 2020 wurde in diesen drei Monaten nie Niederschlag registriert. Als relativ sicher gilt auch, dass im Mai kaum Regen fällt. 16,3 Millimeter Regen 2009 waren schon ein großer Ausreißer. Gleiches gilt für den September.

Große Unsicherheit gab es aber in der Regenzeit, die im November oder Dezember beginnen und bis in den April hinein dauern sollte: In der Saison 2018/19 regnete es in Kalomo laut Daten des Meteorologischen Amtes in Lusaka, die CARE zur Verfügung gestellt hat, 403,7 Millimeter. 2019/20 waren es 467,1 Millimeter (plus 20 im September gefolgt von einem regenfreien Oktober). 2019 gingen Bilder der Victoria-Fälle um die Welt, die damals wegen der ausbleibenden Niederschläge nur mehr ein dünnes Rinnsal waren. Natürlich gab es auch vorher schwache Regenjahre, aber zuletzt wurden kaum mehr die 800 Millimeter pro Regenzeit erreicht, die früher eher die Regel als die Ausnahme waren.

Unterernährung, horrende HIV-Infektionsrate und Gewalt gegen Frauen und Mädchen

CARE weist auch immer wieder darauf hin, dass Frauen und Mädchen in Sambia besonders gefährdet sind. Im jüngsten Report „Breaking the Silence“ zu den vergessenen Katastrophen heißt es: „In einigen Gebieten werden durchschnittlich 50 Fälle von Gewalt gegen Mädchen und Frauen pro Tag gemeldet. Die Dunkelziffer dürfte deutlich höher sein.“ Tradition ist in Sambia beispielsweise, dass der Bräutigam den Eltern der Braut Geld- oder Sachgeschenke macht, damit er die Frau heiraten darf. Der „Preis“ wird dabei zuvor ausgehandelt. Sambische Insider meinten dazu, dass viele Männer dies offenbar als „Kauf der Ehefrau“ missverstehen und Frauen auch dadurch verstärkt männlicher Willkür und Gewalt ausgesetzt sind.

Ein weiterer Punkt ist die hohe HIV-Rate in Sambia. Etwa zehn Prozent der Bevölkerung dürften infiziert sein. Auch hier sind Frauen und Mädchen überdurchschnittlich oft betroffen.

Dazu kommt nicht zuletzt die gerade unter Kindern eklatante Unterernährung. Vier Prozent der Kinder unter fünf Jahren sind untergewichtig, 35 Prozent sind für ihr Alter zu klein. Kinder im Alter von sechs bis 23 Monaten bekommen nur zu 13 Prozent die minimal akzeptable Ernährung, häufiger in der Stadt, seltener auf dem Land. Dazu kommt, dass Durchfall in Sambia noch immer eine oft tödliche Krankheit ist und dies oft oder meist mit mangelnden Hygienebedingungen und Zugang zu sauberem Trinkwasser zu tun hat, wie eine 2022 erschienene Analyse zu den Schwachstellen Sambias feststellte.

Victoria-Fälle
Die Victoria-Fälle sind weltbekannt, die Krisen Sambias bleiben von der Weltöffentlichkeit aber weitgehend unbemerkt.
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