Corona-Impfung

Ärzte ohne Grenzen: EU hat 100 Mio. unverbrauchte Corona-Impfdosen

Über 100 Millionen COVID-19-Impfstoffdosen lagern laut unbestätigten Schätzungen der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen ungebraucht in EU-Ländern. In Österreich stehen derzeit laut Gesundheitsministerium rund 19 Mio. Dosen zur Verfügung. Man erwartet 2023 im Rahmen der gemeinsamen Beschaffung die Lieferung von weiteren 12,4 Mio. Impfdosen, vorwiegend mRNA-Vakzine.

red/Agenturen

Die Kosten dafür unterlägen der in den Verträgen mit der EU festgelegten Verschwiegenheitspflicht. Die Frage nach der Haltbarkeit der vorhandenen Dosen ist laut Gesundheitsministerium „schwer zu beantworten“ - Impfstoffe liefen einerseits laufend ab, andererseits führten die Hersteller auch Evaluierungen durch, die zu einer Verlängerung des Ablaufdatums führen könnten. Eine Anfrage an die EU-Kommission bezüglich der in der gesamten Europäischen Union vorhandenen Corona-Impfstoffbestände blieb bisweilen unbeantwortet.

Größtes Versagen bei Verteilungsgerechtigkeit

„Die EU-Kommission muss mit BioNTech/Pfizer und Moderna nachverhandeln, ob trotzdem laufende Verträge erfüllt und weitere unzählige Dosen zu hohen Preisen gekauft werden müssen“, forderte Marcus Bachmann von  Ärzte ohne Grenzen (MSF) Österreich am Mittwoch. Bachmann kritisiert des weiteren, dass die vertraglichen Vereinbarungen bezüglich der Lieferung von mRNA-Impfstoffen „von Anfang an“ nicht publik gemacht worden seien. „Wir müssen aber davon ausgehen, dass die Gesundheitsbedürfnisse der Menschen in der EU und vor allem weltweit nie im Zentrum gestanden sind“, erklärte der MSF-Berater für humanitäre Angelegenheiten und bezeichnete dies als das „größte Versagen in der Geschichte der Verteilungsgerechtigkeit“.

Pharmaunternehmen hätten „nur nach betriebswirtschaftlichen Kriterien darüber entschieden, wer mRNA-Impfstoffe bekommt und wer nicht“. Aktuell zeige sich „einmal mehr“ das Ausmaß: „Es werden Impfstoffe geliefert, die gar nicht mehr benötigt werden“, so Bachmann und verlangte „volle Transparenz“.

Rauch: „brauchen mehr Flexibilität“

Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) hatte bereits vergangene Woche von der EU eine Neuverhandlung der Verträge gefordert. „Viele Hersteller haben mit den Corona-Impfstoffen Milliardengewinne geschrieben. Wir brauchen mehr Flexibilität bei den Lieferungen und bei der Weitergabe von Impfstoffen.“ 9,2 Mio. Dosen Covid-19-Impfstoffe habe Österreich bisher an Drittstaaten gespendet, fünf Mio. davon allein im vergangenen Jahr.

Während der Pandemie hatte die EU-Kommission im Namen der Mitgliedstaaten Verträge über Hunderte Millionen Dosen Impfstoff verhandelt und abgeschlossen. Das Vorgehen stand immer wieder in der Kritik, weil die Verträge nur teilweise öffentlich gemacht worden sind oder weil es Verzögerungen bei der Lieferung des Impfstoffs gab. Die milliardenschweren Geschäfte gerieten auch ins Visier der Europäischen Staatsanwaltschaft, wie diese Mitte Oktober 2022 bestätigte, ohne Details zu den Ermittlungen bekannt zu geben.

Kritik für 1,8 Mrd. Deal mit Biontech

Besonders kritisiert wurde vor allem ein Deal über bis zu 1,8 Milliarden Dosen von Biontech/Pfizer vom Frühjahr 2021 mit einem geschätzten Vertragsvolumen von 35 Mrd. Euro. Wie die „New York Times“ berichtete, war der persönliche Kontakt zwischen EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen und Pfizer-Chef Albert Bourla für den Abschluss entscheidend. Dabei sollen sie auch SMS ausgetauscht haben. Einsicht in die fraglichen Textnachrichten lehnte die EU-Kommission gegenüber Journalist:innen ab, auch dem Europäischen Rechnungshof wurden angefragte Informationen zu dem Geschäft nicht vorgelegt.

Service:

https://biontech.de/
http://www.pfizer.com
https://www.modernatx.com/

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