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Ärztegesetz

Beistand für Sterbende neu geregelt

Mit der Novelle des Ärztegesetzes wurde auch der ärztliche Beistand für Sterbende neu geregelt. Die damit verbundene rechtliche Absicherung der Mediziner wird von der Ärztekammer begrüßt. Doch rund um das heikle Thema gibt es noch viele offene Fragen. 

Claudia Tschabuschnig
Sterbehilfe Intensivstation
Die beiden häufigsten Todesursachen waren auch 2022 Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie Krebs. Zusammen verursachten sie einen Anteil von sechs von zehn Sterbefällen.
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„Man wird dieses Thema sicherlich in der Ärzteschaft durchdiskutieren müssen, weil gewisse gesellschaftlichen Prozesse auf uns zukommen“, meint Thomas Holzgruber, Kammeramtsdirektor der Wiener Ärztekammer.

„Beistand für Sterbende“ (Quelle)

  • § 49a. (1) Die Ärztin/Der Arzt hat Sterbenden, die von ihr/ihm in Behandlung übernommen wurden, unter Wahrung ihrer Würde beizustehen.

  • (2) Im Sinne des Abs. 1 ist es bei Sterbenden insbesondere auch zulässig, im Rahmen palliativmedizinischer Indikationen Maßnahmen zu setzen, deren Nutzen zur Linderung schwerster Schmerzen und Qualen im Verhältnis zum Risiko einer Beschleunigung des Verlusts vitaler Lebensfunktionen überwiegt. 

Ärztinnen und Ärzte sollen Todkranken künftig Schmerzen lindern, statt ihnen unter allen Umständen das Leben zu verlängern. Dabei geht es um die Zulässigkeit von symptomatischen Therapien wie beispielsweise bei Schmerzen oder psychischen Leiden im Bereich der palliativmedizinischen Versorgung am Lebensende. Mediziner dürfen demnach höhere Schmerzmitteldosen verabreichen, auch wenn das Risiko steigt, dass sie dadurch das Leben ihrer Patienten verkürzen. Bisher haben viele Ärztinnen und Ärzte im Graubereich agiert, hätten theoretisch geklagt und wegen Mordes vor Gericht gestellt werden können, wenn eine höhere Dosis an Schmerzmitteln, zu einem früheren Tod eines Patienten führte. Die aktive Sterbehilfe bleibt in Österreich aber weiter verboten.

Die neue Regelung (§ 49a. ÄrzteG) wurde im Zuge des Ärztegesetzes Mitte Dezember im Nationalrat beschlossen und trat mit erstem Jänner 2019 in Kraft. Das Gesetz wurde jedoch noch nicht im Rechtsinformationssystem des BKA (www.ris.bka.gv.at) kundgemacht und ist damit noch nicht rechtsgültig. Grund dafür ist die Einspruchsfrist bezüglich der Notarztausbildung, konkret die Zustimmung aller Bundesländer, die noch abgewartet werden muss. Wie lange die Einspruchsfrist dauert, ist unklar. Rechtsexperten gehen davon aus, dass sich an dem Gesetzesbeschluss nichts ändern wird.

Die Ärztekammer begrüßt die Novelle, da sie Mediziner rechtlich absichert. Im Gespräch mit medinlive.at sieht Kammeramtsdirektor und Rechtsexperte der Wiener Ärztekammer Thomas Holzgruber viel Diskussionsbedarf in der Ärzteschaft und verweist darauf mit welcher Belastung der behandelnde Arzt konfrontiert ist, wenn er statt Leben retten nur mehr Leid ersparen kann. Wichtig sei deshalb, dass ein Arzt grundsätzlich die Möglichkeit hat „nein“ zu sagen. Insgesamt sieht Holzgruber eine Bewegung in Europa, die die Regelung zu ethisch umstrittenen Fragen zum Lebensende aufweichen könnte.

Kammeramtsdirektor und Rechtsexperte der Wiener Ärztekammer Thomas Holzgruber viel Diskussionsbedarf in der Ärzteschaft. Credit: Stefan Seelig
Kammeramtsdirektor der Wiener Ärztekammer, Thomas Holzgruber, sieht viel Diskussionsbedarf in der Ärzteschaft, Credit: Stefan Seelig

 

medinlive: Was war der Hintergrund zur geplanten Gesetzesänderung zur palliativmedizinischen Begleitung am Lebensende?

Holzgruber: Auslöser für die Gesetzesänderung war ein Prozess in Salzburg gegen einen Facharzt für Anästhesie und Intensivmedizin. Der Mediziner musste sich wegen des Vorwurfs der fahrlässigen Tötung unter besonders gefährlichen Umständen verantworten, da er den Tod einer 79-jährigen Patientin eines Salzburger Spitals durch eine zu hohe Dosis Morphin verursacht haben soll. Schließlich wurde er freigesprochen. Das brachte wieder eine Diskussion ins Rollen.

medinlive: Auch unter der Ärzteschaft?

Holzgruber: Man wird dieses Thema sicherlich in der Ärzteschaft durchdiskutieren müssen, weil gewisse gesellschaftlichen Prozesse auf uns zukommen. Damit gemeint ist das Selbstbestimmungsrechtes des Patienten, der sagt: „ich will sterben und wenn ich mir jemanden hole, der das für mich macht ist das meine Entscheidung und dem darf auch nichts passieren“. Das ist zwar eine Extremposition, aber ich beobachte auch, dass sich die Politik, die ja auch ein Spiegel der Gesellschaft ist, sich in ihrer Position beginnt sich langsam aufzuweichen. 

medinlive: Wie lautet die Position der Ärztekammer zu der Novelle?

Holzgruber: Natürlich schützen wir Ärztinnen und Ärzte. Daher ist es aus unserer Sicht gut und richtig, dass diese Ergänzung gemacht wurde, da es den Ärztinnen und Ärzten hilft, aus einer möglichen Mordanklage rauszukommen. Und natürlich ist dies nicht die Regelung zur Sterbehilfe, deswegen heißt es ja Beistand zur Sterbehilfe, hier gibt es einen gravierenden Unterschied. Diese wird von der Ärzteschaft klar abgelehnt, da Ärzte da sind Leben zu verlängern und sie nicht zu beenden und ein Blick in die Geschichte lehrt, dass der Beruf des Arztes massiv politisch missbraucht werden kann.

medinlive: Schmerz zu lindern statt das Leben zu retten. Wie können das Mediziner mit ihrem beruflichen Ethos vereinbaren?

Holzgruber: Ich erinnere mich an eine Situation, in der mir ein Arzt von einem Patienten berichtet hat, der sich nicht operieren lassen will, seine Krankheit aber ohne Operation letal sei. Als Arzt jemanden sterben zu lassen, wo man helfen könnte, ist eine unerträgliche Situation. Aber die Entscheidung, was getan wird, trifft letztendlich der Patient. Mediziner müssen alle Ressourcen zur Verfügung stellen, um den Patienten zu helfen. Das größte Problem ist auch, dass ein Patient manchmal aus einer Spontanreaktion heraus die unwiderrufliche Entscheidung des „Ich will nicht mehr“ trifft. Auch wenn zum Beispiel jemand ein Handicap hat, kann derjenige noch vieles bewirken für andere Menschen. Diese Einsicht haben Menschen oft nicht, wenn sie ihr bisher gewohntes Leben nicht weiterleben können. Deswegen ist man auch so vorsichtig bei der Sterbehilfe. Die Frage, wo jemand betreut wird, ist auch eine schwierige Entscheidung, bei der man den Angehörigen helfen muss. Ein Problem ist auch die Auslagerung. Sehr viele Pflegepatienten liegen auf Akutbetten.

medlinlive: Wird die Arzt-Patienten-Angehörigen Kommunikation in diesem Bereich ausreichend praktiziert?

Holzgruber: Natürlich ist der Zeit- und Kostendruck überall enorm und gerade für diese Situation braucht man sehr viel Zeit. Hier gibt es aber auch Unterschiede, je nach Struktur und je nachdem, wie die Ressourcen verteilt sind. Die Arzt-Patienten-Kommunikation ist oft schwierig. Gerade einem Menschen zu sagen, dass er stirbt oder eine tödliche Krankheit hat, ist das Schwerste, was man sich vorstellen kann. Jedenfalls wird die Entscheidung darüber, wie und zu welchem Zeitpunkt vom Prinzip der Heilung in Richtung palliative Betreuung verändert werden sollte, immer individuell getroffen.

medinlive: Sollte in der Ärzteschaft ein breiterer Diskurs über das Thema Sterben geführt werden?

Holzgruber: Ja, deswegen setzen wir stark auf Supervision, weil Menschen beim Sterben zuzusehen nicht einfach ist, nicht nur bei den Psy-Berufen (Psychologe, Psychiater, Psychotherapeut, Anm.). Denn der Arztberuf an sich ist extrem belastend. Fast jeder Arzt ist mit belastenden Situationen konfrontiert und da ist es auch wichtig, diese professionell aufarbeiten zu können. Es ist sehr schwer, das Schicksal anderer Menschen emphatisch wegzustecken. Man muss lernen, mit dem Thema professionell umzugehen und mit dem Tod professionell umzugehen ist nicht einfach, weil die Gesellschaft den Tod gerne ausblendet.

Terminologie der Sterbehilfe

  • Aktive Sterbehilfe ist die gezielte Herbeiführung des Todes durch Handeln auf Grund eines tatsächlichen oder mutmaßlichen Wunsches einer Person. Ein solches Vergehen ist in Österreich laut § 77 Strafgesetzbuch verboten. 
     
  • Passive Sterbehilfe ist das Zulassen eines begonnenen Sterbeprozesses durch Verzicht, Abbrechen oder Reduzieren lebensverlängernder Behandlungsmaßnahmen. Dies wird in Österreich bereits jetzt legal praktiziert.
     
  • Assistierter Suizid ist die Selbsttötung mit Hilfe einer Person, die ein Mittel (meist ein Medikament) zur Selbsttötung bereitstellt. In Österreich ist ein solches Vergehen nach § 78 Strafgesetzbuch verboten. 
     
  • Sterbebegleitung greift nicht in den Prozess des Sterbens ein.

Die neue Regelung (§ 49a. ÄrzteG), die im Zuge des Ärztegesetzes Mitte Dezember im Nationalrat beschlossen und mit 1. Jänner 2019 in Kraft getreten ist, wurde medial kaum aufgegriffen, der gesellschaftliche Diskurs blieb weitgehend aus. Eine Stellungnahme kam von der Bischofskonferenz. Konkret forderten die österreichischen Bischöfe einen noch deutlicheren Hinweis, dass durch die neue Formulierung das Verbot aktiver Sterbehilfe weder verändert noch aufgeweicht wird: „Ärztliches Handeln dürfe nie auf Tötung abzielen, da dies der Würde des Menschen wie auch dem ärztlichen Ethos widerspräche“. Sei der Tod jedoch nicht mehr aufzuhalten und eine Therapie sinnlos - da medizinisch nicht mehr indiziert - so bedeute dies „keine aktive Tötung, sondern vielmehr, dem Sterben seinen Lauf zu lassen“. Als Formulierung im Gesetz schlagen die Bischöfe daher vor, die „Sterbenden“ noch klarer als „Patienten, deren Tod unmittelbar und absehbar bevorsteht" zu definieren.

Bei der Novelle gehe es um die rechtliche Absicherung eines zutiefst ethischen ärztlichen Handelns, betont Rudolf Likar, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin (ÖGARI) und der Österreichischen Palliativgesellschaft (OPG). Zudem sei es keineswegs so, dass eine wirksame Symptombehandlung in der Palliativsituation, zum Beispiel mit Opioid-Medikamenten,  lebensverkürzend sei, betont der Experte. „Im Gegenteil, wir wissen, dass Patienten, bei denen frühzeitig palliativmedizinische Versorgung zur Linderung von quälenden Symptomen einsetzt, manchmal sogar länger leben und in jedem Fall eine bessere letzte Lebensphase haben als jene, bei denen bis zur letzten Minute noch jede Behandlungsmöglichkeit versucht wird“, argumentiert Likar.  Keinesfalls handle es sich dabei um eine Öffnung in Richtung „aktive Sterbehilfe“ – die Verbote von Tötung auf Verlangen und Beihilfe zum Selbstmord bleiben unberührt“, erläuterte die ÖVP-Gesundheitssprecherin Gaby Schwarz im vergangenen Jahr.  

„Wie stehst du zu deinem Leben und Sterben?“

Trotz rechtlicher Klarstellung wirft der Gesetzestext Fragen auf, wie der Sozial- und Medizinrechtler Wolfgang Mazal dieser Tage bei einer Fachveranstaltung in Wien aufzeigte. „Was bedeutet etwa Menschenwürde? Wie wird das Nutzen-Risiko abgewogen? Ist dies vielleicht die Einfallspforte für eine Regelung wie in der Schweiz (wo das ‚menschenwürdige Sterben‘ praktiziert wird, Anm.)?“, stellt Mazal, Interner Mitwirkender am Institut für Ethik und Recht in der Medizin, provokante Fragen in den Raum.

 stellt Mazal, Interner Mitwirkender am Institut für Ethik und Recht in der Medizin, provokante Fragen in den Raum.
Wolfgang Mazal erhält die Kardinal-Opilio-Rossi-Medaille 2016, im Bild mit AKV-Präsident Helmut Kukacka und ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka 

 

Doch nicht nur in Österreich fällt es der Politik schwer, eine Formulierung zu dem heiklen Thema der Sterbehilfe zu finden. In ganz Europa wird „herumgeeiert“, wie Mazal anmerkt. Eine Schwierigkeit dabei seien auch die unterschiedlichen Dialog- und Sprachebenen. Je nach Ebene - medizinisch, ethisch, rechtlich - können Begriffe wie „handeln“, „unterlassen“ oder „Würde“ unterschiedlich ausgelegt werden. So bedeutet „Handeln“ juristisch auch unterlassen. In Kauf zu nehmen, etwas könnte eventuell auch zum Tode führen, fällt juristisch unter den Eventualvorsatz. „Wie nun umgehen mit diesem Thema?“, fragt sich Mazal. Es gehe um Sachfragen, führt er fort, wie etwa: „Was will der Patient und was die Allgemeinheit? Die Antworten sind vom Menschenbild abhängig. Zudem gibt es noch das Spannungsfeld zwischen Leidensdruck und Kostendruck. Genug gelitten oder genug gekostet?“

Patientenverfügung ist eine schriftliche Willenserklärung, mit der ein zukünftiger Patient im Vorfeld bestimmte medizinische Behandlungen ablehnen kann. Sie wird dann wirksam, wenn der Patient im Zeitpunkt der Behandlung nicht mehr entscheidungsfähig ist. Bindungskraft hat eine „verbindliche“ Patientenverfügung, die eine ärztliche Aufklärung und rechtliche Beglaubigung erfordert. 

Schlussendlich müsste es eine Konsensbildung geben, die die Würde des Patienten ebenso achtet, wie die des Arztes und innerhalb der Grenzen des Gesetzes (welches auch die Kostenfrage beinhaltet) und der guten Sitten ist, folgert Mazal. Entscheidend sei der mutmaßliche Patientenwillen. Wichtig sei es daher einen Vorsorgedialog zu führen. Das medizinische System solle bei jedem Patientenkontakt thematisieren: „Haben Sie eine Patientenverfügung, eine Vorsorgevollmacht?“ und mit der Frage konfrontieren: „Wie stehst du zu deinem Leben und Sterben?“ Letztlich aber entscheidet der Arzt. Dabei plädiert Mazal in Richtung der Ärzteschaft, mit einem guten Willen an den Patienten heranzugehen, „mit dem Willen zu helfen und nicht zu beenden“ und sich zu sagen: „ich gehe positiv an dich heran, nehme in Kauf, dass es schneller geht als natürlich“.

Keine eindeutige Aussage

In Österreich ist neben der aktiven Sterbehilfe auch der assistierte Suizid verboten. Anders sieht die rechtliche Situation bei der passiven und indirekten Sterbehilfe aus: Nach österreichischer Rechtslage kann auf lebensverlängernde Maßnahmen beim Sterben verzichtet werden, insbesondere durch eine Patientenverfügung. Drucksituationen, so Gegner, könnten dazu führen, dass die Entscheidung, in den Tod zu gehen, nicht immer freiwillig getroffen wird.

Politische Positionen zur Sterbehilfe

Wie das Sterben geregelt ist, bestimmt vor allem die Politik. Doch fällt es auch den Parlamentsparteien in Österreich nicht leicht klar Position zu nehmen. Darüber, ob und wie diese Rechtslage aufgeweicht werden sollte, gibt es heftige Kontroversen insbesondere, wenn es um den assistierten Suizid und die aktive Sterbehilfe geht. 

Wie Regierung und Opposition zu den Fragen rund ums Sterben stehen, hat „der Standard“ kürzlich nachgefragt.

  • Die NEOS sind gegen die Erlaubnis der aktiven Sterbehilfe und wollen hier die Gesetze nicht aufweichen. Die Partei sprach sich aber für einen ärztlichen assistierten Suizid aus. Zudem soll dem Patienten im Zuge der passiven Sterbehilfe der Verzicht auf eine lebensverlängernde Behandlung stets möglich sein.
     
  • Auch die SPÖ hat sich klar gegen eine aktive Sterbehilfe positioniert. Beim assistierten Suizid können sich jedoch eine Straffreiheit für Menschen vorstellen, die Angehörigen oder nahestehenden Personen mit einer unheilbaren Erkrankung beim Suizid Hilfe leisten.
     
  • Die Liste Jetzt kann sich grundsätzlich alle Formen der Sterbehilfe vorstellen, jedoch nur nach ausführlicher Abstimmung mit internationalen Experten auf dem Gebiet und unter der Bedingung, „dass eine unheilbare Krankheit in fortgeschrittenem Stadium vorliege, die mit einer substanziellen Einschränkung der Lebensqualität einhergehe“.
     
  • Auch die FPÖ und ÖVP halten am Verbot der aktiven Sterbehilfe fest. Die türkise Gesundheitssprecherin Gabriela Schwarz berichtete in eher allgemeiner Form, dass sie „für ein Leben und Sterben in Würde“ sei. Konkrete Positionen der Regierungsparteien zum assistierten Suizid konnten laut „Standard“ nicht eruiert werden.

Auch die Bioethikkommission in Österreich hat sich mit Terminologievorschlägen beschäftigt. Hier ist etwa von „Therapiezieländerungen“ die Rede. In ihren Empfehlungen zum Sterben in Würde stellte die Kommission fest, dass medizinische Interventionen, die keinen Nutzen für die Patientin/den Patienten erbringen oder deren Belastung für die Patientin/den Patienten größer ist als ein eventueller Nutzen und die am Lebensende zu einer Verlängerung des Sterbeprozesses führen können, im Hinblick auf die Unverhältnismäßigkeit weder aus ethischer noch aus medizinischer Sicht zu rechtfertigen sind. Bei einem möglichen hypothetischen, zukünftigen Nutzen wird das Kriterium der Verhältnismäßigkeit anzuwenden sein, das heißt, es ist die aktuelle Belastung gegen den hypothetischen, wahrscheinlich zukünftigen Nutzen abzuwägen. Diese Abwägung ist Aufgabe der Ärztin/des Arztes.

In Europa haben die Niederlande, Belgien, Luxemburg und die Schweiz Sterbehilfe in unterschiedlichem Ausmaß legal zugelassen. In Frankreich wurde 2005 ein Gesetz verabschiedet, das Leonetti Gesetz (nach dem Abgeordneten und späteren Minister für Europäische Angelegenheiten, Jean Leonetti benannt), welches „passive Sterbehilfe“ legalisiert. Darin heißt es: „Die Behandlung muss nicht mit allen Mitteln fortgesetzt werden. Wenn sie unnütz oder unangemessen erscheint, darf sie beendet werden.“ Der Bundesgerichtshof in Deutschland erlaubt einen Zustand wiederherzustellen, der einem Krankheitsprozess freien Lauf lässt. 

Selbst der Menschenrechtsgerichtshof konnte zu dem Thema keine eindeutige Aussage treffen: „Da es unter den Mitgliedstaaten keinen Konsens über lebenserhaltende Maßnahmen am Lebensende gebe, liege die Entscheidung im Ermessensspielraum des jeweiligen Staates“, so die Stellungnahme des Gerichts. Anlass für die Äußerung war der Fall des Franzosen Vincent Lambert, der seit einem Motorradunfall 2008 im Wachkoma lag, querschnittsgelähmt war und durch künstliche Ernährung über eine Magensonde am Leben gehalten wurde. Ärztinnen und Ärzte sowie zahlreiche Angehörige des Mannes forderten vor einigen Jahren, dass die künstliche Ernährung beendet werde und Lambert sterben darf.

Fest steht: Gerade Mediziner, die Leben retten wollen, sind bei dem heiklen Thema der Sterbehilfe zerrissen. „Wir Ärzte maßen uns nicht an, über Leben und Tod zu entscheiden“, erklärte Ärztekammerpräsident Thomas Szekeres kürzlich gegenüber den „Salzburg Nachrichten“. „Die Diskussion wird jedenfalls weitergehen, gerade mit Blick auf internationale Beispiele“, sagt Holzgruber und ergänzt: „Die Gesellschaft wird am Ende des Tages selber entscheiden“.

Weiterführende Links:

Sterbebegleitung
Blau: Aktive Sterbehilfe erlaubt Gelb: Assistierter Suizid erlaubt Grün: Passive Sterbehilfe erlaubt Rot: Keine legale Form der Sterbehilfe erlaubt Schwarz: Unklare Gesetzeslage Grau: Keine Daten.
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„Natürlich schützen wir Ärztinnen und Ärzte. Daher ist es aus unserer Sicht gut und richtig, dass diese Ergänzung gemacht wurde, da es den Ärztinnen und Ärzten hilft, aus einer möglichen Mordanklage rauszukommen“, erläutert Holzgruber.