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Interview

„Kinder bitte in die Schule und in den Kindergarten!"

Der Schulstart dieses recht speziellen Schuljahres ist nun österreichweit über die Bühne gegangen. medinlive hat den Kinderarzt Peter Voitl gefragt, was er zum Schulalltag – Stichwort Pflegeurlaub – Ampelsystem und Maske sagt.

red

medinlive: Wie sehen Sie die Maskenthematik in Bezug auf den Schulstart?

Peter Voitl: Grundsätzlich halte ich es natürlich für sinnvoll da, wo viele Menschen auf engerem Raum zusammekommen, Masken zu tragen. Bei Kindern geht es darum, wie ich hier Regeln aufstelle, die auch umsetzbar sind. Wenn Kinder permanent Masken tragen sollen, mehrere Stunden durchgehend, dann werden sie es nicht tun bzw. nur sehr lückenhaft. So wie man es ja auch in der U-Bahn sieht, wo nur gefühlt jeder Dritte die Maske korrekt trägt. Wenn man das also in den Schulen möchte, dann ist eine Restaurantregellung durchaus sinnvoll, wo in den Gängen, in den Gemeinschaftsräumen Masken getragen werden. In den Klassen gilt es ausreichend Abstand zu halten, zu lüften und dort aber ohne Maske zu agieren, denn die Kinder setzen das sonst nicht um.

medinlive: Jetzt wurde ja in den letzten Monaten bekanntlich viel darüber debattiert, ob und wie Kinder gefährdet sind. Wie ist ihre Erfahrung in der Praxis damit?

Voitl: Bei uns waren nur wenige Kinder, die sich infiziert haben. Kinder haben tatsächlich großteils einen ganz milden Verlauf, manche symptomlos, manche mit leichter Verkühlung.Ganz, ganz selten gibt es diese immunologischen Phänomene, die dann auch intensivpflichtig sind. Wenn man großzügig Schulen schließt und Kinder bei jedem Schnupfen daheimlässt, dann braucht es Pflegeurlaub. Das bedeutet aber auch, das Ärzte und Krankenschwestern zuhause bleiben.

Modellrechnungen haben ergeben, dass das medizinische System damit um 15-20 Prozent heruntergefahren wird. Was bedeutet, das alle nicht infektiösen Krankheiten wie Herzinfarkt, Schlaganfall usw. weniger gut und verzögert behandelt werden. Die Zahlen aus der Ärztekammer geben an, das wir dieses Corona-Quartal sozusagen um 25 Prozent weniger die Diagnose Myokardinfarkt gestellt haben. Aber nicht weil die Leute weniger Herzinfarkte haben, sondern weil sie weniger zum Arzt gehen. Man muss jedenfalls man wirklich davor warnen, jeden Schnupfen als potentiellen Verdachtsfall zuhause mit Pflegeurlaub zu versorgen.

medinlive: Jetzt gab es aber seitens des Bildungs- und Arbeitsministeriums die Empfehlung, Kinder auch schon im Zweifelsfall zuhause zu lassen. Wie soll das in der Praxis laufen?

Voitl: Es wird schlecht laufen, ist meine Vermutung. Denn was bedeutet das? Eltern bleiben daheim und nehmen sich Pflegeurlaub. Was das alleine für das medizinische System bedeutet, habe ich oben bereits erläutert. Die zweite Variante ist, die Eltern nehmen keinen Pflegeurlaub und die Großeltern, klassische Risikogruppe, passen dann auf den Verdachtsfall auf. Nicht sehr sinnvoll bzw. gefährlich. Variante C wird diejenige sein, dass sich die Kinder in Wohnungen sammeln bei demjenigen, der gerade als Betreuung verfügbar ist. Dort ist der Virenaustausch gesichert.

medinlive: Was ist der für Sie demzufolge gangbarste Weg?

Voitl: Nur dann, wenn sie wirklich krank sind,gilt es die Kinder zuhause lassen, wie es auch unter „normalen“ Umständen passieren würde. Ansonsten bitte in die Schule und in den Kindergarten.

medinlive: Ein kurzer Schwenk zum Thema Masken: Ist das derzeitige Handling für Sie in Ordnung oder würden Sie hier nachschärfen bzw lockern?

Voitl: Die Maske muss einfach zur Selbstverständlichkeit werden, in anderen Ländern funktioniert das ja auch, siehe etwa Italien. Sie muss in den Alltag integriert werden, etwa am Arm getragen werden wenn man alleine ist und, sobald sich eine Menschengruppe nähert, setzt man sie auf. Das sollte nicht so schwer sein. Die Maskenpflicht, das konnten bzw. können wir jetzt wieder beobachten, funktioniert eher semigut. Es sollte einfach von jedem selbst ausgehend selbstverständlich werden. Die Ampel wird naturgemäß ebenfalls für Verwirrung sorgen, das liegt bei so einem System auf der Hand. Die Ampelsituation ändert sich ja auch permanent und es wird schwierig werden, der Bevölkerung das verständlich nahezubringen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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