Kostendämpfung im Spital kaum zu erwarten

Österreichs Spitäler werden sprichwörtlich kaum „billiger“ werden. Bei der demografischen Entwicklung der Bevölkerung inklusive der im Gesundheitswesen Beschäftigten sind mehr Anstrengungen für das Personal, eine ausreichende Finanzierung und Strukturreformen mit Investitionen dringend notwendig. Dies erklärten Experten am Dienstag bei den Praevenire Gesundheitstagen in Seitenstetten.

red/Agenturen

„Das Spital hat ein Anrecht darauf, adäquat finanziert zu werden. Die Patient:innen 'stürmen' nicht die Spitäler“, sagte der ehemalige Generaldirektor der städtischen Wiener Spitäler, Wilhelm Marhold. Der Arzt und Experte mit jahrzehntelanger Erfahrung im Spitalswesen trat mit Zahlen des Gesundheitsministeriums strikt politischen Aussagen entgegen, welche immer wieder eine starke Zunahme der in Krankenhäusern erbrachten Leistungen - stationär und ambulant - anführen.

Marhold: „Die Zahl der Ambulanzpatienten stagniert in Österreich seit zehn Jahren. 2012 waren es rund 17,1 Millionen Patient:innen, im Jahr 2021 rund 17,3 Millionen.“ Die Zahl der stationären Aufnahmen in den Krankenhäusern ist laut den Daten des Gesundheitsministeriums zwischen 2012 und inklusive 2021 sogar um 21 Prozent gesunken.

„Die Kosten für den stationären Bereich sind in diesem Zeitraum von rund neun Milliarden Euro auf 11,7 Prozent gestiegen, also um 30 Prozent. Die Kosten für die Ambulanzen haben sich aber von 1,7 Mrd. Euro auf 3,5 Mrd. Euro erhöht. Das sind plus 105 Prozent“, sagte Marhold. Der Grund dafür liege offenbar in der „stillen“ Ambulantisierung vieler Leistungen, wobei in Österreich noch immer viel zu wenige Eingriffe in den Krankenhäusern ambulant oder tagesklinisch erfolgen. Marhold: „Wir erleben derzeit die Medizin des 21. Jahrhunderts, betreiben sie aber im Spital des 20. Jahrhunderts.“

Mehr Anstrengungen für Personal, ausreichend Geld und Strukturreformen dringend notwendig

Für das Personal in den Krankenhäusern sind sowohl eine gute Bezahlung als auch gute Rahmenbedingungen notwendig. „Es geht nicht nur um Zahlen und Bezahlen. Es geht ums Betriebsklima“, erklärte der ehemalige Wiener Spitalsmanager. Eindeutig ist aber offenbar erkennbar, dass die Personalengpässe in den Krankenhäusern nicht schnell und mit einem Schlag zu beheben sind. Das liegt auch an den langen Ausbildungszyklen für den Nachwuchs. Hinzu kommt die demografische Entwicklung mit der Pensionierungswelle unter den „Baby-Boomern“. Verschärft wird das noch durch einen Konkurrenzkampf um Nachwuchs zwischen allen Wirtschaftsbereichen, zu denen auch das Gesundheitswesen gehört.

Bernhard Rupp von der NÖ Arbeiterkammer: „Die Schere zwischen Personalbedarf und vorhandenem Personal geht immer mehr auf. Wir brauchen eine gescheite Ausbildung und eine gescheite Bezahlung. Ein Polizist im ersten Ausbildungsjahr bekommt 2.100 Euro monatlich. Ein Maurerlehrling bekommt mehr als 1.000 Euro Lehrlingsentschädigung. Lehrlinge im Pflegebereich erhalten monatlich 600 Euro.“ Man müsse dringend an vielen sprichwörtlichen Schrauben drehen, um die Probleme zu bewältigen. „Die Kostendämpfung wird nicht gelingen. Man kann sich noch gar nicht vorstellen, was es kosten wird, diese Krise zu bewältigen“, betonte der Wiener Onkologe Michael Gnant.

Zum Teil, zumindest derzeit noch bei der Ärzteschaft, sind es aber auch Allokationsfehler, welche zu Engpässen in der medizinischen Versorgung führen. Josef Smolle, Gesundheitssprecher der ÖVP im Nationalrat, ehemals auch Rektor der MedUni Graz, führte dazu den wachsenden Wahlarztsektor und die Schwierigkeiten beim Nachbesetzen von Kassenordinationen an: „Wir haben derzeit in Österreich 48.700 aktive Ärzte. Das ist ein unglaublicher Spitzenwert. Die Versorgungswirksamkeit korreliert aber nicht mit dem Einkommen. Wenn man als nicht versorgungswirksamer Wahlarzt mehr verdient als ein versorgungswirksamer Kassenarzt, dann muss man etwas tun.“ Er, Smolle, erwarte von dem anstehenden neuen Finanzausgleich zwischen Bund und Bundesländern für das Gesundheitswesen erhebliche Veränderungen, weil allen Beteiligten die Notwendigkeit schneller Reformen bewusst sei.

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