Onkologie
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Österreichische Brustkrebs-Studie setzt neuen Behandlungsstandard

Brustkrebs ist die weltweit häufigste Krebserkrankung der Frau, in Österreich kommen jährlich 5.500 neue Patientinnen dazu. 70 Prozent der Fälle macht eine Krebsart aus, die vor allem Frauen nach der Menopause betrifft und mit einer nebenwirkungsreichen Hormontherapie behandelt wird. Die optimale Behandlungsdauer sei dabei jedoch kürzer als bisher angenommen, heißt es nun in einer am Mittwoch veröffentlichten Studie österreichischer Krebsforscher mit 3.484 Teilnehmerinnen.

ek/Agenturen

Für Frauen, bei denen nach der Menopause hormonrezeptiv-positiver Brustkrebs diagnostiziert wurde, galten in der Forschung bisher bis zu zehn Jahre endokriner Therapie als durchaus üblich, sieben Jahre seien aber optimal, lautet das Ergebnis der Studie, die am Mittwoch im „New England Journal of Medicine“ veröffentlicht wurde. „Die Frage war, wie weit können wir die Behandlungsintensität zurücknehmen und dennoch die besten Ergebnisse für die Patientinnen erzielen“, sagte Michael Gnant, Studienleiter und onkologischer Chirurg an der Medizinischen Universität Wien. „Dabei hat sich gezeigt, dass eine längere Dauer der Behandlung über sieben Jahre hinaus keine Vorteile bringt.“

Marija Balic, Leiterin des Brustzentrum-CCC Graz und Vizepräsidentin der ABCSG, betont, dass „trotz signifikanter Ergebnisverbesserungen in der Behandlung das Risiko für ein Krankheitsrezidiv auf unbestimmte Zeit bestehen bleibt, wobei mehr als 50 Prozent der Rezidive nach den ersten fünf Jahren auftreten. Mit der längeren Dauer der Therapie steigt auch das Risiko knochenassoziierter Nebenwirkungen.“

Eckdaten zur Studie

Die ABCSG 16 / S.A.L.S.A. Studie wurde von 2004 bis 2017 durchgeführt und endete im Juni 2020. Die Ergebnisse wurden am 29. Juli 2021 im medizinischen Fachjournal New England Journal of Medicine unter dem Titel „Duration of Adjuvant Aromatase-Inhibitor Therapy in Postmenopausal Breast Cancer“ veröffentlicht. In der prospektiven Phase-III-Studie ABCSG 16 / S.A.L.S.A. erhielten postmenopausale Patientinnen mit frühem hormonrezeptor-positivem Brustkrebs eine zusätzliche zwei- bzw. fünfjährige erweiterte Anastrozol-Therapie mit dem Ziel, deren Wirksamkeit zu überprüfen.

Das krankheitsfreie Überleben war dabei der primäre Endpunkt, sekundäre Endpunkte waren das Gesamtüberleben, die Zeit bis zum Auftreten eines kontralateralen Brustkrebses, die Zeit bis zum Auftreten eines zweiten Primärkarzinoms und die Rate der klinischen Knochenbrüche.

Richard Greil, der u.a. Leiter des Salzburg Cancer Research Institutes und des Cancer Clusters Salzburg sowie Vizepräsident der ABCSG ist, streicht dabei die Forschungslandschaft in Österreich hervor: „Die (Krebs)forschung Österreichs ist im internationalen Vergleich durch eine Reihe struktureller Schwächen gekennzeichnet, und dies sowohl im basiswissenschaftlich und translationalen Bereich an der Schnittstelle zwischen Laborforschung und klinischen Studien, als auch im klinischen Forschungs­feld. Diese Schwächen, wie etwa das völlige Fehlen öffentlicher Finanzierungsunterstützung für klinische Studien, sind nur zum Teil durch Innovationskraft, Geschwindigkeit und hohe Motivationslage kompensierbar. Daher freut es uns umso mehr, dass die Exzellenz unserer klinischen Brustkrebs­forschung nun von internationalen Experten anerkannt und bestätigt wurde.“

Aktuell könnten vier von fünf Betroffenen geheilt werden, sagte Gnant, die Therapie sollte aber nur so lange wie nötig angewendet werden, weil sie mit zahlreichen Nebenwirkungen verbunden sei: Osteoporose, tägliche Hitzewallungen, Libidoverlust. „Mit dieser klaren Richtlinie durch die Studie können weltweit Millionen Frauen vor vermeidbaren Nebenwirkungen geschützt werden“, sagte Christian Singer, Leiter des Brustgesundheitszentrums des AKH Wien. „Eine drei Jahre kürzere Dauer kann viel Leid wegnehmen.“

Das Besondere an der Studie sei vor allem die lange Nachbeobachtungsphase der Patientinnen von 118 Monaten, nahezu zehn Jahren, sagte Gnant. „Dadurch hatten wir in der Studie die Möglichkeit, die optimale Behandlungsdauer neu zu definieren.“ Die Ergebnisse gelten aber nur für Patientinnen mit geringem und mittlerem Risiko, gab der Experte zu bedenken, eine Therapie müsse immer noch individuell vom Spezialisten angepasst werden.

Die ABCSG (Austrian Breast & Colorectal Cancer Study Group)

Seit über 30 Jahren führt die Austrian Breast & Colorectal Cancer Study Group (ABCSG) unabhängig klinische Studien zum Mammakarzinom und kolorektalen Karzinom sowie zum Pankreaskarzinom durch. Allein in Österreich arbeitet die ABCSG mit zahlreichen Zentren und hunderten PrüfärztInnen zusammen, weltweit gesehen sind es bei internationalen Kooperationen mehrere Tausend. Bislang nahmen mehr als 29.000 PatientInnen an klinischen Studien der ABCSG teil.

ABCSG

NEJM

ABCSG Pressekonferenz
v.li.: Christian Singer (ABCSG Board Member), Marija Balic (ABCSG Vizepräsidentin), Richard Greil (ABCSG Vizepräsident) und Michael Gnant (ABCSG Präsident).
Vicky Posch_OTS
 
© medinlive | 02.10.2024 | Link: https://www.medinlive.at/index.php/wissenschaft/oesterreichische-brustkrebs-studie-setzt-neuen-behandlungsstandard