Viele Österreicher bei klimafreundlichen Lebensmitteln unsicher
Jeder Bissen kann einen Unterschied machen: Bis zu 37 Prozent der gesamten Treibhausgas-Emissionen können auf unsere Ernährung zurückgeführt werden. Fleisch sei dabei für fast die Hälfte verantwortlich, das ergab eine Umfrage der Umweltschutzorganisation WWF (World Wide Fund for Nature), die sie als Startschuss der Initiative „Eat4Change“ und anlässlich des Welternährungstags am 16. Oktober präsentierte.
Die Verantwortlichen sehen einen „klaren Auftrag an die Politik“. Unter dem Motto „Ernährung als Superpower gegen die Klimakrise“ soll das von der EU geförderte europaweite Projekt „Eat4Change“(Essen für Veränderung) das Bewusstsein über klimaschonende Ernährung zum Schutz des Planeten fördern.
Bio, regional, Fleischersatz oder heimischer Fisch? Was am besten auf den Teller der kommen soll, kann nicht immer ganz konkret empfohlen werden. Herstellung, Transport, Kühlung, Pestizideinsatz, Tierwohl - es gilt, viele Faktoren in die Überlegungen einzubeziehen. Die meisten Bewohner der Alpenrepublik verzehren allerdings viel zu viel Fleisch: 60,5 Kilogramm pro Kopf. Das ist dreimal so viel wie empfohlen, liegt im europäischen und weltweiten Spitzenfeld und kann meist recht einfach reduziert werden.
Laut einer repräsentativen, aktuellen Meinungsumfrage mit mehr als 1.000 Teilnehmern ist 57 Prozent der Befragten bewusst, dass Ernährung einen negativen Einfluss auf Klima und Umwelt hat bzw. haben kann. Trotzdem wüssten 45 Prozent nicht, für welche Lebensmittel sie sich konkret entscheiden sollen, um den Planeten zu schonen.
„Eine klimaschonende Ernährung ist unsere ganz persönliche Superpower im Kampf gegen die Erderhitzung und das Artensterben“, zeigte sich Hannah-Heidi Schindler, Expertin für nachhaltige Ernährung des WWF Österreich, überzeugt. Die Politik müsse „eine Ernährungswende einleiten“ und die dafür notwendigen Maßnahmen beschließen. Dabei müsse an vielen Schrauben gedreht werden, von der Preis- über die Subventionspolitik bis hin zur Bildung.
Lebensmittelprodkution verursacht bis zu 37% Emissionen
Die Produktion von Nahrungsmitteln verursache weltweit bis zu 37 Prozent der klimaschädlichen Emissionen, dazu komme die Rodung von Naturlandschaften zur Schaffung von Anbauflächen. Wenn sich nichts ändert, werde der weltweite Fleischkonsum zwischen 2020 und 2028 um weitere 13 Prozent steigen, warnt die NGO. Satte 80 Prozent der Regenwaldabholzung wären bereits auf Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion zurückzuführen, nicht nur, aber hauptsächlich aufgrund der großen Nachfrage nach Fleisch.
Die Bundesregierung müsse die notwendigen Meilensteine für eine klimaschonende Ernährungswende setzen. Umweltbewusste Entscheidungen dürften nicht länger auf die Menschen abgewälzt, sondern nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster müssten gefördert werden, auch durch die Preispolitik. „Bio sollte der 'Normalzustand' sein, Pestizide explizit angeschrieben“, fand etwa der vegetarische Sternekoch und Autor Paul Ivic.
„Wir müssen Hindernisse für einen klimafreundlichen Lebensstil abbauen", forderte Expertin Schindler. Sie sah in den aktuellen Studienergebnissen einen klaren Handlungsauftrag: 56 Prozent sehen sowohl die nationale als auch die regionale Politik in der Pflicht, die negativen Umweltauswirkungen von Lebensmitteln zu verringern. 80 Prozent wünschen sich eine Anhebung von internationalen Umweltstandards.
Gut für die Umwelt, gut für die Gesundheit
Ernährungsökologe Martin Schlatzer unterstrich die Dringlichkeit - auch aus gesundheitlichen Gründen. Eine vegetarische, klimafreundliche Ernährung könne Risiken für Herz-Kreislauferkrankungen, Diabetes und Bluthochdruck deutlich senken. Ivic verwies auf den „sehr starken Einfluss“ der Essgewohnheiten auf Ökologie, Ökonomie, auf Sozialverhalten und Gesundheit. „Wenn wir bei der Ernährung auf Qualität achten, können wir ganz viel verändern.“
Den Österreichern scheint zwar das Problem grundsätzlich bewusst, nicht aber die Rolle des Einzelnen: Obwohl sie sich große Sorgen machen, dass das derzeitige Ernährungssystem den Planeten belastet, denken 40 Prozent, ihr eigenes Essverhalten habe keine Auswirkungen auf die Umwelt. „Der Wille zu einem bewussteren Konsum ist da, aber der Weg durch verzerrte Marktbedingungen und intransparente Kennzeichnungen getrübt“, so Schindler.