Wettlauf mit der Zeit
262 Millionen Menschen weltweit sind von Asthma betroffen. Unter anderem gehört die Krankheit zu den häufigsten chronischen Krankheiten im Kindesalter, wo es sich meist erstmanifestiert, oftmals aber unerkannt bleibt. In Österreich sind laut Expertenschätzung fast sechs Prozent der Bevölkerung davon betroffen, Kinder doppelt so häufig wie Erwachsene. Jeder Zwanzigste davon leidet an schwerem Asthma.
Rund 5,5 Millionen (9,4 Prozent) Kinder sind EU-weit an Asthma bronchiale erkrankt. Problematisch dabei ist, dass diese häufigste Atemwegserkrankung von Kindern oft entweder nicht erkannt oder auch falsch diagnostiziert wird. Eine frühzeitige Diagnose ist bei der richtigen Therapie allerdings entscheidend, denn „wir wissen, dass Kinder mit erniedrigter Lungenfunktion ein erhöhtes Risiko haben, im Erwachsenenalter an einer chronischen Lungenerkrankung zu leiden", betonte die Medizinerin Robab Breyer-Kohansal von der Wiener Klinik Penzing kürzlich in einer Aussendung der ÖGP (Österreichische Gesellschaft für Pneumologie). Von kindlichem Asthma spricht man bei einer Erkrankung im Alter von 5 bis 16 Jahren. Vor Kurzem wurde dazu von einer Task Force der Europäischen Pulmologischen Gesellschaft (European Respiratory Society ERS) eine erste Leitlinie speziell für kindliches Asthma erarbeitet.
Was das Thema Asthma vor allem bei jungen Kindern so schwierig macht, ist die Diagnostik. „Asthma vor dem fünften Lebensjahr zu diagnostizieren ist schwierig, denn mit so kleinen Kindern kann man die zur Diagnose notwendigen Tests einfach noch nicht durchführen“, so Angela Zacharasiewicz, Oberärztin an der Abteilung für Kinder- und Jugendheilkunde im Klinikum Ottakring, Wilhelminenspital. Auch bei Schulkindern gibt es allerdings eine gewisse Crux, fürht die Lungenspezialistin weiter aus: „Ursache dafür ist oftmals, dass Atemwegsinfekte vor allem bei kleineren Kindern fehlgedeutet werden, da sie oft ähnliche Symptome hervorrufen wie Asthma. In der Folge kommt es manchmal zu einer Übertherapie mit Cortison.“ Eine Unterdiagnostizierung wiederum führt nicht nur zu unnötigen Beschwerden, häufiger Schulabwesenheit und einer Einschränkung der Lebensqualität, sondern auch zu schwereren Asthma-Anfällen, Krankenhausaufnahmen und einer höheren Morbidität, erklärt Zacharasiewicz.
Apropos Kinder: Der Zusammenhang zwischen Allergien und Asthma ist bei ihnen groß: Rund die Hälfte aller Kinder mit allergischem Schnupfen entwickelt im Lauf ihres Lebens Asthma. „Forschungsergebnisse zeigen ganz klar, dass ein Zusammenhang zwischen Allergien und Asthma besteht, und gerade Kleinkinder, die eine Sensibilisierung aufweisen oder bereits an einer Allergie leiden, ein deutlich erhöhtes Risiko haben, auch an Asthma zu erkranken,“ so Florian Horak, Leiter des Allergiezentrum Wien West.
Pandemiebedingte Fragezeichen
Die Corona-Pandemie war für Asthmatiker mit einigen zusätzlichen Fragestellungen verbunden, Stichwort Impfungen und erhöhtes Risiko für schwere, mitunter auch lange Verläufe. (Entwarnung gab es in beiden Punkten relativ schnell.) Unter anderem eine spanische Studie untersuchte die Gesundheitsdaten von mehr als 71.000 Menschen mit Asthma. Die Daten wurden zwischen Januar und Mai 2020 in Spanien gesammelt. Im Detail untersuchten die Forscher, ob diese Menschen COVID-19 entwickelten, welche Medikamente sie einnahmen, welche Grunderkrankungen sie hatten und ob sie ins Krankenhaus eingeliefert wurden.
1,4 Prozent der Untersuchten entwickelten demnach während des Studienzeitraums eine Covid-Erkrankung nach einer Infektion. Die Betroffenen waren mit höherer Wahrscheinlichkeit älter, weiblich, rauchten häufiger und hatten mit höherer Wahrscheinlichkeit noch eine andere Erkrankung wie Bluthochdruck, Diabetes oder Fettleibigkeit. Menschen mit Asthma, die wegen der Coronavirus-Infektion im Krankenhaus behandelt werden mussten, nahmen zudem seltener Cortison-Sprays (inhalative Kortikosteroide) ein als die Personen, die nicht ins Krankenhaus eingeliefert wurden. Das Risiko für Menschen mit Asthma wegen COVID-19 ins Krankenhaus zu kommen, hänge somit hauptsächlich mit dem Alter und weiteren Grunderkrankungen zusammen, lautet die Schlussfolgerungen der Untersuchung.
Verunsicherung herrschte zudem rund um Berichte über allergische Reaktionen auf die beiden mRNA-Impfstoffe gegen COVID-19, Comirnaty (Biontech/Pfizer) und Spikevax (Moderna). Patient:innen mit gut kontrolliertem Asthma, Heuschnupfen (Pollenallergie), Neurodermitis, Urtikaria, aber auch mit Nahrungsmittelallergien, Insektengiftallergien, Kontaktallergien oder Allergien bzw. Unverträglichkeiten gegen Schmerzmittel und Antibiotika hätten allerdings kein erhöhtes Impfrisiko im Vergleich zur gesunden Bevölkerung, betont Horak. Bei einem schon einmal erlebten anaphylaktischen Schock nach einer Impfung gilt ohnehin erhöhte Vorsicht und eine etwas längere Nachbeobachtung von rund einer halben Stunde nach der Impfung.
Long Covid am Radar
Bezüglich der Langzeitfolgen für Asthmatiker hatte eine Schweizer Studie Anfang dieses Jahres einen Connex zwischen allergischem Asthma und Long Covid hergestellt. Das Forscherteam analysierte die Krankheitsgeschichte von 175 Personen, die in der ersten Welle positiv auf das Coronavirus getestet wurden. 40 Personen, ohne nachweisbaren Kontakt mit SARS-CoV-2, dienten als Kontrollgruppe. Von denjenigen Personen, die leicht an Covid-19 erkrankt waren, berichteten demnach 54 Prozent von Symptomen, die länger als vier Wochen anhielten. Von den schwer erkrankten Patient:innen waren es 82 Prozent.
Anhand der klinischen Daten kristallisierten sich verschiedene Faktoren heraus, die mit einem Risiko für Long Covid einhergehen. Dazu gehören Alter, Schwere der Erkrankung und allergisches Asthma. Zudem fanden die Forschenden Signaturen im Immunsystem: Ein niedrigerer Spiegel von zwei bestimmten Klassen von Antikörpern, nämlich Immunoglobuline der M- und G3 Klasse, korrelierten mit einem höheren Risiko für Long Covid.