„Don´t smoke“: Österreichs Zickzack zum Gastrorauchverbot
881.692. Soviele Österreicher unterzeichneten 2018 „Don´t smoke“ schlussendlich, dasjenige Volksbegehren, das ein völliges Rauchverbot in der Gastronomie wohl entgültig durchgesetzt hat. Ein jahrelanger politischer Hickhack war dem vorausgegangen. Ins Leben gerufen wurde „Don´t smoke“ von der Wiener Ärztekammer und der Österreichischen Krebshilfe. Als „grob fahrlässig“ bezeichneten die Proponenten den damaligen österreichischen Status in Sachen Nichtraucherschutz. Zu Recht: Österreich gehörte lange zu denjenigen europäischen Ländern mit der laschesten Raucherpolitik.
Rauchen im Restaurant oder doch nicht? In abgetrennten Räumen? Oder überhaupt vor der Tür? Österreichs Gastronomen können ein Lied von den ständig wechselnden Vorschriften, Ideen und Änderungen rund um das Thema singen. Schließlich ist hierzulande mehr als ein Vierteljahrhundert darum gerungen worden, wie konkret man Zigarette und gastronomische Geselligkeit vereinbaren soll.
Aber von vorne: Die „Tobacco control scale“, ein Ranking, in dem gemeinsam mit Europas Krebsligen bewertet wird, wo sich ein Land in Sachen Raucherpolitik befindet, hat Österreich ein fast schon traditionell schlechtes Zeugnis ausgestellt. Man war Fixstarter im untersten Drittel, hin und wieder wie etwa 2007 gab es gar den unrühmlichen letzten Platz. Und laut OECD-Gesundheitsreport „Health at a glance“ aus 2018 lag Österreich mit 25 Prozent regelmäßigen Rauchern deutlich über dem EU-Schnitt von 20 Prozent, getoppt nur noch von Ländern wie dem negativen Spitzenreiter Bulgarien mit 28 Prozent Rauchern, Griechenland oder Ungarn. Soweit die Fakten.
Paul Sevelda, Präsident der Österreichischen Krebshilfe, fand als Mitiniator des „Don´t smoke“-Volksbegehrens damals deutliche Worte: „Ein Drittel aller Krebserkrankungen sind tabakassoziiert, 13.000 Menschen sterben jährlich aufgrund dieser tabakassoziierten Krebserkrankungen. Und dabei handelt es sich um Raucher und Passivraucher. Wir können und wollen Raucher nicht bevormunden, letztendlich ist jeder für sich verantwortlich. Aber es ist sehr wohl unsere Aufgabe, Nichtraucher – vor allem Jugendliche – vor dem Passivrauch zu schützen. Mitarbeiter in Gastronomiebetrieben haben z.B. ein 50 Prozent höheres Risiko, an Lungenkrebs zu erkranken – unabhängig davon, ob sie selbst rauchen oder nicht.“
Ibiza und die Folgen
Schon 2015 einigte sich die rot-schwarze Regierung auf ein generelles Rauchverbot in der Gastronomie ab Mai 2018. Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser (SPÖ) und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) präsentierten den entsprechenden Gesetzesentwurf, zudem gab es Prämien für Betriebe, die freiwillig bis zum Juli 2016 auf rauchfrei umstellen würden. Im Vorfeld der Nationalratswahlen, die im Herbst 2017 stattfanden, lehnte die FPÖ das Gastrorauchverbot allerdings vehement ab, alles solle so bleiben wie bisher. Heißt abgetrennte Räume, in denen geraucht werden darf und keine Rede mehr von einem absoluten Rauchverbot. Bekanntlich kam es zur blau-türkisen Regierungskoalition und genau das trat ein, wobei man zusätzlich einen verstärkten Nichtraucherschutz für Jugendliche etablieren wollte, höhere Altersbeschränkungen für den Zigarettenkauf etwa.
In diesem politischen Klima wurde im Februar 2018 „Don´t smoke“ als gemeinsame Aktion von der Wiener Ärztekammer und Krebshilfe angemeldet. Fast 900.000 Stimmen (konkret 881.692 Unterstützer) scharte das Volksbegehren bis zum Ende der Eintragungswoche am 8. Oktober 2018 hinter sich. Der damalige Präsident der Wiener Ärztekammer, Thomas Szekeres, sprach „von einem Ruck in der Zivilgesellschaft“. Wien war dabei übrigens klarer Sieger mit 16,8 Prozent der Stimmen, dicht gefolgt von der Steiermark (15 Prozent) und Oberösterreich (13,9 Prozent). Auf den hinteren Rängen folgen dann die westlichen Bundesländer mit dem Schlusslicht Tirol (11,5 Prozent).
Gegenwind aus der Politik kam allerdings schon bevor man mit „Don´t smoke“ im April in der Unterstützungswoche an den Start ging, umgehend: FPÖ-Vizekanzler Heinz-Christian Strache sprach sich weiterhin im Namen seiner Partei explizit gegen ein Gastro-Rauchverbot aus und strapazierte den Begriff der Freiheitsbeschränkung für Raucher. Und das, obwohl er zugleich die direkte Demokratie lobte und versprach, ab 900.000 Stimmen für eine verbindliche Volksabstimmung einzutreten. Auch Teile der ÖVP waren nicht glücklich damit. „Don´t smoke“ wurde schließlich am 27. März 2019 vom Nationalrat ad acta gelegt. Und dann kam eine kleine spanische Insel namens Ibiza ins Spiel, die blau-türkise Regierung wurde gesprengt und die Karten neu gemischt.
Post-Ibiza lenkte die ÖVP nun relativ rasch zum Thema Nichtraucherschutz ein und auch die Opposition und Gesundheitsexperten hatten mit Nachdruck das ja eigentlich längst geplante Rauchverbots gefordert. Rauchen in der Gastronomie wurde daher ab dem 1. November 2019 untersagt. Ausgenommen sind nur noch Gastgärten oder Ähnliches. Die FPÖ stimmte im Nationalrat wie zu erwarten war als einzige Fraktion gegen den Beschluss. Ein kurzes Aufflackern an Protest gab es auch seitens der Nachtagstronomie, man wollte hier eine klare Unterscheidung zu anderen Lokalen. Eine Argumentation war unter anderem das Thema Lärm, schließlich sei österreichweit mit bis zu 50.000 Rauchern vor den Türen der Lokale zu rechnen, die schlicht des nachts für die Anrainer problematisch sein könnten. Der VfGH lehnt den Antrag aber im Oktober 2019 ab.
Um Punkt Mitternacht, am 1. November 2019, trat also endlich nach langem, ermüdenden Zickzackkurs, das umfassende Rauchverbot in der Gastronomie in Kraft. Eine allerletzte „Indoor-Tschick“ wurde noch auf vielen Halloweenpartys zelebriert und damit war der Glimmstängel in Lokalen und Restaurants Geschichte. Apropos: Auch die miserablen Platzierungen in diversen Raucherrankings wie oben genannter „Tobacco Control Scale“ sind damit passé: Österreich konnte sich 2019 vom 35. auf den 20. Platz katapultieren und ist endlich dort, wo Länder wie Portugal oder Italien längst sind: bei einer zeitgemäßen und präventiven Gesundheitspolitik rund ums Rauchen.