Die bisher in der Wissenschaft nicht bekannte Facette im Zusammenspiel von Nerven und Muskeln entdeckte das wissenschaftliche Team um Vlad Tereshenko und Oskar Aszmann vom Klinischen Labor für Bionische Extremitätenrekonstruktion der Universitätsklinik für Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie der MedUni Wien im Zuge seiner präklinischen Forschungen an Gesichtsnerv und -muskulatur. Nach Verletzung bzw. Durchtrennung kann der Nerv die Gesichtsmuskulatur nicht mehr motorisch steuern, was sich im Tiermodell in Gesichtslähmungen äußerte.
Tage bis Wochen nach der Nervenläsion stellten die Wissenschafter in manchen Fällen eine spontane Wiederherstellung der Muskelfunktion fest. Mit Hilfe neuartiger, komplexer Methoden erkannten sie dabei, dass das autonome Nervensystem die Funktion des verletzten Nervs übernimmt. „Wie wir in unseren Experimenten gesehen haben, bilden dafür die parasympathischen Nervenfasern neue funktionelle neuromuskuläre Synapsen. Gleichzeitig werden die Muster der Muskelfasern modifiziert und somit die physiologischen Eigenschaften der autonom re-innervierten Muskeln geändert“, verdeutlicht Erstautor Vlad Tereshenko die zentralen Studienergebnisse.
Für durch Verletzungen oder verschiedene Krankheiten entstandene motorische Ausfälle stehen heute gut etablierte therapeutische Konzepte wie Nervenumlagerungen oder Nerventransplantationen zur Verfügung. Allerdings können verschiedene Faktoren wie zum Beispiel das langsame Tempo der Nervenregeneration oder der Mangel an Spender-Nerven die klinischen Ergebnisse beeinträchtigen. Folgestudien sollen die Erkenntnisse über die neue Facette im neuromuskulären System vertiefen. So gilt es unter anderem die Frage zu klären, ob und wie die autonomen Nervenfasern chirurgisch umgelagert werden können, um vorübergehend oder dauerhaft für die Wiederherstellung der Muskelfunktion zu sorgen.
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