„Es ist wahrscheinlich die komplizierteste Therapie, die jemals in einer klinischen Studie eingesetzt worden ist. Wir versuchen, aus den T-Lymphozyten der Patient:innen quasi eine Armee zu machen“, sagte Anthony Ribas von der Universität von Kalifornien gegenüber der Wissenschaftszeitschrift „Nature“. Ribas war federführend an der Untersuchung mit 16 Krebspatienten mit Tumorerkrankungen beteiligt. Die Ergebnisse wurden bei einem Meeting der Gesellschaft für Immuntherapie gegen Krebs in Boston (10. November) präsentiert.
Die Behandlung von bösartigen Erkrankungen mit sogenannten chimären T-Zellen (CAR-T-Zellen) hat bisher vor allem bei sonst nicht mehr erfolgreich behandelbaren Leukämien oder Myelomen, also Blutkrebsformen, zum Teil für gute Erfolge gesorgt. Die Therapie ist aber extrem aufwendig. Für diese Therapie werden dem Patient:innen zunächst körpereigene Abwehrzellen (T-Zellen) entnommen und außerhalb des Körpers so verändert, dass sie effektiver gegen die bösartigen Leukämiezellen vorgehen können. Dazu statten Wissenschafter die T-Zellen im Labor mit dem Gen für ein besonderes Rezeptorprotein aus. Dieser „chimäre“ Antigenrezeptor (CAR) erkennt als Zielstruktur ein Proteinmolekül, das bei bestimmten Leukämieformen von jeder Krebszelle ausgebildet wird. Die CAR-T-Zellen werden anschließend vermehrt und dem Patient:innen wieder übertragen - wo sie dann bösartig veränderte Blutzellen bekämpfen.
Die Therapie wird nur eingesetzt, wenn alle anderen Therapieoptionen versagt haben. Bisher gab es mit Erfolgsraten von 40 bis 60 Prozent teilweise sehr gute Resultate bei hämatologischen Erkrankungen. Bei bösartigen Tumoren aber versagte die Behandlungsform zumeist. Der Grund dafür: Bei den Blutkrebsformen finden sich die Zielstrukturen für die veränderten T-Lymphozyten auf allen bösartigen Zellen, zum Beispiel sogenannte CD19-Moleküle, an der Zelloberfläche. Tumoren aber weisen kein derart generelles Merkmal auf. Sie bleiben oft für die Immunzellen anhaltend „unauffällig“.
„Das nächste Mal müssen wir härter zuschlagen“
Das wollen die US-Wissenschafter jetzt mit der Hilfe der „Genschere“ CRISPR-Cas9 ändern. Das kalifornische Biotechunternehmen PACT Pharma hat dafür eine Technologie-Plattform entwickelt. Dabei werden Tumorpatienten Blutzellen und Gewebeproben entnommen. Man vergleicht die Erbgutabschnitte der gutartigen und der bösartigen Zellen und identifiziert in einem komplizierten Prozess sogenannte Neo-Antigene, welche die bösartigen Zellen charakterisieren und in den gutartigen Blutzellen nicht auftauchen. In einem weiteren Schritt wird dann im Blut der Patient:innen nach T-Lymphozyten gesucht, welche die Tumorzellen anhand der Neo-Antigene erkennen. Als letzter Schritt erfolgt die Biotech-Produktion von T-Lymphozyten mit genau für das Aufspüren der Krebszellen geeigneten Rezeptoren an ihrer Oberfläche. Dabei verwendet man die „Genschere“ CRISPR-Cas9, mit der Erbgut extrem gezielt verändert werden kann.
„Wenn T-Zellen etwas 'sehen', das nicht normal ausschaut, killen sie es“, sagte dazu Stephanie Mandl, Forschungsleiterin von PACT Pharma. Bei 16 Patient:innen wurde die Therapie mit den für die jeweiligen Tumoren maßgeschneiderten Immunzellen mit chimären T-Zell-Rezeptoren angewendet. Anvisiert wurden jeweils bis zu drei Oberflächenmoleküle der Tumorzellen. Die genetisch veränderten T-Zellen wurden als Infusionen verabreicht. Die Kranken litten an Darmkrebs (elf), Mammakarzinomen (zwei), an einem Ovarialkarzinom, an einem Melanom und einem Lungenkarzinom (jeweils ein Patient). Im Mittel hatten die Probanden zuvor bereits fünf andere Therapien erhalten. Vor einer CAR-T-Zelltherapie muss allerdings auch noch eine Chemotherapie erfolgen, um die „natürlichen“ Immunzellen möglichst zu beseitigen. Die CAR-T-Zellen sollen ja andere T-Zellen ersetzen.
Die klinische Studie mit 16 Patient:innen war bloß darauf ausgerichtet, die Machbarkeit des Prinzips zu beweisen. Außerdem wurde mit einer geringen Dosis der CAR-T-Zellen begonnen. Das Ergebnis, so in „Nature“ zu lesen: „Nach den Infusionen wurden die genetisch veränderten T-Zellen im Blut gefunden. In der Nähe des Tumors waren sie in höherer Konzentration als andere Immunzellen vorhanden. Ein Monat nach der Behandlung wiesen fünf der Studienteilnehmer eine Stabilisierung der Erkrankung auf. Die Tumoren waren nicht mehr gewachsen. Nur zwei der Probanden hatten Nebenwirkungen, die wahrscheinlich auf die CAR-T-Zellen zurückzuführen waren.“
Noch war die Wirksamkeit der potenziellen Therapie in dieser klinischen Studie relativ gering. Das wurde von Autor Ribas auf die geringe verwendete Dosis der veränderten T-Zellen zurückgeführt. „Das nächste Mal müssen wir härter zuschlagen“, wurde er von dem britischen Wissenschaftsmagazin zitiert.