Klimastatistik

Beim Klimaschutz ist das Militär ein weißer Fleck

Sie gehören zu den größten Verbrauchern von fossilen Energieträgern, tauchen aber in keiner Klimastatistik auf: die weltweiten Streitkräfte. Nach einer Schätzung von internationalen Experten aus dem Jahr 2022 sind sie für 5,5 Prozent der globalen Treibhausgas-Emissionen verantwortlich. Darüber Rechenschaft ablegen muss das Militär nicht, es gibt keine international bindenden Vereinbarungen dazu. Von Sarah McFarlane und Valerie Volcovici/Reuters

red/Agenturen

Das liegt daran, dass Emissionen des Militärs bei Auslandseinsätzen - etwa durch Kampfjets, Kriegsschiffe oder Übungen - sowohl aus dem Kyoto-Protokoll von 1997 zur Reduzierung von Treibhausgasen als auch aus dem Pariser Klima-Abkommen von 2015 herausgenommen wurden. Begründung: Daten über den Energieverbrauch von Streitkräften könnten die nationale Sicherheit untergraben.

Während die Temperaturen neue Höchststände erreichen, erhöhen Wissenschaftler und Umweltgruppen den Druck auf die Vereinten Nationen (UN), um die Streitkräfte zu zwingen, ihre Emissionen vollständig offenzulegen. Die Klimaschützer stoßen Studien an, organisieren Kampagnen und Konferenzen. „Wegen der Klimakrise können wir es uns nicht länger leisten, dass militärbedingte Emissionen in der UN-Klimarahmenkonvention nicht berücksichtigt werden“, schrieben die Umweltgruppen Tipping Point North South und The Conflict and Environment Observatory zusammen mit Wissenschaftlern der britischen Universitäten Lancaster, Oxford und Queen Mary im Februar an die UN. Durch die langjährige Ausnahmeregelung könnten Hunderte Millionen Tonnen Kohlenstoffemissionen nicht erfasst sein, sagt Axel Michaelowa, Gründungsmitglied der Perspectives Climate Group.

Eine erste globale Bestandsaufnahme von Emissionen wird es auf dem am 30. November beginnenden COP28-Klimagipfel in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) geben. Dort soll Bilanz gezogen werden, wie weit die Länder noch von den Pariser Klimazielen entfernt sind. Bisher fallen die Forderungen, Emissionen des Militärs in die Bilanz einzubeziehen, nicht auf fruchtbaren Boden: Es gebe keine Pläne zur Änderung der Richtlinien für die Anrechnung von militärbedingten Emissionen, teilte das UNFCCC per E-Mail mit. Auf die Frage, ob das Thema auf dem COP28-Klimagipfel erörtert werde, verwiesen die Veranstalter auf einen der Thementage unter der Überschrift „Linderung, Wiederaufbau und Frieden“. Details gab es nicht.

Es gibt durchaus Anzeichen dafür, dass sich einige Streitkräfte auf Änderungen ihrer Berichtspflichten in den kommenden Jahren vorbereiten. Andere versuchen, ihre Auswirkungen auf das Klima zu verringern. Die NATO hat beispielsweise eine Methode entwickelt, mit der ihre Mitglieder über militärische Emissionen berichten können, wie das 31 Länder umfassende Militärbündnis gegenüber Reuters erklärt. Neuseeland prüft, ob bisher ausgeschlossene Bereiche wie Emissionen aus Auslandseinsätzen erfasst werden können. Deutschland und Großbritannien wollen nach Angaben aus Militärkreisen Grauzonen in ihrer Berichterstattung beseitigen.

Treibstoff-Verbrauch nicht veröffentlicht

Einige Angehörige des Militärs befürchten allerdings, dass die Veröffentlichung von Details etwa über den Ölverbrauch einen Einblick in ihre Auslandseinsätze gewähren würde. „Wir möchten nicht, dass jeder weiß, wie viel Treibstoff wir bei diesen Einsätzen verbrauchen - wie weit wir fliegen, wie weit wir fahren und wie unsere Übungsmuster aussehen“, sagt etwa Markus Ruelke vom deutschen Verteidigungsministerium.

In den USA erfasst die für die Beschaffung zuständige US Defence Logistics Agency den Ölverbrauch und die Emissionen des Militärs. Ihren Angaben zufolge sind beide rückläufig: Im Jahr 2022 seien 84 Millionen Barrel Öl gekauft worden, fast 15 Millionen Barrel weniger als 2018. Die Emissionen sanken 2022 auf 48 Millionen Tonnen von 51 Millionen Tonnen im Vorjahr. Diese Zahlen erfassten alle Emissionen. Bei der Ölbeschaffung würden allerdings internationale Transporte und Schweröl für Schiffsmotoren aus den an das UNFCCC gemeldeten Zahlen ausgeklammert, erläuterte das US-Verteidigungsministerium.

Zum Rückgang des Kraftstoffverbrauchs hätten zum Beispiel der Abzug der US-Truppen aus Afghanistan und dem Irak, die Einführung von Technologien auf Basis erneuerbarer Energien, sparsamere Fahrzeuge sowie weniger und kleinere Militärübungen beigetragen, erläutert Neta Crawford, Professorin für internationale Beziehungen an der Universität Oxford. Auch der verstärkte Einsatz von Drohnen könnte Anteil daran haben: „Eine der größten Technologien zur Emissionsreduzierung ist der Einsatz unbemannter Luftfahrzeuge - Drohnen“, sagt ein hochrangiger Beamter des US-Verteidigungsministeriums, der anonym bleiben wollte. „Wenn man den Menschen aus dem Flugzeug nimmt, verbessert sich die Energiebilanz dramatisch.“

Der Krieg Russlands in der Ukraine macht das Anliegen der Klimaschützer nicht einfacher. Der niederländische Klima-Experte Lennard de Klerk schätzt, dass der Krieg in den ersten zwölf Monaten für einen Anstieg der Treibhausgas-Emissionen um 120 Millionen Tonnen gesorgt hat. Das entspricht dem jährlichen Ausstoß von Singapur, der Schweiz und Syrien zusammen.