Dabei wurde die Studie „(K)ein Raum. Cyber-Gewalt gegen Frauen in (Ex-)Beziehungen“ präsentiert. Drei Jahre wurde dafür geforscht. Dafür haben die Wissenschafterinnen Betroffene und Expertinnen und Experten befragt sowie auch Anzeigeakte des §107c - Cybermobbing - des Strafgesetzbuchs (StGB) analysiert. Für „fortdauernde Belästigung im Wege einer Telekommunikation oder eines Computersystems“ sieht das StGB eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu 720 Tagessätzen vor. Die Ergebnisse zeigen, dass sowohl Institutionen wie Polizei, Gerichte oder auch Frauenberatungsstellen als auch die engsten Angehörigen Cyber-Gewalt oft nicht als reale Gefahr wahrnehmen und den Betroffenen damit zu wenig Unterstützung anbieten.
„Cyber-Gewalt wird gesellschaftlich noch sehr stark verharmlost, ist aber sehr gefährlich und kann massiv sein“, sagte Magdalena Habringer, Projektleiterin der Studie sowie Forscherin und Lehrende an der FH Campus Wien. Sie machte die Dynamiken von Cyber-Gewalt im Beziehungskontext deutlich: „Wenn der Gefährder der eigene Partner ist oder war, ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass er die Passwörter der Betroffenen kennt und damit Zugriff auf Geräte, Daten und Accounts hat, die eine fremde Person nicht so einfach hätte. Außerdem bestehen oft Abhängigkeiten oder es gibt gemeinsame Kinder, die eine Trennung oder die Hilfesuche erschweren“, berichtete sie.
Hinzu kommt die gesellschaftliche Verharmlosung von digitalen Übergriffen. Wie stark Opfer von Cyber-Gewalt davon geprägt sind, wurde bei Interviews mit 15 betroffenen Frauen deutlich. „Vor allem anfangs wird Cyber-Gewalt nur schwer als solche erkannt. So waren einige Befragte und ihr soziales Umfeld am Beginn der kontrollierenden Cyber-Gewalt noch überzeugt, dass die ständige Frage 'Wo bist du, was machst du?' ein Ausdruck von Liebe sei“, berichtete Habringer. Digitale Übergriffe können unterschiedliche Ausprägungen annehmen. „Unsere Studie zeigt, dass Cyber-Gewalt meist sexualisiert ausgeübt wird. Häufig werden Nacktbilder veröffentlicht oder es findet eine sexualisierte Demütigung in den sozialen Medien statt - teils auch unter Manipulation des sozialen Umfeldes der Frauen“, sagte die Projektleiterin. Über besonders „große Technikkenntnisse“ verfügen die Gefährder im Übrigen nicht, „alltägliche Anwendungen reichen aus, um Cybergewalt ausüben zu können“, sagte Habringer. So wissen sie oft auch das Passwort, „das alleine reicht aus“. Als Beispiel nannte sie den Fall eine Frau, bei der der Gefährder ein Profil bei einem Escort-Service im Namen der Frau erstellt und sexuelle Dienstleistungen angeboten hat. Die Frau wusste lange nicht, warum sie so viele Nachrichten erhielt.
Missbrauch technischer Hilfsmittel
Ein Drittel der Befragten gab an, mittels Stalkerware überwacht worden zu sein. Manche von ihnen hatten konkrete Anhaltspunkte und Beweise dafür, bei den anderen blieb es beim Verdacht, da der Gefährder unerklärlicher Weise viel wusste und (zumindest in der der Vergangenheit) Zugriff auf ihr Smartphone und zugleich hohe Technikkompetenzen hatte. „Manchmal sprechen Betroffene in der Beratung lediglich Vermutungen oder diffuse Wahrnehmungen über das Erlebte aus. Die Strategie vieler Gefährder liegt genau darin, die Wahrnehmung der Betroffenen zu manipulieren“ berichtete Nina Wallner, Sozialarbeiterin am Gewaltschutzzentrum Burgenland. „In der Praxis erleben wir zunehmend, dass technische Hilfsmittel missbraucht werden“, sagte sie und berichtete vom Fall einer Frau, wo man kürzlich draufgekommen sei, dass „der smarte Saugroboter ein Abhören möglich gemacht hat“. Die Klientinnen „kommunizieren sehr häufig den Verdacht, dass eine permanente Kontrolle da ist, dass Standorte bekannt sind, dass Infos aus Gesprächen bekannt sind“. Gefühle müssen ernst genommen werden, „Betroffene brauchen eine Unterstützung“. Oftmals kommen diese „mit einer diffusen Wahrnehmung oder Vermutung in die Beratung und können Cybergewalt noch gar nicht so benennen“, sagte Wallner.
Wie die Studie auch ergab, wurden Personen im Umfeld teilweise zu Mittäterinnen und Mittätern, etwa wenn Freunde der Betroffenen begannen, sie aufgrund jener Nacktbilder zu beschimpfen, die der Gefährder veröffentlicht hat“, sagte Habringer. „Für von Cyber-Gewalt betroffene Frauen ist es schwer, einen sicheren Rückzugsort zu finden, ohne etwa auf das Smartphone oder die sozialen Medien gänzlich zu verzichten. Das ist ein wesentliches Charakteristikum von Cyber-Gewalt“, so die Forscherin. Bei Frauen stellte sich ein Gefühl der Ohnmacht ein. „Auch wenn sie physisch in Sicherheit waren, das Internet kennt keine Grenzen“, sagte die Wissenschafterin. Manche Frauen hatten das Gefühl, niemanden mehr Vertrauen zu können, sahen auch keinen Ausweg mehr, „haben auch einen Suizidversuch hinter sich“.
Mehr Vernetzung zwischen Institutionen notwendig
Um den technologischen Entwicklungen begegnen und Cyber-Gewalt entsprechend ahnden zu können, wären sowohl zusätzlicher IT-Support als auch verstärkte personelle Ressourcen bei Institutionen wie Staatsanwaltschaften und Polizei notwendig. „Die Beweissicherung bei Cyber-Gewalt ist herausfordernd und zeitaufwendig. Digitale Übergriffe sind mitunter schwer fassbar und vielschichtig“, berichtete Wallner. Besonders wichtig seien einerseits die Vernetzung zwischen den zuständigen Institutionen, um einen gemeinsamen Umgang mit der Cyber-Gewalt im Beziehungskontext zu finden und andererseits der gesellschaftliche Diskurs, um Bewusstsein für das Thema zu schaffen.
Analysiert wurden für die Studie auch Cyber-Mobbing-Anzeigen. Demnach wurden 47 Prozent der untersuchten Cyber-Mobbing-Anzeigen von Frauen gegen ihren (Ex-)Partner eingebracht wurden. Der Großteil dieser Frauen zeigte zusätzlich weitere Delikte, wie etwa gefährliche Drohungen, an. Die Aktenanalyse bekräftigt laut den Expertinnen zudem einige der bisherigen Annahmen, indem sichtbar wurde, dass Cyber-Mobbing im Beziehungskontext Frauen unterschiedlichen Alters betraf und meist sexualisiert ausgeübt wurde.