Das Wartezimmer bei AmberMed beginnt sich langsam zu füllen an diesem Mittwochmittag. „Am Mittwochnachmittag haben immer die Allgemeinmediziner Dienst“, erklärt Monika Matal, ehrenamtliche ärztlicher Leiterin von AmberMed, eine niederschwellige Einrichtung, die nicht versicherten Menschen ambulante medizinische Behandlung mit Medikamentenhilfe sowie soziale Beratung anbietet. Sie selbst ist Gynäkologin und untersucht regelmäßig Patientinnen in den Räumlichkeiten in Wien-Liesing.
Ende 2005 hat sie mit einer Freundin hier zu helfen begonnen. Seit 2010 ist sie ärztliche Leiterin. „Als Ärztin oder Arzt gibt es zwei Möglichkeiten, bei uns mitzumachen: Entweder man sagt, wann man Zeit hat und kommt hierher und untersucht die Menschen, also im Grunde genommen macht man Ordination, oder die zweite Möglichkeit ist, man stellt seine Ordinationsräumlichkeiten zur Verfügung und gibt Bescheid, dass man an gewissen Tagen Patienten von AmberMed dort kostenfrei betreuen wird“, erzählt Matal. Momentan sind es 52 Ärztinnen und Ärzte, die hier ehrenamtlich mithelfen, aber: „Wir suchen laufend Mediziner, im Augenblick ganz dringend praktische Ärztinnen und Ärzte“.
Patientenzahlen steigen
AmberMed gibt es seit 14 Jahren, es untersteht der Diakonie Flüchtlingsdienst, das Rote Kreuz stellt die Räumlichkeiten in der Oberlaarstraße 300 zur Verfügung. In etwa 100.000 Menschen in Österreich haben keine Krankenversicherung, schätzt die Armutskonferenz. Es sind Maturanten, die vergessen haben, nach der Schule einen Antrag zu stellen, bei ihren Eltern weiter mitversichert sein zu wollen; Studenten, die ihre Zahlungen verabsäumt haben und damit für einige Monate gesperrt sind; Selbstständige, die plötzlich in Konkurs gegangen sind; Frauen aus zerbrochenen Partnerschaften, die nicht mehr mitversichert sind; Asylwerber, die aus der Grundversorgung gefallen sind; und Migranten, die illegal in Österreich arbeiten. Im Gesamten sind es vor allem Menschen mit Migrationshintergrund, die die Hilfe von AmberMed in Anspruch nehmen.
„Seit 2015 ist die Anzahl der Patienten bei uns deutlich gestiegen. 2016 hatten wir mehr als 8800 Patientenkontakte, einerseits da durch Mundpropaganda immer mehr Menschen über uns erfahren haben, und andererseits, da auch immer mehr diese Hilfe benötigen. Als vor zwei Jahren das Lager in Traiskirchen überfüllt war, hatten nicht alle dort untergebrachten Menschen eine Versicherung“, führt die ärztliche Leiterin aus.
Hilfesuchende können ohne Termin zu den Allgemeinmedizinern kommen, die viermal in der Woche Ordination haben. Für alle anderen Fachrichtungen, wie beispielweise Kinder- und Jugendheilkunde, Augenheilkunde und Optometrie, Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Innere Medizin oder Psychiatrie, werden Termine vergeben.
Neben kulturellen Herausforderungen bei der Behandlung gibt es oft auch sprachliche Barrieren. Matal: „Entweder bringen die Menschen, die zu uns kommen, jemanden mit, der übersetzen kann, oder es arbeiten Dolmetscher bei uns im Haus.“ Dabei sei man mit einer Vielzahl von Themen konfrontiert, die man im normalen medizinischen Alltag so nicht kenne. „Wichtig ist beispielsweise, den Menschen zu erklären, wann sie ihre Medikamente nehmen müssen. Da gibt es von uns einen eigenen Zettel mit Symbolen von Sonne und Mond. Neben der sprachlichen Barriere gibt es auch viele, die unsere Schrift – oder überhaupt nicht – lesen können“, gibt Matal Einblick in den medizinischen Alltag bei AmberMed.
Zudem ist nur eine Basisversorgung, oft nicht die volle Diagnostik, im Haus möglich. „Wir haben viele Kooperationspartner, wie Laboreinrichtungen oder Krankenhäuser, mit denen die Zusammenarbeit aber sehr gut funktioniert.“ Auch finanzielle Fragen gelte es zu lösen. „Wer die Kosten für gewisse Behandlungen übernimmt, ist nicht immer geklärt. Ich hatte einmal einen Fall, wo eine Schwangere in der 22. Schwangerschaftswoche mit Blasensprung zu uns gekommen ist und die Rettung anfangs zögerte, die Patientin ins Spital zu bringen, da muss man dann energisch werden. Bei einem anderen Fall, wo ein älterer Mann im Warteraum plötzlich einen Schlaganfall bekommen hat, war die Rettung wieder irrsinnig kooperativ.“
Hilfe durch Netzwerke
Neben der medizinischen Betreuung ist der zweite große Pfeiler in der Arbeit von AmberMed die Sozialberatung. „Hier bieten wir Hilfe bei Amtswegen an, helfen Schwangeren beispielsweise, einen kostengünstigen Platz, den manche Spitäler in Wien anbieten, für die Geburt zu bekommen oder helfen beim Weg zu einer Krankenversicherung.“
Viele Patienten wenden sich an die Einrichtung mit konkreten sozialmedizinischen Anliegen, beispielsweise offene Krankenhausrechnungen, fehlende Untersuchungen beim Mutter-Kind-Pass, Bedarf an kostenintensiven Behandlungen bei chronischen Krankheiten, Sehbehelfe, Verbandsmaterial et cetera. Da AmberMed über keine eigenen finanziellen Ressourcen verfügt, versuchen die Mitarbeiter oft, durch Expertenwissen oder durch ein weitreichendes Netzwerk im Gesundheitsbereich zu helfen. Manchmal ist es aber auch das nicht möglich. „Krebsbehandlungen beispielsweise sind besonders heikel. Operationen können wir durch Kooperationen mit Spitälern organisieren, aber eine Chemotherapie ist nicht möglich. Da versuchen wir manchmal, zu schauen, ob bei Migranten eine Behandlung im Heimatland möglich ist. Aber es gibt viele Länder, wo es das Gesundheitssystem einfach nicht zulässt“, erzählt Matal, also falle auch diese Option sehr oft aus.
Es ist vor allem der soziale Gedanke, der viele Ärztinnen und Ärzte dazu bewegt, bei AmberMed mitzuhelfen. „Wir haben einfach ein nettes Team, und trotz der Schwierigkeiten und schrecklichen Dinge, die wir manchmal zu hören bekommen, haben wir Spaß und Freude an der Arbeit.“ Auch deswegen ist die Gynäkologin schon so lange neben ihrer „normalen“ Tätigkeit in ihrer Ordination bei AmberMed ehrenamtlich mit dabei. „Es gibt immer wieder tolle Erfolgserlebnisse von Menschen beispielsweise, die es geschafft haben, eine Krankenversicherung zu bekommen und sich hier in Österreich zu etablieren. Die kommen dann später oft mit anderen Patienten mit und fungieren als Dolmetscher.“ Auch erfahre man von den Patienten oft große Dankbarkeit, „und wenn man es zustande bringt, dass zum Beispiel eine Frau durch unsere Hilfe es schafft, beim dritten Versuch ein gesundes Kind zur Welt zu bringen, dann denke ich mir, genau dafür sind wir hier.“
So können sie helfen
Sie wollen mitarbeiten?
Gesucht werden Ärztinnen und Ärzte mit ius practicandi jeglicher Fachrichtung.
Für Informationen wenden Sie sich bitte an Monika Matal, E-Mail: monika.matal@ambermed.at.
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AmberMed arbeitet mit knappen finanziellen Mitteln und ist daher auf Sachspenden jeder Art angewiesen:
- Medikamente
- Heilmittel
- Medizinische Geräte
- „Gesunde“ Lebensmittel für MEDUNA
- Produkte zur Säuglings- und Kinderpflege
- Diverse Gutscheine für Patienten
AmberMed nimmt gerne Medikamente, die originalverpackt und noch mindestens sechs Monate gültig sind.
Nähere Informationen unter www.amber-med.at.