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Down-Syndrom

Zufallsvariable im genetischen Roulette

47 statt 46 Chromosomen: Das Downsyndrom, auch Trisomie 21 genannt, ist keine Krankheit, sondern eine Störung im Erbgut. Am 21. März ist Welt-Downsyndrom-Tag, heuer zum 17. Mal. Man schätzt, dass es rund 5 Millionen Menschen mit Downsyndrom weltweit gibt. In Österreich vermutet man rund 9.000 Menschen mit Trisomie 21, also 0,1 Prozent der Gesamtbevölkerung. Ein Register mit konkreten Zahlen gibt es nicht. Für Debatten sorgt in dem Zusammenhang immer wieder die Pränataldiagnostik.

Eva Kaiserseder

Mandelförmige Augen, ein eher rundliches Gesicht, oftmals ein leicht offenstehender Mund: Die Optik und Morphologie von Menschen mit Down-Syndrom hat einige Gemeinsamkeiten. Dabei ist das Auftreten des 47. Zusatzchromosomens eher eine Zufallsvariable, eine wirkliche Begründung dafür hat die Wissenschaft nach wie vor nicht gefunden. Auch entwickeln sich Menschen mit Down-Syndrom völlig unterschiedlich. Manche haben schwere kognitive Defizite, körperliche Einschränkungen und brauchen ein Leben lang Unterstützung, andere leben weitgehend selbstständig, können lesen und schreiben oder machen gar einen akademischen Abschluss wie der Spanier Pablo Pineda.

Was man allerdings gesichert weiß: Je älter die Mutter, desto höher ist ihr Risiko, ein Kind mit Trisomie 21 zur Welt zu bringen. Drei Kopien desselben Chromosoms können von einer fehlerhaften Chromosomenteilung in der Eizelle herrühren, welche zwei mütterliche Kopien bewahrt und eine dritte durch die Befruchtung mit dem väterlichen Spermium erhält. Was genau die Ursache für diese  Zunahme von trisomischen Schwangerschaften bei älteren Müttern ist, liegt noch im Dunkeln. Allerdings gibt es Hypothesen. Und eine davon fokussiert auf den Proteinkomplex Cohesin. Vor einigen Jahren gab es dazu interessante Erkenntnisse in einer Studie unter Beteilung der ÖAW (Österreichische Akademie der Wissenschaften) und des IMBA (Institut für molekulare Biotechnologie). Deren Fazit: Die replizierten Chromosomen werden ringförmig vom Cohesin umschlossen bis zur korrekten Zellteilung. Die Crux dabei: In alternden Eizellen ist das Cohesin nicht mehr so stabil und kann seine Aufgaben weniger gut ausführen. Ergo könnte das ein ganz wesentlicher Mitgrund für die fehlerhafte Chromosomenteilung sein.

Heiß umfehdete Pränataldiagnostik

Für ethische und politische Debatten sorgen immer wieder die wachsenden Möglichkeiten der Pränataldiagnostik, etwa des NIPT, des nicht-invasiven Pränataltests. Damit lassen sich recht schnell nach der Zeugung eines Kindes im mütterlichen Blut kindliches Erbgut und somit auch Chromosomenveränderungen aufspüren. Also genau das, worum es bei den unterschiedlichen Trisomien geht. Großer Vorteil des NIPT: Er greift nicht in den Körper ein. Im Gegensatz zur minimal, aber doch riskanten, Fruchtwasseruntersuchung.

Nun ist der NIPT in Deutschland sogar teilweise zur Kassenleistung geworden, was die Gemüter zusätzlich erhitzt. Die hochsensible Thematik umspannt viele moralische Bereiche und unzählige gesamtgesellschaftliche Fragestellungen. Unter anderem wurde vielfach betont, Garantien auf ein gesundes Kind, auf gesundes Leben, kann auch der präziseste Pränataldiagnostiker nicht liefern. Die Debatte bewegt sich dabei im Spannungsfeld zwischen Wissenschaft, Medizin und „Naturgegebenem“, gar Gottgewolltem. Momentan sieht die gesetzliche Bestimmung jedenfalls so aus, dass die Kasse den Test dann bezahlt, „wenn Hinweise auf eine Trisomie, etwa ­einem auffälligen Ultra­schall,vorliegen oder wenn eine Frau gemeinsam mit ­ihrer Ärztin oder ihrem Arzt zu der Überzeugung kommt, dass der Test in ihrer persönlichen Situation notwendig ist“, heißt es in einer Information des Gemeinsamen Bundesausschusses, dem höchsten Beschlussgremium im deutschen Gesundheitswesen. Das mütterliche ­Alter allein als Risikofaktor für eine Trisomie ist allerdings kein Anlass für einen NIPT. In Österreich ist der NIPT nach wie vor kostenpflichtig.

It´s the language, stupid!

Der Name „Down-Syndrom“ leitet sich übrigens vom Entdecker der Krankheit her. Der englische Arzt John Langdon Down betreute Mitte des 19. Jahrhunderts im Earlswood Hospital eine Gruppe von geistig behinderten Menschen. Er galt als gesellschaftlicher und medizinischer Vorreiter auf dem Gebiet moderner Pädagogik. Dabei fielen ihm Gemeinsamkeiten an einigen von ihnen auf, die er 1866 erstmals präzise dokumentierte. Unter anderem bezeichnete er die auffälligen Gesichtsmerkmale als „Mongolian Type“, weil er eine gewisse Ähnlichkeit zu den Mongolen Asiens sah. Ausdrücke wie „mongoloid“ oder „Mongolismus“ prägten deshalb auch lange Zeit den Sprachgebrauch, wenn es um Menschen mit Trisomie 21 ging. Erst in den 1960er Jahren setzte sich der Begriff „Down-Syndrom“ durch, wobei es hieß, Langdon Down selbst habe den Begriff Mongolismus schlußendlich schon zu Lebzeiten abgelehnt.

Eine Herzensangelegenheit war ihm Normansfield, ein Heim für geistig behinderte Menschen, das von ihm selbst gegründet und geleitet wurde. Dort wurden die Patient:innen gefordert und gefördert, eine Novität für diese Zeit. Der Arzt war jedenfalls als Mediziner und Mensch sehr an der Entwicklung seiner Zöglinge interessiert. Von ihm stammen Langzeitbeobachtungen und viele Bilder aus den frühen Jahren der Erforschung des Down-Syndroms, er hielt seine Patient:innen in den unterschiedlichsten Lebensphasen fotografisch fest.

Auch wenn Langdon Down als Pionier gilt: Das Down-Syndrom ist sicherlich keine Entwicklung des Industriezeitalters ist. Sie war schon immer da und bereits 2500 v. Chr. fand man Keramiken mit Darstellungen von Menschen mit den typischen Gesichtsmerkmalen, die das Down-Syndrom ausmacht. Als zufällige Spielart des menschlichen Genoms.

 

Studie

 

 

 

John langdon Down
Er war der erste, der sich die spezielle kognitive und körperliche Behinderung genauer ansah, die wir heute als Down-Syndrom kennen: John Langdon Down.
Sydney Hodges, Public domain, via Wikimedia Commons
Trisomie 21
Ein Extrachromosom ist verantwortlich für Trisomie 21.
Prajwaldivate1840556, CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons