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Medizinhistorische Streifzüge – Folge 6

Paracelsus in Wien

Wo hat Paracelsus, einer der wohl berühmtesten Ärzte der Geschichte, seine Spuren in Wien hinterlassen, was hat es mit dem Boykott durch die Wiener akademischen Ärzte auf sich und welche Bedeutung haben Paracelsus Lehren auch heute noch, 500 Jahre später? Regelmäßig begibt sich Hans-Peter Petutschnig bei medinlive auf eine Zeitreise zu den Spuren der alten Wiener Medizin. In dieser Folge: Paracelsus Aufenthalt in Wien in den Jahren 1537/38.

Hans-Peter Petutschnig

Geboren wurde Aureolus Theophrastus Bombastus von Hohenheim, besser bekannt unter dem von ihm selbst gewählten Namen „Paracelsus“, 1493 oder 1494 in Egg im Kanton Schwyz (sein genaues Geburtsdatum lässt sich nicht mehr mit Sicherheit rekonstruieren). Schon bald führten ihn umfangreiche Reisen und auch Berufungen quer durch Mitteleuropa und Oberitalien – und eben auch nach Wien.

Wer sich hier auf historische Spurensuche begibt, sollte am besten an der heutigen Adresse Lugeck 6 im 1. Wiener Gemeindebezirk beginnen, denn sehr wahrscheinlich befand sich an dieser Stelle eines jener Häuser, in denen Paracelsus für einige Zeit Quartier bezogen hatte.

Lugeck Wien
Hier, am Lugeck in der Wiener Innenstadt, dürfte Paracelsus gewohnt haben. (c) Stefan Seelig

Paracelsus gilt als Pionier der modernen Heilkunde und der organischen Chemie, er war Arzt, Naturphilosoph, Alchemist, Laientheologe und Sozialethiker. Bereits in jungen Jahren zog er nach Villach, wo sein Vater die Stelle eines Stadtarztes innehatte.  Er begann ein Artistenstudium (Studium der „septem artes liberales“) als Vorbereitung für sein Studium der Medizin, setzte dann mit einem Medizinstudium 1513 bis 1516 in Ferrara seine Ausbildung fort und kam nach Reisen durch ganz Europa und Aufenthalten in verschiedenen Städten um die Jahreswende 1537/1538 nach Wien. Hier erhielt er eine Audienz beim späteren Kaiser Ferdinand I. – was flugs zu einem Boykott durch die Wiener akademischen Ärzte führte. Es sollte nicht der einzige Konflikt bleiben, den Paracelsus während seines ereignisreichen Lebens mit Universitäten respektive Ärzten ausfocht.

Tatsächlich wurde Paracelsus durch seine chemische Auffassung des Naturgeschehens und aller Vorgänge im menschlichen Körper zum Neuerer der Medizin seiner Zeit. Seine allgemeine Krankheitslehre fasste er im Werk „Opus Paramirum“ zusammen. Den „tartarischen Krankheiten“, das heißt den Ausscheidungs- und Niederschlagsvorgängen in den menschlichen Organen (Erkenntnis von der Steinbildung im Körper), widmete Paracelsus ebenso eine Schrift wie der „Bergsucht und anderen Bergkrankheiten“ und der Chirurgie („Große Wundarznei“).

Paracelsus wurde, ähnlich wie Hippokrates, ärztliches Vorbild durch menschliches Wirken im Zeitalter des Humanismus. Seine ärztliche Grundhaltung kommt am besten in dem Sinnspruch „Der höchste Grad der Arzneien ist die Liebe“ zum Ausdruck.

Der Gedenkstein für Paracelus befindet sich im Donaupark.
Der Gedenkstein für Paracelus befindet sich, eher schwer auffindbar,  im Wiener Donaupark. (c) Funke, CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons

 

Dass er immer wieder mit der universitären Medizin in Konflikt kam, lag vor allem an seinen alchemistischen Bestrebungen. Zeugnis dafür liefert in Wien unter anderem das Haus „Zum Küßdenpfennig“ in der Griechengasse 3/Franz-Josefs-Kai 21, ganz in der Nähe zum Lugeck. Dort hat sich Paracelsus für eine gewisse Zeit, beim Wirten Wangler, eingemietet, und die Überlieferung weiß zu berichten, dass Paracelsus bei der Bezahlung einen Messingpfennig in eine Goldmünze verzaubert haben soll. Darauf hat auch eine Inschrift verwiesen, die allerdings bei einem Neubau des Hauses 1741 wieder verschwunden ist.

Gedenktafeln findet man an beiden Häusern, weder am Lugeck noch beim „Küßdenpfennig“, nicht. Lediglich ein Gedenkstein mit einem Portraitrelief im – allerdings weit entfernten – Donaupark im 21. Bezirk erinnert an den Aufenthalt des zu seiner Zeit wohl berühmtesten Arztes in Wien. Gewidmet wurde der Gedenkstein von der Landeshauptstadt Salzburg, wo Paracelsus am 24. September 1541 starb. Begraben ist er am Sebastiansfriedhof, wo sich auch die letzten Ruhestätten von Leopold und Constanze Mozart, Vater und Ehefrau von Wolfgang Amadeus Mozart, befinden. Wieder zurück zum Lugeck lohnt ein kurzer Aufenthalt vor dem Haus Sonnenfelsgasse 9. Hier befand sich einst das Wohnhaus von Lucas Alantsee. Er hat in der Wiener Medizingeschichte einen besonderen Platz, da er als erster Bewohner der Stadt testamentarisch verfügte, dass sein Körper nach seinem Tod der Wissenschaft zur Verfügung gestellt werden sollte. Die Öffnung der Leiche übernahm Mathias Cormax, „dass man ihm der Freundschaft willen die Brust geöffnet im Jahr 1522 und befunden, dass das Herz mehr denn halbert verfault und eitrig gewesen ist.“  Die Brüder Alantsee erhielten 1512 von Kaiser Maximilian I. das Privileg für den Druck und Vertrieb von der Universität zu bestimmten Büchern.

Hans-Peter Petutschnig ist seit vielen Jahren für die Pressearbeit und den Verlag der Wiener Ärztekammer verantwortlich. Er ist zudem stellvertretender Kammeramtsdirektor der Ärztekammer für Wien und organisiert zahlreiche kulturelle Veranstaltungen für Ärztinnen und Ärzte. Zusammen mit der staatlich geprüften Wiener Fremdenführerin sowie Kunst- und Kulturvermittlerin Bibiane Krapfenbauer-Horsky hat er das Buch „Auf den Spuren der alten Heilkunst in Wien – Medizinische Spaziergänge durch die Stadt“ verfasst.

 

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Paracelsus
Paracelsus galt als Pionier und Neuerer in medizinischen Belangen. Anfeindungen etablierter Institutionen ließen nicht lange auf sich warten.
Aegidius Sadeler, CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons