„Zeitdruck belastet Lebensqualität und Klima“, sagte Barbara Smetschka, stellvertretende Leiterin des Instituts für Soziale Ökologie an der Wiener Universität für Bodenkultur (BOKU). Demnach führe der in der aktuellen Arbeitswelt geläufige Druck zu einer starken Beschleunigung und dem Drang zu schneller Mobilität, die mit höheren Emissionen einhergehe. Außerdem zeige sich eine starke Kluft zwischen der CO2-Intensität von bezahlter Erwerbstätigkeit und unbezahlten Sorgepflichten, die immer noch sehr ungleich verteilt seien - vor allem zwischen Frauen und Männern. Ein möglicher Ansatzpunkt, so Smetschka, sei daher eine Verringerung der Arbeitszeit, um mehr Platz für weniger energie- und ressourcenintensive Aktivitäten zu schaffen.
„Wenn wir mehr Zeit haben und nicht mehr Geld, ermöglicht dies einen Konsum mit geringerem Fußabdruck“, führte Smetschka aus. Ein solches Konzept könne überdies zu mehr Geschlechtergerechtigkeit beitragen. Das sei aber kein Automatismus. „Geschlechtergerechtigkeit kommt nicht automatisch mit kürzeren Arbeitszeiten. Da braucht es weitere Überlegungen.“ Weiters müsse man bei kürzeren Arbeitszeiten darüber nachdenken, wie steigernder Konsum, der wiederum mit Emissionen verbunden wäre, vermieden werden könne.
Forderung nach neuen Strukturen
Auch Ernest Aigner, Lektor an der Wirtschaftsuniversität Wien (WU), hob die Bedeutung von Arbeitsstrukturen im Kontext der Klimakrise hervor. Aigner verwies auf eine aktuelle Studie, wonach „gegenwärtig weite Bereiche der Erwerbsarbeit nicht die Voraussetzungen für eine klimafreundliches Leben erfüllen“. Die aktuelle Forschung unterstreiche die Forderung nach neuen Strukturen, die einzelnen Personen erlaube, ihre Lebenssituation anzupassen. Vor allem in energie- und damit emissionsintensiven Branchen wie der Stahl- oder der Zementindustrie führe kein Weg an umfangreichen Veränderungen vorbei. Ein damit einhergehender Wegfall von Arbeitsplätzen könne mit einer Verringerung der Arbeitszeit kompensiert werden, so Aigner.
Für klimafreundlichere Lebensstile brauche es mehr Zeit, bekräftigte Dominik Klaus vom Institut für Soziologie und Wirtschaftssoziologie an der Universität Wien. Als Beispiele zog er Urlaubsreisen heran, deren Wege aus Zeitgründen eher mit dem Flugzeug statt mit der Bahn bestritten würden oder die Zeit, denen vielen Menschen für eine gesundere, bewusstere Ernährung fehle. Derzeit beobachte man dahingehend schon einen Wandel. „Ein großer Punkt ist denke ich, dass immer mehr Leute eigentlich auf eine ausgewogene Work-Life-Balance Rücksicht nehmen.“
Ein Konsens unter den Expertinnen und Experten besteht darin, dass es für den geforderten sozial-ökologischen Wandel auch Wachstumszwänge abgeschafft werden müssten. Zudem müsse die Transformation von einer breiten Schicht an Entscheidungsträgern und Institutionen - von Gewerkschaften, über die Zivilgesellschaft bis hin zu Regierungsinstitutionen - getragen werden, wie Klaus festhielt. Die Pressekonferenz wurde vom Wissenschaftsnetz „Diskurs“ und „Scientists for Future“ organisiert.