Die Standesvertretung verstehe sich als Brückenbauer, habe Konzepte entwickelt und wolle in den Dialog mit der Politik, der Sozialversicherung und allen gesundheitspolitisch wichtigen Stakeholdern treten, „um gemeinsam das Beste für unser Gesundheitssystem zu erreichen“, betont Holzgruber, der seine neue Funktion in der Ärztekammer als „Schnittstelle zwischen Politik, Ärzteschaft und Gesellschaft sieht, die das Wiener Gesundheitssystem für die kommenden Herausforderungen fit machen soll“.
„Miteinander reden, bis endlich eine nachhaltige Neustrukturierung des Gesundheitssystems gelingt“
Aktuell gebe es eine Vielzahl von Themen, die die Menschen massiv belasteten, wie Kriege in der unmittelbaren Umgebung sowie massive Teuerungen. Dabei dürfe aber das Gesundheitswesen nicht untergehen. „Insbesondere Menschen mit geringem Einkommen sind auf das Funktionieren der öffentlichen Gesundheitsversorgung angewiesen. Die öffentliche Hand ist in der Verantwortung, dies auch zu garantieren, und wenn für andere Bereiche im Rahmen der politischen Verantwortung finanzielle Mittel ausreichend vorhanden sind, muss das auch für das Gesundheitswesen gelten“, fordert Holzgruber mehr öffentliche Mittel für das öffentliche Gesundheitssystem.
Die Diagnose des Systems aus ärztlicher Sicht ist jedenfalls „erschütternd“ und die Herausforderungen für eine sinnvolle Therapie sind enorm. Holzgruber: „Die längst nötige Reform des Gesundheitswesens kann nur mit und nicht gegen die Ärzteschaft und die anderen Gesundheitsberufe in die Wege geleitet werden.“
Forderung nach einer Art Konklave
Holzgruber hat eine Reihe von Themen für eine nachhaltige Gesundheitsreform in Österreich definiert. Dazu gehörten die Sicherstellung der öffentlichen Versorgung für alle Bürgerinnen und Bürger genauso wie die Bereitstellung von mehr öffentlichem Geld im öffentlichen Gesundheitsbereich, sowohl für Spitäler als auch für die Sozialversicherung, sowie attraktive Arbeitsbedingungen für alle Gesundheitsberufe.
Weiters fordert Holzgruber Anreize für eine Topausbildung für Jungmedizinerinnen und -mediziner in Österreich, damit diese nicht ins Ausland abwanderten, die Schaffung von Kassenverträgen für neue Sonderfächer, zum Beispiel für Onkologie, Rheumatologie, Nuklearmedizin, Nephrologie oder Strahlentherapie, sowie neue Kassenverträge mit modernen Leistungen für die bestehenden Kassenfachgebiete. Für die Gesundheitsberufe müsse es eine transparente Einbindung und Mitbestimmung statt Ausgrenzung geben. Und man müsse wegkommen von einer zahlengetrieben, ausschließlich ökomischen Entscheidungsfindung hin zu Mitarbeitermitgestaltung im öffentlichen Gesundheitswesen.
In diesem Sinnen sollten sich Bund, Länder, Sozialversicherungen, Ärzteschaft und die weiteren Gesundheitsberufe dringend zu einem Gesundheitskonklave zusammenfinden, die so lange tagt, bis weißer Rauch aufsteigt und sich alle zu einer nachhaltigen Neustrukturierung des Gesundheitssystems zusammenfinden. Holzgruber: „Das schafft nicht der Bund alleine, das schafft nicht eines der neun Bundesländer, nicht die Sozialversicherung und auch nicht die Ärzteschaft und die Gesundheitsberufe alleine. Nur wenn sich wirklich alle zusammenfinden, wird es gelingen, etwas weiterzubringen.“
Investitionen in die Gesundheitsversorgung nötig
Auf Wien herunter gebrochen bedeuten die Reformansätze der Wiener Ärztekammer insbesondere die Schaffung einer kooperativen Gesprächsbasis der Stadt Wien mit der Kurie angestellte Ärzte der Ärztekammer für Wien zur Rettung der Wiener Spitäler sowie die inflationsmäßige Absicherung der Honorare für Kassenvertragsordinationen plus Sondermaßnahmen für jene Fächer, bei denen es in Wien Besetzungsprobleme gibt, aktuell also für die Allgemeinmedizin, Gynäkologie sowie Kinder- und Jugendheilkunde.
Spitäler müssten international anerkannte „Centers of Excellence“ bleiben und besser dotiert werden. Zusätzliche müsse es zu einer Entlastung der Spitalsambulanzen durch neue Kassenverträge für Spezialgebiete, wie etwa Diabetes, sowie zu einer Wiener Ausbildungsoffensive, zum Beispiel durch vernetzte Ausbildungsstrukturen zwischen den Spitälern und Ordinationen, kommen.
Dazu brauche es Investitionen in die Gesundheitsversorgung, damit alle diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten, die die moderne Medizin bietet, auch wirklich allen Menschen im Sinne eines solidarisch finanzierten Gesundheitssystems angeboten werden können. Laut dem neuen Generalsekretär der Ärztekammer für Wien, Thomas Holzgruber, seien hier sowohl der Bund als auch das Land Wien sowie die Sozialversicherung gefordert. Das Herumschieben von Patientinnen und Patienten sowie Geld müsse endlich beendet werden. „Im Mittelpunkt aller Überlegungen haben immer der Mensch und seine bestmögliche medizinische Versorgung zu stehen. Die Ärzteschaft hat die Expertise der bestmöglichen Versorgung und muss daher gehört werden.“
Überall sonst spreche die Politik von „nötigen Investitionen in die Zukunft, nur bei der Zukunft der Gesundheitsversorgung ist sie auf einem Auge blind und unterwirft sich einem nicht nachvollziehbaren Dämpfungspfad“. Zwar definiere die Politik Wachstumsbereiche, bei denen sich Investitionen in den Standort lohnten. „Vergessen wird dabei aber meist der öffentliche Gesundheitsbereich – und das, obwohl sich gerade in Wien Investitionen bei einer größer und älter werdenden Bevölkerungszahl nachhaltig und langfristig rentierten und Arbeitsplätze vor allem für Frauen gesichert würden, so Holzgruber.
Auf Augenhöhe sich um Verbesserungen bemühen
Dass es bei entsprechendem Reformwillen und einem Miteinander aller Beteiligten zu guten Ergebnissen im Gesundheitsbereich kommen kann, zeigt sich in Wien beispielsweise an den den Gemeindespitälern vorgelagerten Erstversorgungsambulanzen (EVA/AMA). Diese sorgen dafür, dass Patientinnen und Patienten rasch erstversorgt und danach gegebenenfalls direkt zu den richtigen Stellen weitergeleitet werden. Ähnliches sei in Wien auch bei den Kinder-Primärversorgungseinheiten gelungen, „auch wenn hier noch deutlich mehr geht“, wie Holzgruber betont.
Für Holzgruber sind diese Erfolgsmeldungen der Beweis dafür, dass „immer dann, wenn Systempartner gemeinsam auf Augenhöhe um Verbesserungen und Reformen bemüht sind, auch brauchbare Ergebnisse im Sinne der Patientinnen und Patienten herauskommen“.