Die EU-Abgeordneten hatten die verbleibenden sechs Länder - Bulgarien, Tschechien, Ungarn, Lettland, Litauen und die Slowakei - wiederholt aufgefordert, die Konvention zu ratifizieren und haben nach einem Urteil des EU-Gerichtshofs, der zum Schluss kam, dass die EU auch bei fehlender Einstimmigkeit den Beitrittsprozess abschließen könne, nun gehandelt.
Die 2011 ausgearbeitete Istanbul-Konvention des Europarats ist ein völkerrechtlicher Vertrag und den Angaben zufolge „der erste internationale Text, der Gewalt gegen Frauen rechtlich definiert und einen umfassenden Rahmen rechtlicher und politischer Maßnahmen zur Verhütung solcher Gewalt, zur Unterstützung der Opfer und zur Bestrafung der Täter schafft“. In Österreich ist die Konvention seit 2014 in Kraft. Die Türkei hat das Abkommen 2021 verlassen.
„Jede dritte Frau in der EU hat körperliche und/oder sexuelle Gewalt erlebt - das sind rund 62 Millionen Frauen. Genug ist genug!“, sagte der polnische Berichterstatter Łukasz Kohut (S&D). „Geschlechtsspezifische Gewalt ist das größte ungelöste Alltagsproblem in Europa. Ein europäischer Rechtsrahmen gegen Gewalt wird Frauen und Mädchen in Europa schützen.“ - „Nachdem das Europäische Parlament fast zehn Jahre lang darauf gedrängt hat, wird die Ratifizierung des Übereinkommens nun die Standards bei der Bekämpfung und Prävention geschlechtsspezifischer Gewalt erhöhen“, freute sich seine schwedische Kollegin Arba Kokalari (EVP).
Entscheidung hat „echte rechtliche Folgen“
„Das Revolutionäre an der heutigen Entscheidung, die Istanbul-Konvention als Europäische Union zu ratifizieren, ist, dass sie nicht nur symbolischen Charakter besitzt, sondern echte rechtliche Folgen hat. Durch die Ratifizierung schaffen wir eine Gerichtsbarkeit vor dem EuGH und geben der EU-Kommission die Instrumente in die Hand, um Mitgliedsstaaten zu sanktionieren, wenn diese gegen die Istanbul-Konvention verstoßen“, betonten die SPÖ-EU-Abgeordneten Evelyn Regner und Theresa Bielowski in einer Aussendung und wiesen darauf hin, dass sechs Mitgliedsstaaten noch immer nicht ratifiziert hätten. „Polen hat sogar angekündigt aus der Konvention auszutreten. Gleichzeitig beobachten wir dort enorme Rückschritte bei der Gleichstellung und dem Schutz von Frauen. Die Ratifizierung durch die Europäische Union kommt daher keine Sekunde zu spät.“
Monika Vana, Delegationsleitern der österreichischen Grünen im EU-Parlament, feierte die heutige Abstimmung als „gewaltigen Schritt zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen“. Nun müssten weitere Schritte gesetzt werden, nämlich „die Finalisierung der EU-Richtlinie gegen geschlechtsspezifische Gewalt, die Aufnahme des Tatbestandes der geschlechtsspezifischen Gewalt in die Liste der 'EU-Verbrechen' und die Erhöhung des EU-Budgets im Kampf gegen Gewalt.“
Auch ÖVP-Delegationsleiterin Angelika Winzig freute sich über einen „historischen Tag für Frauen in Europa“: „Damit sorgen wir dafür, dass Täter nirgends in unserer Union straffrei davonkommen und dass Betroffene die notwendige Unterstützung erhalten. Denn es gibt in der EU immer noch dramatische Ungleichheiten beim Opferschutz.“