Radiomics im Einsatz gegen Lungenkrebs

Lungenkrebs ist weltweit eine der häufigsten Krebserkrankungen und krebsbedingten Todesursachen. Mit Radiomics, einer speziellen Datenanalyse von vorhandenen radiologischen und nuklearmedizinischen Bilddaten, können neue Informationen zur Sauerstoffsättigung und Stoffwechsel des Tumors sowie seiner Gewebseigenschaften aus bestehendem Bildmaterial gewonnen werden, die wesentlich für die Therapieentscheidung und den Therapieerfolg sind.

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Darüber, wie Radiomics stärker breitflächig in die Spitäler gebracht werden kann und über weitere Entwicklungen und Fortschritte der Nuklearmedizin geht es beim europäischen Nuklearmedizinkongress „EANM‘23“, der vom 9. bis 13. September im Austria Center Vienna stattfindet. „Radiomics, sprich eine bestimmte Analyse von vorhandenen Bilddaten, die noch mehr Informationen aus dem bestehenden Material herausholen kann, ist ein sehr wichtiger und neuer Ansatz in der Nuklearmedizin. Mithilfe von Radiomics können wir die medizinische Behandlung der Patienten noch mehr individualisieren und somit beispielsweise bei Krebserkrankungen wie dem Lungenkarzinom den Behandlungserfolg wesentlich verbessern. Noch sind einige Schritte notwendig, um Radiomics standardisiert breitflächig in den Spitälern zu ermöglichen, aber ich bin sehr zuversichtlich, dass uns das bald für die ersten Tumorarten gut gelingen wird“, so Univ.-Prof. Dr. Felix Mottaghy, Vorstandsmitglied der European Association of Nuclear Medicine (EANM) und Klinikdirektor der Klinik für Nuklearmedizin an der Uniklinik RWTH Aachen.

Radiomics zeigen Eigenschaften des Lungenkrebses besser auf

Lungenkrebs ist weltweit eine der häufigsten Krebsarten. Allein in Österreich erkranken jährlich an die 2.000 Frauen und 2.700 Männer daran. Bei den krebsbedingten Todesursachen liegt der Lungenkrebs derzeit in Österreich bei Männern sogar auf Platz 1 und bei Frauen auf Platz 2. „Um kleinere Läsionen leichter sichtbar zu machen und den Lungenkrebs so früher erkennen zu können, vor allem dann, wenn eine Operation noch möglich ist, bietet Radiomics völlig neue Möglichkeiten“, so Mottaghy. Die zugrundeliegende Idee dahinter ist, dass mit Basis radiologischer und nuklearmedizinischer Bilddaten statistische Aussagen über Gewebeeigenschaften, Diagnosen und Krankheitsverläufe getätigt werden können, für die man sonst das Genom heranziehen müsste.

„Mithilfe von Radiomics generieren wir bei bestehendem Bildmaterial neue Informationen über die Sauerstoffsättigung sowie den Stoffwechsel des Tumors und sehen, wie das Gewebe zwischen den Tumoren beschaffen ist. Das gibt uns wichtige Informationen über die Gefäßversorgung und Beschaffenheit des Tumors“, betont der Nuklearmediziner. Durch die sichtbar gewordenen Gewebseigenschaften und deren Veränderungen lassen sich auch Vorhersagen machen, ob mit hoher Wahrscheinlichkeit Metastasen entstehen werden. Diese Informationen sind für die Onkologen essenziell, denn man kann dadurch gut abschätzen, ob eine schwer verträgliche Therapie für den Patienten erfolgsversprechend ist oder nicht und kann so gegebenenfalls schon früher mit einer anderen Therapie starten, die für die individuelle Situation des Patienten vielversprechender ist. Radiomics kann so die körperlichen Reaktionen der Patienten gut abschätzen, die Richtung der Therapieplanung mitbestimmen und auch helfen, die notwendigen Medikamentendosen für die Behandlung des Patienten besser einzustellen.

In den Startlöchern für die Anwendung an Spitälern

Nicht nur in der Diagnostik von Lungenkrebs, sondern auch bei anderen Krebserkrankungen wie Leber-, Brust- und Prostatakrebs sowie chronischen Lungenerkrankungen und rheumatischen Erkrankungen können Radiomics gut angewandt werden. „Radiomics bieten genau dann den größten Benefit, wenn für die Therapien teure Medikamente eingesetzt werden müssen und im Vorfeld der Output, der damit erreicht werden kann, nicht immer klar ist.

Jede Zusatzinformation, die wir hier mithilfe von Radiomics herausholen können, hilft enorm in der Entscheidungsfindung für die Therapieauswahl“, so Mottaghy. Noch sind Radiomics bei vielen Spitälern im experimentellen Bereich im Einsatz. Um Radiomics valide durchführen zu können, werden jetzt – zum Teil auch im Zuge des Kongresses – Standards entwickelt, die zukünftig in einem Katalog definiert werden sollen. „Damit bieten wir die beste Basis, dass Radiomics möglichst bald – voraussichtlich in den nächsten ein bis fünf Jahren –, breitflächig in den Spitälern angewandt werden kann“, betont Mottaghy.

Von Data Mining, Deep Learning und Radiomics

Generell ist Radiomics ein Teilgebiet der medizinischen Bildverarbeitung und radiologischen Grundlagenforschung, welche sich mit der Analyse von quantitativen Bildmerkmalen in großen medizinischen Datenbanken beschäftigen. Radiomics gilt als Kind von „Data Mining“, sprich der Datenanalyse sowie halbautomatischen Auswertung riesiger Datenmengen, und „Deep Learning“, das ist eine spezielle Methode der Informationsverarbeitung bzw. des maschinellen Lernens.

„Basis für eine gute Anwendung von Radiomics ist und bleibt die Bildqualität von den radiologischen und nuklearmedizinischen Aufnahmen, denn wir wissen nach dem „Garbage In, Garbage Out“-Prinzip, dass die Analyse nur gültige und aussagekräftige Daten liefert, wenn auch die zugrundeliegenden Bilddaten passen. Hier freue ich mich, dass die technischen Entwicklungen der Aufnahmegeräte enorm voranschreitet und die Geräte immer sensitiver werden und noch bessere Bildaufnahmen liefern. Das verleiht auch der Anwendung von Radiomics einen gewissen Turbo“, so Mottaghy.

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Felix Mottaghy EANM
Felix Mottaghy ist Vorstandsmitglied der European Association of Nuclear Medicine (EANM) und Klinikdirektor der Klinik für Nuklearmedizin an der Uniklinik RWTH Aachen.
EANM