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Gewalt gegen Ärztinnen und Ärzte

„Die Hemmschwelle sinkt!“

Egal ob im Spital oder in der Praxis – viele, die im Gesundheitsbereich tätig sind, kennen die Problematik mit aggressiven, gar übergriffigen Patientinnen und Patienten. Eine Onlineumfrage der Wiener Ärztekammer wird das Thema noch bis Mitte Juni  genau unter die Lupe nehmen.

Eva Kaiserseder

Eine Ordination mitten im belebtesten Teil des 16. Bezirks, das Wartezimmer übervoll, die Assistentinnen am Rotieren. Plötzlich Geschrei, ein Mann marschiert aufgebracht zur telefonierenden Assistentin und beschimpft sie wüst, weil „eine Frechheit ist das, seit einer Stunde sitz ich hier, warte, und die da kommt, wartet zehn Minuten und ist sofort dran!“. Er will in den Behandlungsraum, „aber fix!“

So oder ähnlich kommt Ihnen als Ärztin oder Arzt und Ihren Angestellten die Situation frappierend bekannt vor? Kein Wunder, hat doch eine Studie der deutschen Bundesärztekammer aus 2015 ergeben, dass 91 Prozent aller Ärztinnen und Ärzte im Rahmen ihrer hausärztlichen Tätigkeit schon einmal mit aggressivem Verhalten ihrer Patienten konfrontiert waren­­­ – in Österreich dürfte die Situation nicht wesentlich anders sein. Und weil die Problematik zudem hochaktuell ist, startet die Ärztekammer für Wien demnächst eine Onlineumfrage dazu („Aggressions- und Gewaltereignisse im Arbeitsalltag“), die konkretes Zahlenmaterial liefern soll. Spitalsärztinnen und –ärzte und der niedergelassene Bereich sind dabei gleichermaßen gefragt. Was die Umfrage aufzeigen soll, sind vor allem akute Lücken im System, den Ist-Zustand und woran er krankt, wenn es um übergriffige Patienten geht. Nicht nur die Häufigkeit der Vorfälle zu erfassen sei wichtig, „uns geht es darum, darzulegen, was diese eigentlich für Auswirkungen auf unsere tägliche Arbeit haben“ so die Initiatoren und Initiatorinnen.

Faktor Großstadt ist relevant

Den inhaltlichen Background für den Start der Umfrage skizziert eine davon, die Vizepräsidentin der Wiener Ärztekammer, Elke Wirtinger, so: „Die Hemmschwelle für aggressives oder beleidigendes Verhalten sowie einer grundsätzlichen Gewalt­bereitschaft sinkt leider, das war und ist ein schleichender Prozess. Es gibt aber auch Zusammenhänge mit der steigenden Einwohnerzahl und der sinkenden Ärztezahl in Wien.“ Der Faktor Großstadt sei bei dem Thema ein relevanter, in Wien gäbe es außerdem „bezirksweise Unterschiede. Es spielt definitiv eine Rolle, ob eine Ordination im 1. Bezirk oder 10. Bezirk liegt.“ so Wirtinger, die selbst eine Ordination im 11. Bezirk hat, zu den soziodemografischen Facts.

Schauplatzwechsel ins Spital. Trotz unterschiedlichem Setting ist die Problematik ähnlich gelagert, auch hier ist verbale Gewalt eher ein Thema als tatsächliche körperliche Attacken. Als Hotspots für verstärktes Aggressionspotential verortet Marina Hönigschmid, ebenfalls stark engagiert bei dem Thema und Initiatorin der Umfrage, „Notfall- Unfall- und Kinderambulanzen, also da, wo es zu hohem Patientenaufkommen und verlängerten Wartezeiten sowie Stresssituationen kommt.“ Sie selbst arbeitet auf der Gynäkologie im SMZ Ost.

Die Gründe für das Anwachsen von Gewalt im Spital sieht Hönigschmid, stellvertretende Kurienobfrau der Kurie Angestellte Ärzte bei der Ärztekammer Wien, breit gefächert: „Ich denke, es sind nicht nur Ärzte, sondern alle Berufsgruppen im Gesundheitswesen mit dieser Problematik konfrontiert. Ein Grund ist sicherlich die hohe Erwartungshaltung der Bevölkerung, extrem rasch und dabei gleichzeitig freundlich sowie mit bester Qualität behandelt zu werden.“ Demgegenüber würde eine immer größere Arbeitsverdichtung und steigender Dokumentationsaufwand im Spital stehen, das mit viel zu wenig Personal bewältigt werden soll, etwa bei der Kommunikation mit den Patienten. Hier würde es zum Beispiel definitiv an Dolmetschern fehlen, so Hönigschmid.  

 „Wir Ärztinnen und Ärzte wissen am besten, wie wichtig es ist, Ursachen und nicht nur Symptome zu behandeln. Deswegen müssen wir mittels einer Umfrage eine ordentliche „Anamnese“ zu der Problematik machen. Erst dann können wir als Standesvertretung die richtigen Gegenmaßnahmen setzen und einfordern.“ appellieren Hönigschmid und Wirtinger an alle Kolleginnen und Kollegen, teilzunehmen.

Umfrage zum Thema „Aggressions- und Gewaltereignisse im Arbeitsalltag“

Wie: Online, Einladung per E-Mail

Wann: 6.Mai bis 14. Juni 2019

Wer: Alle in Wien tätigen Ärztinnen und Ärzte

Themen: Erhebung des Ist-Stands zu aggressivem Verhalten in Spitälern und Ordinationen, Aufzeigen von Lücken im System

Ziel: Daten über die aktuelle Situation zu generieren, um konkrete Maßnahmen setzen zu können

ElkeWirtinger_MarinaHönigschmid
Elke Wirtinger (li.) und Marina Hönigschmid appellieren an die Kolleginnen und Kollegen, an der Umfrage teilzunehmen.
Ärztekammer für Wien_Stefan Seelig
„Wir Ärztinnen und Ärzte wissen am besten, wie wichtig es ist, Ursachen und nicht nur Symptome zu behandeln. Deswegen müssen wir mittels einer Umfrage eine ordentliche „Anamnese“ zu der Problematik machen." Elke Wirtinger&Marina Hönigschmid