Der Spitzenmediziner von Weltruf war Arzt und Wissenschafter aus Leib und Seele, sein Motto lautete „Handle so, dass es auch ein Gebet sein könnte“, und er behandelte „Kranke und nicht Krankheiten“.
Der Lebensweg des Arztes, der ehemals den Kosenamen „Millionenspitzy“ trug - dies, weil er auch der hochdosierten Behandlung mit Penicillin zum Durchbruch verhalf - erhielt: Er wurde am 10. November 1915 als Sohn des Wiener Orthopäden Univ.-Prof. Dr. Hans Spitzy geboren. 1933 begann er nach der Matura am Wiener Schottengymnasium ein Philosophiestudium, promovierte aber 1939 als Mediziner. Nebenbei hatte er aus Existenzsorgen im Jahr 1935 die „technische Werkmeisterprüfung“ abgelegt. Den Krieg verbrachte Spitzy als Arzt in Russland. Via Hannover kam er 1946 an die I. Medizinische Universitätsklinik in Wien.
Wenige Jahre später wurde Spitzy durch seine Arbeiten weltbekannt. Bei der Biochemie Kundl hatten im Jahr 1951 Dr. Ernst Brandl und sein Kollege Dr. Hans Margreiter sowie andere Mitarbeiter das erste „säurefeste“ Penicillin gefunden. Bis dahin hatte es bloß das injizierbare Penicillin G (Benzylpenicillin) gegeben. Erst „Wissenschafter Zufall“ ließ Margreiter am 17. November jenes Jahres in einer ungereinigt gebliebenen Eprouvette einen weißen „Niederschlag“ entdecken: Penicillin V (V für „vertraulich“, später für „Victory“). Säurefestes Penicillin war die Voraussetzung für die Gabe des Antibiotikums in Tablettenform, da sonst die Magensäure die Substanz zerstört.
Wegbereiter für das erste Penicillin in Tablettenform
Spitzy wurde von den Tiroler Wissenschaftern angesprochen, das Penicillin V an den ersten Patienten zu erproben. 1955 publizierte der Wiener dann die wohl berühmteste seiner rund 300 wissenschaftlichen Arbeiten: „Die perorale Penicillintherapie“. Mit dem Präparat wurde auch der Grundstein für die rasante Entwicklung von halbsynthetischen und synthetischen Antibiotika gelegt.
Nach der Entwicklung der Penicillin-Tabletten bewies Spitzy (1962: „Penicillin in hohen Dosen“), dass man durch entsprechende Mengen des Antibiotikums auch schwerste Infektionen in den Griff bekommen kann - was ihm prompt den Kosenamen „Millionenspitzy“ eintrug. „Penicillin ist so toxisch wie Staubzucker“, predigte er in Anlehnung an die Wortes eines seiner Lehrer.
Später sagte er: „Ich reiste von einem Fortbildungsvortrag zum anderen, sprach im Rundfunk, im Fernsehen - und verfasste an die 200 Fortbildungsfilme. Ich karrte Ärzte auf Hochseeschiffe zu zwölf Kreuzfahrten (mit Informationsveranstaltungen, Anm.), bei denen die Teilnehmer nicht 'entkommen' konnten.“ Spitzy organisierte Hunderte Kongresse zum Thema der Antibiotika-Therapie. Er wurde mit der Billroth-Medaille (1993), dem Wilhelm-Exner-Preis (1992) und vielen anderen Auszeichnungen bedacht.
„Der Arzt hat enorme Privilegien, da hat er Verantwortung zu übernehmen“
1970 gründete der Arzt und Wissenschafter eine selbstständige Lehrkanzel für Chemotherapie und wurde 1973 ordentlicher Professor. 1979 wurde aus der Lehrkanzel die „Universitätsklinik für Chemotherapie“ in Wien. Unverwechselbar blieb er nicht nur für die Patienten, sondern auch für die Wiener Medizin-Studenten. Außerhalb der zahllosen Stunden an der Universität bzw. an der Klinik „residierte“ er im Kaffeehaus. Bei Interne-Prüfungen konnte es schon geschehen, dass er dem nervösen Studenten eine „Filterlose“ anbot.
Als echter „Heilkundiger“ war Spitzy immer bereit, Verantwortung zu übernehmen: Als im Juli 1994 eher trockene Theoretiker der Wiener Universität Ethik-Fragen bei einer Pressekonferenz diskutierten, meldete er sich aus dem Publikum und gab seine Meinung zu der Frage ab, ob man zum Beispiel dem Wunsch von Zeugen Jehovas nach der Verweigerung von Bluttransfusionen an deren Kinder stattgeben sollte.
Philosoph im Alter
Seine Worte: „Der Arzt hat enorme Privilegien, da hat er Verantwortung zu übernehmen.“ Als „Zeugen Jehovas“ als Eltern eines schwer kranken Kindes zu ihm gekommen seien und eine Bluttransfusion untersagt hätten, hätte er ihnen zugestimmt. Doch kaum wären die Eltern „aus der Tür draußen“ gewesen, hätte er sofort die lebensrettende Behandlung veranlasst, ohne die Pflegschaftsgerichte etc. zu beschäftigen. Spitzy: „Hier stehe ich, ich kann nicht anders.“ Seinetwegen hätte man ihn auch verklagen können, doch zunächst müsse der Arzt einmal Verantwortung übernehmen.
1987 erfolgte Spitzys Emeritierung. Unmittelbar darauf nahm er sein Philosophiestudium wieder auf und promovierte 1994 zum Dr. phil. an der Universität Wien. Titel seiner Dissertation: „Dämon und Hoffnung“. Im Wiener Maudrich-Verlag wurden auch seine philosophische Werke veröffentlicht (z.B.: „Ich und Du in der Medizin“, „Dämon und Hoffnung“ sowie zwei Bände seiner „Klinischen Philosophie“).