Neues Verfahren zur Früherkennung von Lebererkrankungen

Ein deutsch-dänisches Forscherteam hat eine neue Untersuchungsmethode entwickelt, um alkoholbedingte Lebererkrankungen frühzeitig durch massenspektrometrie-basierte Proteomik zu diagnostizieren. Vergleicht man diese mit derzeit gängigen, klinischen Verfahren ist die Methode nicht invasiv und dabei ebenso zuverlässig, vermutlich sogar präziser. Die Untersuchungsmethode könnte somit potenziell lebensrettende Tests für eine breite Öffentlichkeit zugänglich machen, ohne dass die Patient:innen Nebenwirkungen zu befürchten hätten. Rund 25 Prozent der Weltbevölkerung leiden an einer Fettleber.

red

Mittels Proteinanalyse und maschinellem Lernen stellten jüngst Forscher:innen ein revolutionäres Verfahren vor, mit dem sich feststellen lässt, ob eine Person an einer alkoholbedingten Lebererkrankung leidet und ob dabei das Risiko für ein weiteres Voranschreiten der Krankheit besteht. Im Vergleich zu derzeit gängigen, klinischen Verfahren ist diese Methode nicht invasiv und dabei ebenso zuverlässig, wenn nicht sogar präziser. Die Studie wurde in der Fachzeitschrift Nature Medicine veröffentlicht und ist ein gemeinsames Projekt des Max-Planck-Instituts (MPI) für Biochemie und des Novo Nordisk Foundation Zentrums für Proteinforschung (CPR) an den Universitäten von Kopenhagen und Süddänemark.

Rund 25 Prozent der Weltbevölkerung leiden an einer Fettleber, einer Erkrankung, die durch die Ansammlung von zusätzlichem Fett in der Leber verursacht wird. Schon zwei oder drei alkoholische Getränke pro Tag können dabei ein Risiko darstellen. Während eine Fettlebererkrankung zwar nicht notwendigerweise Auswirkungen auf die Gesundheit hat, birgt diese dennoch die Gefahr, dass die Patient:innen im Laufe der Zeit eine schwerwiegende Lebererkrankung, wie eine Zirrhose, entwickeln.

Gängige Methode häufig mit Komplikationen

Auch heutzutage müssen Ärzt:innen in einer spezialisierten Klinik eine Leberbiopsie durchführen, um das individuelle Risiko einer Lebererkrankung bestimmen zu können. Bei einer solchen Biopsie wird eine Nadel durch die Haut in die Leber gestochen, um dort eine Gewebeprobe zu entnehmen. Obwohl dieser Eingriff notwendig ist, ist er mit Komplikationen, wie beispielsweise Blutungen, verbunden. Nun hat ein Forschungsteam unter der Leitung von Professor Matthias Mann am MPI für Biochemie und am CPR ein neues Diagnoseverfahren entwickelt, mit dem sich feststellen lässt, ob eine Person an einer Fettlebererkrankung leidet und ob bei ihr das Risiko besteht, dass die Krankheit weiter fortschreiten wird.

Erstautorin und Postdoc am CPR Lili Niu erklärt: „Die Früherkennung verschiedener Arten von Leberschäden ist wichtig, weil sie die Behandlungsmöglichkeiten für die Patient:innen im weiteren Verlauf verbessern kann. Da Lebererkrankungen in der Regel zunächst unbemerkt verlaufen, besteht ein dringender Bedarf für leicht zugängliche Vorsorgeuntersuchungen in Risikogruppen, um eine frühzeitige Diagnose überhaupt erst zu ermöglichen.“

Früherkennung von Lebererkrankungen

Im Rahmen dieser neuen Studie konnten die Forscher:innen hunderte von Proteinen aus den Blutproben der Patient:innen identifizieren. Diese Proben wurden mit einem Massenspektrometer analysiert, dabei handelt es sich um eine Art hochentwickelte Waage, die Moleküle mit äußerster Genauigkeit misst. Nachdem sie das Proteom (die Gesamtheit der Proteine in einer Probe) identifiziert und gemessen hatten, nutzten sie maschinelles Lernen, um Proteine zu finden, die mit dem Vorliegen verschiedener Formen von Leberschäden zusammenhängen.

Lili Niu: „Wir haben drei Gruppen von Biomarkern identifiziert, die eine signifikante Leberfibrose, eine leichte Entzündungsaktivität und eine Steatose (Fettleber) erkennen können - allesamt verschiedene Arten, wie sich die Erkrankung im Gewebe abzeichnen kann.“ Kurz gesagt, diese Biomarker sind das, wonach die Forschenden in den Blutproben gesucht haben, denn mit ihrer Hilfe lässt sich jede der oben genannten Leberschädigungen nachweisen und vorhersagen, ob bei einem bestimmten Patienten oder einer Patientin das Risiko eines Krankheitsfortschritts besteht.

Etwa sechs Prozent der Gesamtbevölkerung sind von einer alkoholbedingten Lebererkrankung betroffen. Anhand einer einfachen Blutprobe konnten die Forscher das Risiko eines solchen Patienten oder einer solchen Patientin für eine Folgeerkrankung abschätzen – „und das mit einer Leistung, die besser oder vergleichbar zu bestehenden, klinischen Tests ist. Letztendlich haben wir lediglich zwei Wochen Messzeit benötigt, um alle Proben zu analysieren. Dieser Durchsatz in Kombination mit der Aussagefähigkeit des Proteoms ist beispiellos.“, ergänzt Niu.

„Massenspektrometrie funktioniert einfach besser“

Matthias Mann, der korrespondierende Autor, der die Arbeitsgruppe ‚Proteomik und Signaltransduktion‘ am MPI für Biochemie und die Arbeitsgruppe ‚Klinische Proteomik‘ am CPR leitet, sagt: „Wir sind daran interessiert, dieses Verfahren als Untersuchungsinstrument für die Allgemeinbevölkerung oder Risikogruppen, wie zum Beispiel übermäßige Alkoholkonsument:innen, zur Früherkennung von Lebererkrankungen einzuführen. Wir werden die Entwicklung von Biomarkern mit der massenspektrometrie-basierten Analyse fortsetzen, da sie unter anderem spezifischer und einfacher anzuwenden ist. Wir wollen auch Tests für andere Krankheiten entwickeln.“

Die Forschenden sind von den Ergebnissen der Studie begeistert, da diese Untersuchungsmethode potenziell lebensrettende Tests für eine breite Öffentlichkeit zugänglich machen könnte, ohne dass die Patient:innen Nebenwirkungen zu befürchten hätten. Außerdem könnte diese Methode so weiterentwickelt werden, dass sie nicht nur für die Diagnose von Lebererkrankungen, sondern auch für andere Krankheiten eingesetzt werden kann.

„Diese Methode ist ohne Zweifel die Zukunft“

Die klinische Professorin und Chefärztin Maja Thiele, die zusammen mit ihren Kolleg:innen vom Odense Universitätsklinikum und der Universität von Süddänemark für die Rekrutierung und Untersuchung der 659 Studienteilnehmer:innen verantwortlich war, fasst zusammen: „Mit der derzeitigen Diagnosemethode muss man in eine spezialisierte Klinik fahren, um entweder eine Leberbiopsie oder fortgeschrittene bildgebende Tests durchführen zu lassen. Mit diesem neuen Verfahren genügt es, eine einfache Blutprobe bei einem Hausarzt oder einer Hausärztin entnehmen zu lassen.“

Thiele fügt hinzu: „Diese Methode ist ohne Zweifel die Zukunft. Sie ist ein phantastisches Hilfsmittel für die Untersuchung und gibt uns Antworten auf alles, was wir über die Patient:innen wissen müssen. Mit einem einzigen Bluttest können wir Leberfett, Entzündungen und Narbengewebe in der Leber bestimmen.“

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„Die Früherkennung verschiedener Arten von Leberschäden ist wichtig, weil sie die Behandlungsmöglichkeiten für die Patient:innen im weiteren Verlauf verbessern kann.“ Erstautorin und Postdoc am CPR Lili Niu