ILC 2023

Stuhltransplantation: Hoffnungsschimmer bei fortgeschrittener Zirrhose

In Großbritannien läuft eine klinische Studie für eine Stuhltransplantation an, die Forscher:innen zufolge fortgeschrittene Lebererkrankung behandeln und in Folge Antibiotikaresistenzen verhindern könnte. Im Rahmen der Studie wurde auch erstmals nachgewiesen, dass eine Fäkaltransplantation die Darmgesundheit drastisch verbessern kann. Die Ergebnisse wurden beim internationalen Leberkongress (ILC) der European Association for the Study of the Liver (EASL), der diese Woche in der Messe Wien Halt macht, präsentiert.

Claudia Tschabuschnig

Eine chronische Lebererkrankung im Endstadium, bekannt als Zirrhose (irreversible Vernarbung der Leber, Anm.), ist die dritthäufigste Ursache für Todesfälle und den Verlust arbeitsfähiger Jahre im Vereinigten Königreich. Der menschliche Körper enthält Billionen von Bakterien, aber Menschen mit Zirrhose haben eine erhöhte Anzahl „schlechter“ Bakterien im Darm, was sie sehr anfällig für eine Vielzahl von Infekten macht. Die häufige Verschreibung von Antibiotika hat zur Folge, dass diese immer weniger wirksam sind, um die Infektionen zu behandeln, sodass sich der Darm mit „Superbakterien“ infizieren kann. Infektionen bei Menschen mit Leberzirrhose sind oft schwerwiegend und können tödlich sein.

In der Studie wird nun untersucht, ob orale Fäkale Mikrobiota-Transplantation (FMT) in Form von Kapseln aus gefriergetrocknetem Stuhl von gesunden Freiwilligen bei Patient:innen mit Leberzirrhose die Wahrscheinlichkeit einer Infektion verringern kann. Dafür ersetzen Forscher des King's College London schlechte Darmbakterien bei Patient:innen mit Lebererkrankung durch gesunde Bakterien von gesunden Freiwilligen. Der Prozess wird FMT (Faecal Microbiota Transplant, Anm). genannt.

Die PROFIT-Studie, die im Voraus der PROMISE-Studie als Sicherheits- und Wirksamkeitsstudie durchgeführt wurde, ist die erste ihrer Art in Europa. In der Studie wurden 32 Probanden rekrutiert, denen FMT per Endoskopie verabreicht wurde. Dabei zeigte sich, dass die FMT bei diesen Patient:innen sicher und gut verträglich war. Noch bedeutsamer aber: Die Darmbarrierefunktion und die antimikrobielle Immunität der Schleimhäute verbessert sich. Auch wurde der Stoffwechsel des Toxins Ammoniak angekurbelt. Die Ergebnisse sind für Patient:innen mit fortgeschrittener Zirrhose ein Hoffnungsschimmer und stellen einen potenziellen Durchbruch bei ihrer Behandlung dar. Nächster Schritt ist nun die Verabreichung von FMT über Kapseln, wodurch die Notwendigkeit invasiver Endoskopieverfahren entfällt.

Lebertransplantation oft einzige Behandlungsoption

„Diese bahnbrechende Studie liefert den Beweis, dass eine Fäkaltransplantation die Darmgesundheit verbessern kann, indem sie sowohl das Darmmikrobiom verändert als auch die Ammoniakwerte bei Patient:innen mit Zirrhose. Die ersten Ergebnisse von PROFIT sind eine vielversprechende Nachricht für Patient:innen mit chronischer Lebererkrankung, die dringend alternative Behandlungsmöglichkeiten benötigen“, so die Studienleiterin der PROMISE-Studie, Professor Debbie Shawcross vom King's bei einer Pressekonferenz in Wien. Die Studie wird nun aufbauend auf den Ergebnissen der PROFIT-Studie landesweit auf 300 Patient:innen im Vereinigten Königreich ausgeweitet. 

Rund ein Viertel der Weltbevölkerung leidet an einer Fettleber. Effektive Therapieansätze zu entwickeln sei besonders wichtig, weil immer mehr Erwachsene in Industriestaaten von einer Fettleber betroffen sind. iStockphoto_Dr_Microbe
Rund ein Viertel der Weltbevölkerung leidet an einer Fettleber. Effektive Therapieansätze zu entwickeln sei besonders wichtig, weil immer mehr Erwachsene in Industriestaaten von einer Fettleber betroffen sind. / iStockphoto_Dr_Microbe


Die Suche nach neuen, wirksamen Methoden zur Behandlung resistenter Bakterien ist eine der wichtigsten Herausforderungen in der globalen Medizin. Diese Behandlung könnte eine Lösung sein, die den Gesundheitssystemen in der ganzen Welt Millionen ersparen könnte“, so Pamela Healy, Geschäftsführerin des British Liver Trust, die an der PROMISE-Studie mitarbeitet. Denn in vielen Fällen ist die einzige endgültige Behandlungsmöglichkeit für Zirrhosepatienten eine Lebertransplantation. Transplantationen, die jedoch nicht gefahrlos durchgeführt werden können, wenn Patient:innen an einer antimikrobiell resistenten Infektion leiden.

Antibiotikaresistenz als globale Herausforderung

Patient:innen mit Zirrhose haben ein besonders hohes Risiko, eine Antibiotikaresistenz zu entwicklen, da sie überproportional häufig mit Antibiotika behandelt werden. 25 Prozent der Patient:innen nehmen langfristig Antibiotika ein. Infektionen, insbesondere resistente Infektionen, sind ein Todesurteil für Leberpatienten. „Patient:innen mit chronischen Lebererkrankung erhalten häufig Antibiotika, haben aber ein hohes Risiko für multiresistente resistenten Infektionen. Dies trägt zu der weltweiten gesundheitlichen Gefahr der Antibiotikaresistenz bei“, so Lindsey Edwards vom King's College London. Unbehandelbare Infektionen können nicht nur selbst schwerwiegend sein, sondern auch weitere schwere Komplikationen wie hepatische Enzephalopathie oder Aszites auslösen. 

„Es gibt dringenden Handlungsbedarf bei der Bekämpfung von Infektionen und der Antibiotikaresistenz bei chronischen Lebererkrankungen. Wenn wir die Immunabwehr von Leberpatienten stärken können, indem wir das Mikrobiom verändern, können wir auch die Verschreibung von Antibiotika reduzieren. Unbehandelbare Infektionen können nicht nur selbst schwerwiegend sein, sondern auch weitere schwere Komplikationen wie hepatische Enzephalopathie oder Aszites auslösen", so Healy.

Die PROMISE-Studie wird vom National Institute of Health Research UK (NIHR) finanziert. Für die Studie werden 300 Patienten aus bis zu 16 Einrichtungen im Vereinigten Königreich rekrutiert. Die Teilnehmer werden nach dem Zufallsprinzip ausgewählt und erhalten zwei Jahre lang alle drei Monate entweder FMT-Kapseln oder ein Placebo (eine identisch aussehende Pseudo-Tablette, die kein FMT enthält).

Jährlich wartet der Internationale Leberkongress (ILC), der von der Europäischen Vereinigung für das Studium der Leber (EASL) ausgerichtet wird, mit wissenschaftlichen Durchbrüchen auf. Dieses Jahr findet er von 21. bis 24. Juni in der Messe Wien statt und verspricht Highlights zu Studien zur Behandlung der schweren alkoholischen Leberzirrhose. Auch werden Ergebnisse aus zwei Phase-III-Studien mit neuen Medikamenten zur Behandlung von Fettlebererkrankungen erwartet, ebenso wie einige bahnbrechende Studien zu Fäkaltransplantationen sowie Naltrexon zur Unterstützung der Alkoholabstinenz bei Patient:innen mit Leberzirrhose.

Der ILC zieht wissenschaftliche und medizinische Experten aus der ganzen Welt an, die sich über die neuesten Erkenntnisse der Leberforschung informieren und klinische Erfahrungen austauschen. Rund 8.000 Forscher, Ärzt:innen sowie Vertreter aus Industrie, Politik und Fachmedien, außerdem Betroffene aus etwa 120 Ländern in der Stadt nehmen an dem Kongress teil. Die teilnehmenden Fachleute präsentieren, diskutieren und ziehen Schlussfolgerungen aus den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen und Forschungsergebnissen in der Hepatologie und arbeiten daran, die Behandlung und das Management von Lebererkrankungen in der klinischen Praxis zu verbessern.

Seit ihrer Gründung im Jahr 1966 ist die gemeinnützige Organisation EASL auf über 4.500 Mitglieder aus aller Welt angewachsen, darunter viele der führenden Hepatologen in Europa und darüber hinaus. EASL ist die führende Lebervereinigung in Europa, die sich zu einem bedeutenden europäischen Verband mit internationalem Einfluss entwickelt hat und eine beeindruckende Erfolgsbilanz bei der Förderung der Forschung auf dem Gebiet der Lebererkrankungen, der Unterstützung einer breiteren Ausbildung und der Förderung von Veränderungen in der europäischen Leberpolitik vorweisen kann. 

Stuhltransplantation
Forscher bei der Durchführung von Tests am Stuhl eines Spenders zur Verwendung bei der fäkalen Mikrobiota-Transplantation (FMT).
Science Photo Library / picturedesk.com
ILC 2023
Dr Lindsey Edwards, from King’s College London bei der Präsentation der Ergebnisse beim internationalen Leberkongress in Wien.
© Steve Forrest / EASL Congress 2023
Dr Lindsey Edwards
Dr Lindsey Edwards, from King’s College London bei der Präsentation der Ergebnisse beim internationalen Leberkongress in Wien.
© Steve Forrest / EASL Congress 2023