Ausbildung

„Es gibt genügend offene Fragen"

Was erwartet Ärzt:innen eigentlich ganz konkret in der Lehrpraxis? Welche Vorteile mit Blick ins Spital hat dieser Teil des Ausbildungsweges und welche Kontras gibt es? Worum geht es bei den organisatorischen Details? Wie sollte man sich auf die Allgemeinmedizinprüfung im Detail vorbereiten? Und wie steht es ganz grundsätzlich um den Beruf der Allgemeinmediziner:innen? medinlive fragte bei Mohammed Anam Fazlani, selbst angehender Allgemeinmediziner und Mitglied des Ausbildungsausschusses der Wiener Ärztekammer, nach. Er hat genau dafür eine Informationsveranstaltung ins Leben gerufen, die vor allem eins sein soll: praxisnah.

Eva Kaiserseder

Zu wenig detaillierte Infos und fehlender, persönlicher Austausch: So ging es Mohammed Anam Fazlani rund um das Thema Lehrpraxis. Kurzerhand wollte der angehende Allgemeinmediziner Abhilfe schaffen. Und gründete ein Format, in dem es um genau diese Dinge geht: Analoges Miteinander, Vernetzung und Einblicke in den Ordinationsalltag als Lehrpraktikant. Auch die Allgemeinmedizinprüfung wird dabei detailliert unter die Lupe genommen.

Exakt die Infos also, die man auf keiner offiziellen Seite findet. Vor einigen Wochen, Ende April, ging die erste derartige Infoveranstaltung in der Klinik Donaustadt über die Bühne und fand so großen Anklang, dass die zweite Veranstaltung knapp danach in der Klinik Landstraße folgte. Und es ist nicht die letzte ihrer Art gewesen: Am Montag, dem 26. Juni findet in der Klinik Ottakring Nummer drei der Infoveranstaltungsreihe (siehe Infobox) statt.

Fazlanis Eindruck: „Wie erwartet hatten die Teilnehmer, Ärzt:innen im ersten bis dritten Ausbildungsjahr, sehr viele Fragen, die meisten organisatorischer Natur, den Arbeitsalltag oder die Ausbildung an sich betreffend. Der rege Austausch während der Veranstaltung bot zusätzlich einen detaillierten Einblick in den Arbeitsalltag von Lehrpraktikanten.“

Es gäbe genügend offene Fragen, etwa rund um die Anmeldeformalitäten. Wo genau man die Lehrpraxis überhaupt absolvieren kann und welche Plätze besonders empfehlenswert sind. Wie der Alltag aussieht und welche Fragen im ärztlichen Alltag besonders häufig auftauchen. Oder was die Vor- und Nachteile zur Ausbildung im Spital sind, fasst Fazlani zusammen. „Schlussendlich geht es darum, den Kolleg:innen einen leichteren Einstieg zu bieten.“

Kombi aus Spital und Lehrpraxis als neue Option

Die Lehrpraxis in ihrer jetzigen Form gibt es noch nicht besonders lange, 2015 wurde sie mit der Ärztegesetznovelle implementiert. Momentan ist sie auf ein halbes Jahr angedacht, der Zeitrahmen soll allerdings schrittweise erhöht werden.

Das Feedback derjenigen, die bisher eine Lehrpraxis absolviert haben, ist großteils sehr gut, so Fazlani. „Die Kolleg:innen finden es abwechslungsreich, man erlebt ein sehr breites Arbeitsspektrum. Zudem hat man die Patient:innen längerfristig in Betreuung, im Gegensatz zum Spital, wo man die Menschen oft nur einmal sieht. Ein großer Vorteil ist außerdem die reduziertere administrative Arbeit.“

Und die Kontras? „Natürlich gibt es auch da Verbesserungspotential, die Flexibilität ist überschaubar und finanziell bekommt man die Zulagen, die es im Spital gibt, nicht. Seit letztem Jahr gibt es allerdings die Möglichkeit, zehn Stunden neben der Lehrpraxis im Krankenhaus zu arbeiten. Ich finde das eine sehr gute Lösung, etwa unter der Woche in der allgemeinmedizinischen Praxis und am Wochenende in der Notfallambulanz Dienst zu machen.“ Bisher schöpfen diese Möglichkeit aber erst wenige aus.

Apropos Finanzen: Mit bis zu 2.000 Euro netto kann man durchschnittlich rechnen, sollte man eine Lehrpraxis absolvieren. Dabei gibt es seit 2018 die so genannte Lehrpraxisförderung vom Bund. Eine entsprechende Finanzierung durch öffentliche Fördergelder wurde sichergestellt, um sowohl für die Turnusärzte als auch für die Lehr(gruppen)praxisinhaber adäquate Bedingungen für die Absolvierung dieser Ausbildung zu schaffen.

Der Gehaltszettel des letzten Spitalsturnus geht an die Ärztekammer, woraus sich das Gehalt in der Lehrpraxis in Orientierung am Grundgehalt berechnet. 85 Prozent des Gehaltes werden durch diese Förderung abgedeckt, den Rest bezahlen die Lehrpraxisinhaber, sprich die Ärzt:innen. Diese finanzielle Regelung wurde nicht immer so gehandhabt, ein deutliches Plus im Vergleich zur freiwilligen Lehrpraxis von anno dazumal, als man recht frugal entlohnt wurde.

In Kürze

Momentan gibt es österreichweit rund 1.400 Lehrpraxisplätze, 220 davon in Wien. Jede dafür akkreditierte Ordination kann eine Lehrpraxis anbieten. Folgende Fachgebiete können in einer Lehrpraxis/Lehrgruppenpraxis im Gesamtausmaß von bis zu zwölf Monaten absolviert werden:

  • Kinder-und Jugendheilkunde
  • Orthopädie und Traumatologie
  • Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin
  • Eines der Wahlfächer: Augenheilkunde und Optometrie, Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, Haut- und Geschlechtskrankheiten, Neurologie, Urologie

 

Als letzter Ausbildungsabschnitt ist verpflichtend eine sechsmonatige Ausbildung in einer Lehrpraxis/Lehrgruppenpraxis für Allgemeinmedizin vorgesehen. Diese kann ausschließlich am Ende der Ausbildung zum Allgemeinmediziner erfolgen.

Apropos: Der Facharzt für Allgemeinmedizin ist seit letztem Jahr fix und gleichzeitig ist seit der Ärztegesetznovelle 2015 die Ausbildungsbasis eine ganz andere als früher, was diesen Bereich angeht.

Eine Ursache dafür ist unter anderem die medial vielzitierte Ärzteschwemme in den neunziger Jahren. Damals gab es ein Zuviel an jungen Mediziner:innen, gepaart mit einem Zuwenig an Facharztausbildungsplätzen. Wer damals keinen Ausbildungsplatz bekam, machte häufig erst einmal den Turnus und hatte damit die Basics in Sachen Allgemeinmedizin automatisch in der Tasche. Das ist längst Geschichte, im Gegenteil, in nicht so wenigen Fächern wird händeringend Nachwuchs gesucht. Die Ausbildung hat sich zudem verändert. „Viele wechseln gleich nach der neunmonatigen Basisausbildung ins Fach, damit fehlt das Grundwissen der Allgemeinmedizin“, so Fazlani dazu. Vielfach käme Feedback von den Kolleg:innen: Da fehlt etwas. Und einige, die längst mitten im Berufsleben stehen, holen die Allgemeinmedizinausbildung sogar nach, erzählt er.

Zeitliche Vorverlegung als „Upgrade“

Neben diesen Faktoren ist die Allgemeinmedizin aber schon an der Uni gefühlt ein Stiefkind, sie hat kein besonders spektakuläres oder innovatives Image wie so manches Fach, dass sich in Lichtgeschwindigkeit weiterentwickelt. Zudem fehlt die begehrte Spezialisierung, man bewegt sich in die genau entgegengesetzte Richtung: in die Breite. „Ich habe den Eindruck, vielen Jungmediziner:innen ist die wesentliche Rolle der Hausärzt:innen, etwa bei Prävention und Diagnostik, gar nicht wirklich bewusst. Man hat ja eine sehr wichtige Aufgabe für die Patient:innen, man ist nicht nur der wichtige ärztliche Erstkontakt, sondern oft ein jahrelanger Ansprechpartner und Begleiter“, fasst Fazlani zusammen.

Ein sinnvolles „Upgrade“ der Allgemeinmedizin schon in der Ausbildung wäre für ihn, den Zeitpunkt der Lehrpraxis flexibler zeitlich nach vorne zu legen und etwa schon im ersten Ausbildungsjahr zu absolvieren. Wenn man nämlich die Lehrpraxis nicht am Schluss der Ausbildung, sondern schon wesentlich früher stehen würde. Derzeit ist es nur möglich, dass man die Lehrpraxis an den Spitalsturnus anschließt. Diesen Ausbildungsteil absolvieren viele aber gar nicht, weil sie schon vorher in die Facharztausbildung einsteigen. Und damit sind sie für die Allgemeinmedizin verloren. „Es ist nicht so, dass die Allgemeinmedizin auf zu wenig Interesse stößt, sondern viele lernen das Fach einfach erst gar nicht kennen. Ich glaube, dass es viel mehr Nachwuchs in die Lehrpraxis ziehen würde, wenn man das Ganze früher in den Ausbildungsplan einbaut, etwa schon im ersten Jahr als Rotationsmodell“, ist sich Fazlani sicher.

Was sich diejenigen, die trotzdem in die Allgemeinmedizin gehen, vielfach als Kassenmediziner:innen wünschen, erwarten oder welche Ängste sie haben, frage ich Mohammed Fazlani. Ein großes Thema gäbe es, das viele beschäftigt, lautet seine Antwort: „Was sich die Kolleg:innen wünschen, ist genügend Zeit für die Patient:innen zu haben. Gerade in der Allgemeinmedizin sind die Zeitfenster knapp und man muss nicht nur eine gute Patientenkommunikation im Praxisalltag lernen, sondern auch eine gewisse zeitliche Effizienz erwerben.“ Vor allem Kassenärzt:innen müssen extrem ökonomisch unter hohem Zeitdruck arbeiten, so Fazlani: „Allerdings lernt man das alles sehr schnell im ärztlichen Alltag. Und gerade die Lehrpraxis bietet sich hier bestens an.“

 

Nächste Infoveranstaltung

Berufsfelder für Allgemeinmediziner nach dem Spitalsturnus

Vortragende:

Mohammed Anam Fazlani

Vineet Dhery

Themen:

  • Tipps für die AM-Prüfung
  • Tipps für die Lehrpraxis, Vertretungstätigkeiten, Arbeit in der EVA (Erstversorgungsambulanz)
  • Erfahrungen aus dem niedergelassenen Bereich

 

Wann? Montag, 26. Juni 2023, 13.30 bis 16.00 Uhr

Wo? Klinik Ottakring, Montleartstraße 37, 1160 Wien, KOR (Unfall-Seminarraum)

Mohammed Anam Fazlani
Mohammed Anam Fazlani ist angehender Allgemeinmediziner und hat ein Ausbildungsformat rund um die Themen Lehrpraxis und AM-Prüfung gegründet.
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