„Morbus Pick“ ist eine Demenzform, die vorwiegend den Frontal- und Temporallappen des Gehirn betrifft. Neben Alzheimer ist sie die häufigste Demenzform bei Patient:innen unter 65 Jahren. Im Verlauf der Erkrankung sterben immer mehr Nervenzellen in den vorderen und seitlichen Hirnregionen ab. Dort werden etwa das Sozialverhalten und die Emotionen gesteuert. Dementsprechend sind Persönlichkeitsveränderungen und ein auffälliges Sozialverhalten symptomatisch. Aufgrund der ähnlichen Symptome fällt die Unterscheidung zwischen FTD und Alzheimer nicht leicht. Es bestehe daher ein großer Bedarf, entsprechende messbare Parameter, die prognostische oder diagnostische Aussagekraft haben, zu finden.
Die Forschenden aus der Grazer Arbeitsgruppe am Gottfried Schatz Forschungszentrum für zelluläre Signaltransduktion, Stoffwechsel und Altern - Fangrong Zhang und Anastasia Rakhimbekova - haben gemeinsam mit einer Kollegin vom University College in London die Störungen des Stoffwechsels des menschlichen Gehirns untersucht. Sie erkannten, dass aufgrund von Veränderungen in den Konzentrationen der unterschiedlichen Stoffwechselprodukte eine Unterscheidung von FTD und dessen Subtypen als auch Alzheimer möglich ist.
Proteinverklumpung zentrale Rolle
Nervenzellen sind langlebig, im Falle von neurodegenerativen Erkrankungen können sie sich aber nicht mehr regenerieren. Bei der Entstehung solcher Erkrankungen spielt die Verklumpung von Proteinen eine zentrale Rolle. Diese können ein Absterben der Nervenzellen auslösen. Folge sind sukzessive Beeinträchtigungen der geistigen und körperlichen Fähigkeiten.
Die Arbeitsgruppe unter der Leitung des Grazer Strukturbiologen Tobias Madl vermutet, dass die sogenannte Arginin-Methylierung ein Treiber der FTD-Erkrankung ist. Bei dieser werden Methylgruppen (ein Kohlenstoff- und drei Wasserstoffatome) zu einem Protein hinzugefügt. Das kann die Funktion des Proteins grundlegend verändern.
Metaboliten-Biomarker als Werkzeug
In den Untersuchungen zeigten die Gehirnregionen bei FTD und Alzheimer-Krankheit unterschiedliche Protein-Arginin-Methylierungs-Phänotypen. „Die identifizierten Hirnregion-spezifischen Metaboliten-Biomarker könnten ein Werkzeug zur Unterscheidung verschiedener FTD-Subtypen und Alzheimer liefern“, fassten die Autoren in ihrer aktuellen Publikation im Journal „Progress in Neurobiology“ zusammen.
Wenn die molekularen Wirkmechanismen gänzlich verstanden werden, könnten letztlich mögliche Angriffspunkte für eine Therapie der bisher unheilbaren Krankheiten gefunden werden. Die jüngste Studie diene als konzeptioneller Beweis (Proof of Concept) für zukünftige Studien, die die Beziehungen zwischen Stoffwechsel, FTD und der Alzheimer-Erkrankung detaillierter klären sollen, betonte Madl.
Österreichweit einzigartiger Ansatz
Die Veränderungen von Stoffwechselprodukten in den menschlichen Hirngeweben von Toten konnten durch die Methode der auf der magnetischen Kernresonanz (NMR) basierenden Metabolomik konnten werden. „Die Metabolomik wurde an der Med-Uni Graz in den vergangenen Jahren im Rahmen des interuniversitären Zentrums für Integrative Metabolismus Forschung (iMRC) von uns etabliert“, sagte Tobias Madl.
Der Ansatz sei österreichweit einzigartig und erleichtere es, die biomedizinische Grundlagenforschung und die klinische Forschung in einem translationalen Ansatz zu verknüpfen. „Die Untersuchung neurodegenerativer Erkrankungen mit der NMR-Spektroskopie wird im Rahmen einer umfangreichen Studie nun erweitert“, kündigte Madl an.
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