Viele Diabetiker zu spät behandelt

Obwohl es die genauen Zahlen gäbe, kann die Verbreitung von Diabetes in Österreich weiterhin nur geschätzt werden: Rund 800.000 Menschen leiden an der viel zu oft zu spät erkannten und zu spät behandelten Erkrankung. Dabei erhöht die Teilnahme am Diabetes-Management-Programm (DMP) die Lebenserwartung der Patient:innen die Lebenserwartung, hieß es Montagabend bei den Praevenire Gesundheitstagen in Seitenstetten.

red/Agenturen

Warum diese österreichische wissenschaftliche Studie, welche am 13. Dezember vergangenen Jahres in PlosOne herausgekommen ist, nicht sprichwörtlich „großen Wirbel“ gemacht hat, erscheint ziemlich unerklärlich: Regina Riedl (MedUni Graz) und ihre Co-Autoren haben mit den Daten der Krankenkassen den Effekt der Teilnahme von österreichischen Diabetes-Patienten am Krankheitsmanagement-Programm DMP (Disease Management Programm - „Diabetes im Griff“) über acht Jahre hinweg verfolgt.

Das Programm der Krankenkassen besteht seit 2007 und soll mit Einmeldung der Betroffenen durch den Hausarzt und regelmäßigen Untersuchungen etc. die häufigste Stoffwechselerkrankung in den Industriestaaten und Schwellenländern samt ihren Komplikationen (Herzinfarkt, Nierenversagen, Netzhautschäden, neurologische Erkrankungen; Anm.) besser beherrschbar machen. Erstmals wurden mit der wissenschaftlichen Studie die Überlebensdaten ausgewertet.

„Derzeit sind in Österreich 112.206 Diabetespatient:innen in das DMP eingeschrieben. 2.047 Ärzt:innen nehmen daran teil“, sagte Montagabend in Seitenstetten der Linzer Diabetologe und Präsident der Österreichischen Diabetes Gesellschaft (ÖDG), Martin Clodi.

Teilnahme an Behandlungsprogramm erhöht Lebenserwartung

Die Wissenschafter analysierten die Behandlungsergebnisse von insgesamt 7.181 österreichischen Diabetes-Patient:innen mit Teilnahme an dem DMP-Projekt (Anfang 2009 bis Ende 2017). Dem wurden die Daten von 21.543 Zuckerkranken ohne Teilnahme an dem Management-Programm gegenübergestellt. Das Hauptergebnis, so die Wissenschafter: „In der frühen (nach Beginn des Programms; Anm.) Patient:innengruppe starben innerhalb von acht Jahren 22,1 Prozent der Probanden. In der Kontrollgruppe waren es 29,7 Prozent.“

Das bedeutete eine Reduktion der Gesamtsterblichkeit (alle Ursachen) um 30 Prozent. Praktisch alle gesundheitsrelevanten Parameter waren in der DMP-Gruppe besser. Das betraf sowohl beispielsweise die Rate an Herzinfarkt und Schlaganfällen, aber ebenso die Kosten für Medikamente, und Krankentransportkosten sowie die Aufenthaltsdauer in Krankenhäusern. In Österreich wird seit Beginn des Programms heftig darüber diskutiert, ob man eventuell die Teilnahme der Hausärzt:innen an dem Projekt nicht verpflichtend machen sollte. In Primärversorgungseinheiten ist das der Fall.

Erstdiagnose kommt „durchschnittlich sechs Jahre zu spät“

Die dadurch verursachte verbesserte Überwachung von Diabetikern auf ihre Stoffwechselparameter und das frühzeitige Erkennen von sich entwickelnden Komplikationen scheinen offenbar den Unterschied auszumachen. Bei den Komplikationen stechen die Herzinsuffizienz - rund 50 Prozent der Patient:innen sind Diabetiker - Herzinfarkt (ebenfalls etwa 50 Prozent Zuckerkranke), Schlaganfall, Nierenversagen und Erblindung durch Netzhautschäden besonders hervor. Diese lassen sich durch eine frühe Diagnose des Diabetes und eine penible Überwachung der Patient:innen verhindern oder zumindest hinausschieben.

Dabei liegt es offenbar schon an der Erstdiagnose von Diabetes. „Wir kommen um durchschnittlich sechs Jahre zu spät“, sagte der Linzer Diabetologe Michael Resl in Seitenstetten. Innerhalb des Zeitraums vom Auftreten bis zur Diagnose der Zuckerkrankheit können nämlich schon Folgeschäden entstehen: Zu Beginn sind es beispielsweise Nieren- und Netzhautkomplikationen, dann folgt die Atherosklerose der großen Blutgefäße mit Herzinfarkt und Schlaganfall.

Diabetes
In Österreich gibt es erhebliche Mängel bei der Diagnose und der Therapie von Diabetes-Patient:innen.
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