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Achtsamkeitstraining gegen Zeitdruck im Spitalsalltag

Der Alltag von Spitalsärzten ist von Stress geprägt. Doch lässt der permanente Zeitdruck auch das Mitgefühl sinken, worunter die Arzt-Patienten-Beziehung leidet. Ein Forschungsprojekt in Deutschland untersucht nun, wie Ärztinnen und Ärzte im Krankenhaus Stress besser regulieren können.

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Dass die Fähigkeit empathisch zu sein unter Stress sinkt, bestätigen mehrere Studien. Und auch das Gegenteil ist wissenschaftlich belegt – nämlich, dass der Abbau von Stress das Mitgefühl stärkt. Eine Strategie, um den Zeitdruck zu verringern, ist das Achtsamkeitstraining. Psychologen in Deutschland führen nun eine Studie durch, in der sie Ärztinnen und Ärzten in Achtsamkeit schulen – mit dem Versprechen, dass sie wieder mehr Zeit für ihre Patientinnen und Patienten haben.

Das Konzept der Achtsamkeit stammt aus der buddhistischen Meditationspraxis. Durch Achtsamkeit wird gelernt die Aufmerksamkeit bewusst den gegenwärtigen Augenblick zu richten. „Erste Studien mit Ärztinnen und Ärzten dokumentieren signifikant geringere Stress- und Burnoutsymptome, eine höhere Arbeitszufriedenheit, gestiegene Empathie und eine Abnahme bei physiologischen Stressmarkern“, erläuterte der Psychologe Professor Stefan Schmidt kürzlich in einem Vortrag an der Uni Freiburg. Dort ist auch sein Forschungsprojekt „Muße und Achtsamkeit“ angesiedelt, das untersuchen soll, wie Ärztinnen und Ärzten im Krankenhaus Stress besser regulieren können.

Bis 2020 wird das Projekt an mehreren deutschen Kliniken durchgeführt und in einer kontrollierten Studie wissenschaftlich evaluiert. Rund 100 Ärztinnen und Ärzte seien derzeit in die Studie eingebunden. Ziel sei es, die achtsame Grundhaltung in der Meditation zu üben und dann in den Alltag zu übertragen, schilderte Schmidt kürzlich gegenüber dem deutschen Radiosender SWR2. Durch das Meditieren soll ein inneres Ressourcenpotenzial aufgebaut werden. Die Achtsamkeitspraxis soll sich dann auf kleine Routinetätigkeiten beziehen und diese entfunktionalisieren. Schmidt beschreibt dies wie folgt: 

 

„Zum Beispiel muss der Arzt oder die Ärztin vor jedem Patientenkontakt sich die Hände desinfizieren. Das kann man jetzt schnell machen und dabei schon denken, was sage ich dem Patient – oder man macht es als Achtsamkeitsübung: Sie stellen sich hin, fühlen, wie sich das anfühlt, die Flüssigkeit in den Händen, wie Sie gerade dastehen in Ihrem Körper, machen diese Bewegung, die Sie machen müssen und zentrieren und fokussieren sich kurz. Und so können Sie sich viele Routinetätigkeiten vorstellen: das Betreten eines Patientenzimmers, kurz innehalten, einmal schnaufen, den Gang hinuntergehen, zurück auf Station, aufs Schwesternzimmer. Sie können dabei eilen und springen und über etwas nachdenken, Sie können das aber auch mit Präsenzgefühl im Körper tun. Probieren Sie es aus. Sie werden merken, das macht einen Unterschied. Sie wechseln von diesem funktionalisierten Modus in den Seins-Modus, obwohl Sie gleichzeitig was tun.“

 

(Quelle: Dem Zeitdruck entkommen. Achtsamkeitstraining für Ärzte (2019). [Radio] SWR2 Wissen: Aula, 3. März 2019, 8.30 Uhr: Ralf Caspary/ Stefan Schmidt)

 

Zwar sei die Studie noch am Laufen, positive Rückmeldungen gibt es bereits jetzt, wie Schmidt gegenüber SWR2 berichtet. Eine Ärztin erklärte etwa: „Patienten hatten auch bemerkt, dass ich mich verändert habe. Der Kommentar eines Patienten war zum Beispiel: Bei Ihnen hier im Zimmer ist so eine angenehme Atmosphäre, Sie haben bestimmt so viel zu tun, aber dennoch hat man das Gefühl, Sie hätten viel Zeit“.

Programm für Assistenzärzte

Meditation
Das Konzept der Achtsamkeit stammt aus der buddhistischen Meditationspraxis. Durch Achtsamkeit wird gelernt die Aufmerksamkeit bewusst den gegenwärtigen Augenblick zu richten.
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© medinlive | 20.04.2024 | Link: https://app.medinlive.at/index.php/wissenschaft/achtsamkeitstraining-gegen-zeitdruck-im-spitalsalltag