„Schmerzambulanz": Radikal erschöpft im Spital
Was macht die Arbeit im Spital mit denjenigen, die dort tagtäglich arbeiten? Wie umgehen mit schwierigen Hierarchien, widersprüchlichen Gefühlen, der enormen Verantwortung? Dem Stress und der permanenten Überlastung? Und wie noch Empathie aufbringen für die Patient:innen im Spital, die verwundbar, angreifbar, verletzlich sind, wenn man selbst am Limit ist? Elena Messner, preisgekrönte Autorin, hat sich in ihrem Buch „Schmerzambulanz“ diesen Fragen gestellt und versucht, einen unverstellten Blick hinter die Kulissen der durchökonomisierten Krankenhauswelt zu werfen.
Als „eines der brennendsten gesellschaftlichen Themen“ wird es im Juryentscheid des „Theodor-Körner-Preises“ bezeichnet: Die Krux zwischen dem wirtschaftlich eng durchgetakteten Spitalswesen und dem Wohl der Patient:innen. Der Preis, den die Gesellschaft dafür zu zahlen hat. Und nicht zuletzt das Personal in den Spitälern.
Judit, die Protagonistin des Romans, ist Ärztin, Internistin. Eine, die zu Beginn ihres Berufs an Veränderung geglaubt hat, an Verbesserung. Sie hat den Ruf einer Idealistin. „Du bist wie niemand hier am Haus, wie niemand im gesamten Verbund. Du hast, wenn du Fehler gemacht hast, immer solche gemacht, die man machen muss, nicht die, die man vermeiden kann. (...) An deinen Fehlern kann man ablesen, wie weit du uns allen voraus bist. Du funktionierst unter Druck und siehst in allem einen Sinn, wo ich nur negative Konsequenzen sehe“, sagt ihre Freundin Asja, die ihrerseits „immer hart, blanke Oberfläche, ganz Anästhesistin“ ist. Waren sich die beiden einst nah, stehen sie der anderen mittlerweile distanziert bis misstrauisch gegenüber. Ein Tribut, dem sie dem aufreibenden Spitalsalltag zollen mussten und den (zu) oft unterschiedlichen Meinungen und Entscheidungen.
Was tun mit dem Patienten „Gesundheitssystem“?
Am Fall der Patientin Barbara Steindl wird das komplexe Geflecht aus unterschiedlichsten Zugängen zu Anamnese, Diagnose und Therapie und in Konsequenz zu Verantwortung und Schuld verdeutlicht. Die 79-jährige Frau wird mit diffusen Schmerzsymptomen, unterernährt und mit reduziertem Allgemeinzustand eingeliefert, sie soll auf der Internen behandelt werden. Doch als sie eines Morgens im Bad umkippt, erst von der Putzfrau entdeckt wird und auf die Intensivstation verlegt werden soll, werden Vorwürfe am bisherigen Vorgehen laut und die unterschiedliche Meinungen der Beteiligten zum Spaltpilz. Die mühsam aufrechterhaltene Kollegialität bröckelt, die Risse in der Fassade des Teams aus Mediziner:innen und Pflege werden immer größer. Schließlich soll ein Ethikkonsil Klärung bringen, aber schon die Einsetzung des Konsils sorgt für weitere Zerwürfnisse.
Der Roman schildert seine Figuren als nahbare Mängelexemplare, als Menschen, die oftmals an ihrem Tun verzweifeln. Messner zeichnet sie zwar als unfreie Akteure in einem überbelasteten System, aber niemals als Opfer, sondern als wütend, zornig und beständig auf der Suche nach einem Weg heraus aus der Misere. Die Krise des Spitalswesen wird anschaulich skizziert. Dabei legt die Autorin behutsam mit viel Empathie für die Beteiligten, seien es Ärzt:innen, Pflegende oder Angehörige und einer gleichzeitig kraftvollen, direkten Sprache, den Finger direkt in die Wunde des Patienten „Gesundheitssystem“.
Messner, Elena: Schmerzambulanz. Edition Atelier. Roman Halbleinen mit Lesebändchen, 228 Seiten, 24 Euro.