Umfrage „Frauen in der Medizin“

Vereinbarkeit von Job und Familie als Knackpunkt

Welche Erfahrungen Österreichs Ärztinnen in Ausbildung und Beruf gemacht haben und wie sich Kind und Job vereinbaren lassen, beleuchtet eine aktuelle Ärztekammer-Umfrage. Im Talk dazu: Die Kärntner Kammerpräsidentin Petra Preiss.

red

Das Thema Kinderbetreuung ist ein zentrales Karrierehindernis für Medizinerinnen, so lautet eine der Kernaussagen der Umfrage „Frauen in der Medizin“. Außerdem hinderlich in Sachen berufliches Fortkommen: Zuwenig Förderung durch Vorgesetzte und eine spürbare Bevorzugung von Männern im Berufsalltag.

Die ungeliebte Top-Position als Karrierebremse nehmen Familienplanung und Kinderbetreuung ein: 61 Prozent aller 2497 Befragten laut Online-Umfrage gaben an, dass sie damit am häufigsten konfrontiert waren, wenn es um das berufliche Fortkommen ging. 37 Prozent fühlen sich im Beruf zu wenig gefördert seitens der Vorgesetzten, während 32 Prozent bereits im Turnus ganz allgemein zu wenig Förderung in relevanten Wissensbereichen und Tätigkeiten verorten. Nur 12 Prozent finden außerdem, dass in Turnus-/Assistenzausbildung überwiegend beruflich relevante Fähigkeiten gelernt werden, für 24 Prozent sind es dagegen überwiegend systemerhaltende Routinetätigkeiten.

Interessante Jobs, die vorzugsweise an Männer vergeben werden, nehmen 31 Prozent der Befragten wahr (37 Prozent bei den niedergelassenen Fachärztinnen), während 30 Prozent der Befragten sagten, dass ihnen als Frau weniger zugetraut wurde als männlichen Kollegen (34 Prozent bei den niedergelassenen Fachärztinnen, 35 Prozent bei Ärztinnen in Ausbildung.) 66 Prozent der Frauen finden übrigens, dass Männer in ihrer Karrierelaufbahn mehr unterstützt werden als Frauen.

Gewünschter Fachbereich bleibt oft verschlossen

Ein Drittel gab an, nicht im eigentlich geplanten Fachbereich tätig zu sein. Sogar 53 Prozent aller niedergelassenen Allgemeinmedizinerinnen sagen das, während die niedergelassenen Fachärztinnen großteils (85 Prozent) ihre Wunschspezialisierung ausüben können.

Hauptgrund dafür, warum es schlussendlich ein anderer Fachbereich als geplant geworden ist, ist bei 42 Prozent der Befragten das Thema Familienplanung und Kinderbetreuung, bei den niedergelassenen Allgemeinmedizinerinnen beträgt der Wert sogar 48 Prozent. 22 Prozent der Ärztinnen haben zu wenig Förderung in der beruflichen Tätigkeit durch Vorgesetzte erfahren und sich daher umorientiert, 18 Prozent gaben an, „relevante Jobs seien lieber an Männer vergeben worden.“ (Niedergelassene Fachärztinnen: 26 Prozent). Der größte Teil der Befragten (52 Prozent) meint allerdings, der ausgeübte Fachbereich hat sich schlicht zufällig in der Berufslaufbahn ergeben.

Vereinbarkeit von Familie und Beruf als Knackpunkt

Magere 6 Prozent der befragten Ärztinnen gaben das Miteinander von Beruf und Familie als „Sehr gut“ an. Der Mittelwert bei dieser Gretchenfrage liegt bei 3,2, im niedergelassenen Bereich/Allgemeinmedizinerinnen sogar bei 3,3 als Durchschnittswert (Schulnotensystem). 20 Prozent finden, dass die Vereinbarkeit als „überhaupt nicht gut“ gegeben ist. Beim Großteil der befragten Ärztinnen, nämlich 67 Prozent, fungiert die Mutter als Hauptbetreuungsperson des Nachwuchses. Konsequenterweise empfinden Frauen Karriereeinbußen im ärztlichen Beruf durch Kinder durchschnittlich größer als die männlichen Kollegen – 66 Prozent der Ärztinnen sind dieser Meinung.

Auch die Unterstützung bei der Vereinbarkeit durch den Arbeitgeber wird als mittelmäßig bewertet: Der Durchschnittswert bei den angestellten Ärztinnen liegt bei 3,1. Die Spitalsärztinnen vermissen hier Support: 19 Prozent empfinden diesen als „überhaupt nicht gut“, nur 9 Prozent vergeben ein „sehr gut“. Der Mittelwert beträgt 3,2 und: Je älter die Befragten sind, desto weniger Unterstützung wird seitens der Arbeitgeber verortet. Bei den in Ausbildung befindlichen Ärztinnen empfinden 11 Prozent die Unterstützung des Arbeitgebers in Sachen Vereinbarkeit als „sehr gut“, 11 Prozent dagegen als „überhaupt nicht gut.“

Interview mit Petra Preiss

Die Chirurgin Petra Preiss ist als erste Ärztekammerpräsidentin für Kärnten nicht nur weibliche Vorreiterin im Amt, sondern leitet außerdem das Referat Gender-Mainstreaming der Österreichischen Ärztekammer.

Medinlive: 61 Prozent der befragten Ärztinnen sehen Familienplanung und Kinderbetreuung als Karrierehindernisse, gerade Spitalsärztinnen hadern extrem mit dem Thema Vereinbarkeit. Wo sehen Sie hier Verbesserungspotential?

Preiss: Krankenhausbetreiber müssen mit den Gemeinden und Privatinitiativen intensiv zusammenarbeiten, um flexible Kinderbetreuung in ausreichendem Umfang zur Verfügung zu stellen. Ausfallszeiten durch Karenz und Teilzeit für Ärzte und Ärztinnen gehören fix in die Personalbedarfsplanung integriert.

Medinlive: Interessante Jobs, die vorzugsweise an Männer vergeben werden, nahmen 31 Prozent der Befragten wahr. Wie sollen Frauen, die diese Bevorzugung wahrnehmen, adäquat reagieren?

Preiss: Laut und lästig bleiben. Sich bei den zuständigen Landesärztekammern und bei uns im Genderreferat melden. Über die Kammer und die Frauenreferate in den Landesregierungen verlangen, dass Ausschreibungen qualifizierte Frauen explizit ansprechen. Und ganz wichtig ist es, sich besser zu vernetzen.

medinlive: Die Umfrage ergibt außerdem, dass zwei Drittel aller Frauen finden: Männer werden mehr von ihren Vorgesetzten unterstützt. Wie nehmen Sie diese Situation aktuell wahr?

Preiss: Ich bin lang genug dabei, um zu wissen: Die Situation bessert sich. Sie ist aber noch weit entfernt von gut. Teilweise ist es die „normative Kraft des Faktischen“ – sprich Mangel an männlichen Bewerbern – die eine Änderung erzwingt. Erfreulicherweise kommen aber auch Impulse von Männern, die so sozialisiert sind, dass ihnen die alten Muster nicht mehr passen.

Medinlive: Ein Drittel aller befragten Ärztinnen wollte ursprünglich in einen anderen Fachbereich. Kinderbetreuung und zu wenig Förderung durch Vorgesetzte sind dafür die Hauptgründe. In welche Richtung wird sich das Ihrer Meinung nach mittelfristig entwickeln, Stichwort „Stereotype aufbrechen“? 

Preiss: Da haben wir besonders in den chirurgischen Fächern eine Auffälligkeit: Wegen angeblicher Unattraktivität gibt es insgesamt weniger weibliche und männliche Bewerber, der Frauenanteil steigt aber. Das freut mich als Chirurgin natürlich, ich hoffe aber, es handelt sich nicht um ein „Trümmerfrauen-Phänomen“.

Medinlive: Stichwort Ärztegesetznovelle: Ärzte und Ärztinnen, die Kollegen anstellen können. Wie wird das Ihrer Einschätzung nach die Vereinbarkeit von Familie und Beruf beeinflussen?

Preiss: Ärztinnen wünschen sich, im Team angestellt in Ordinationen zu arbeiten - auch dazu haben wir Zahlen. Daher ist die Möglichkeit grundsätzlich zu begrüßen. Von der praktischen Umsetzung sind wir noch weit entfernt –darauf wird es ankommen. Die Genderreferate sollen auch für die zukünftigen Angestellten eine Ansprechstelle sein.

 

 

 

 

 

 

 

Petra Preiss Kärnten
Die Kärntner Ärztekammerpräsidentin Petra Preiss setzt unter anderem auf Networking und Mut zur Kritik.
Ärztekammer Kärnten
„Laut und lästig bleiben. (...) Und ganz wichtig: Sich besser vernetzen!" Petra Preiss
 
© medinlive | 16.04.2024 | Link: https://app.medinlive.at/index.php/gesundheitspolitik/vereinbarkeit-von-job-und-familie-als-knackpunkt-0