Große Wiener Spitalsumfrage: Extreme Arbeitsbelastung unter Wiens Spitalsärzteschaft

75 Prozent der Spitalsärzt:innen in Wien klagen über hohe oder sehr hohe Arbeitsbelastung. Drei Viertel sind „dauerbelastet“, sagte der Wiener Ärztekammer-Vizepräsident Stefan Ferenci am Dienstag zu der aktuellen Umfrage. Größter Faktor ist der Personalmangel in der Pflege, gefolgt von bürokratischen Tätigkeiten. Die Ärztekammer forderte von der Wiener Politik bessere Rahmenbedingungen. Wenn Ärzt:innen übermüdet sind, steige die Fehleranfälligkeit, warnte Ferenci.

Quelle: Redaktion/APA

Die Ergebnisse seien „auch aus Sicht des Sozialforschers alles andere als erfreulich“, betonte Peter Hajek vom Institut Public Opinion Strategies, bei dem die Umfrage in Auftrag gegeben wurde. Unter den 41 Prozent der Wiener Spitalsärzt:innen, die ihre Arbeitsbelastung als sehr hoch einstufen, waren besonders 40- bis 49-Jährige und Vollzeitbeschäftigte, berichtete er.

54 Prozent geben den Personalmangel bei den Pflegekräften als sehr belastenden Aspekt im Arbeitsalltag an, 44 Prozent organisatorische bzw. bürokratische Tätigkeiten. Erst an dritter Stelle knapp dahinter wurde der Personalmangel bei Mediziner:innen genannt. Diese drei Punkte zusammengezählt ergeben „natürlich nur begrenzte Zeit für die Patient:innen“, erläuterte Hajek, was wiederum der am viertmeisten genannte Faktor für die Arbeitsbelastung in der Umfrage war, gefolgt von den Auswirkungen der Corona-Pandemie.

Zufriedenheit am Tiefpunkt, Belastung am Höhepunkt

Die hohe Belastung führe zu einer hohen Unzufriedenheit im Beruf sowie zu gesundheitlichen Problemen wie Burnout, und die Mediziner:innen würden sich nach anderen Arbeitsstellen umschauen, sagte Ferenci. Der Obmann der Kurie angestellte Ärzte kritisierte vor allem die vielen bürokratischen Tätigkeiten, die seine Kolleg:innen übernehmen müssten. Dafür hätten sie nicht Medizin studiert.

„Es ist frustrierend und Ressourcenvergeudung, wenn Ärztinnen und Ärzte, statt Patientinnen und Patienten zu behandeln, ein freies Bett suchen müssen.“ Dies ist auch nicht die Aufgabe einer Pflegekraft, die ebenfalls hoch qualifiziert für andere Tätigkeiten sei, betonte der Ärztekammer-Vertreter. Während der Auslastung mit bürokratischen Tätigkeiten werde die „Schlange der Patient:innen größer und größer“, kritisierte Ferenci. Es gehe dabei um „Wartezeiten nicht von zwei Stunden, nicht von drei Stunden, sondern von bis zu sieben Stunden“, berichtete er.

Ärztekammer fordert von Politik tiefgreifende Strukturreform und Sofortmaßnahmen

„Die Alarmglocken in den Spitälern läuten schriller als die Pummerin zu Silvester“, meinte Ferenci. Die Krankenhausmediziner seien nicht am Limit, sondern teils „schon darüber“ und das obwohl die Umfrage von Ende September bis Anfang Oktober durchgeführt wurde, also „nach dem Sommer, wo das Personal normalerweise am erholtesten ist“, erläuterte er. Hinzu kommen laut Hajek besorgniserregende Umfrageergebnisse zu Überstunden der Spitalsärzt:innen, von denen rund 50 Prozent, auch ihre gesetzlichen Ruhezeiten „nicht recht einhalten“ könnten.

Die Ärztekammer fordert, „dass die Politik alles unternimmt, die Situation zu verbessern“. Es brauche eine „tiefgreifende Strukturreform“ und Sofortmaßnahmen. Ferenci riet etwa zu einem Pool an Freiberuflern, die einspringen, wenn es erhöhten Personalbedarf durch eine Viruswelle oder Krankenstände gibt. Aus einem ersten Teil der Ergebnisse der Umfrage hatte die Ärztekammer bereits im November berichtet, dass 84 Prozent der Spitalsärzt:innen in Wien anhaltende und nachhaltige Qualitätsverluste in der Patientenversorgung orten.

Die Ärztekammer für Wien hat eine große Spitalsumfrage in Auftrag gegeben, um den Wienerinnen und Wienern ein möglichst detailgenaues Bild von der Lage in Wiens Spitälern geben zu können. Beauftragt wurde Peter Hajek Public Opinion Strategies, insgesamt haben 1.894 Spitalsärzt:innen an der Studie teilgenommen. „Die Stichprobe ist repräsentativ und besitzt mit der aufgezeigten Rücklaufquote eine hohe Validität“, erklärt Peter Hajek, Geschäftsführer von Public Opinion Strategies, der auch betont: „Die Ergebnisse sind eindeutig, es besteht kein Zweifel an der Stimmung unter Wiens Spitalsärzt:innen.“

Die Ergebnisse im Detail:

75 Prozent der befragten Spitalsärzt:innen geben an, unter (sehr) hoher Arbeitsbelastung zu leiden.

Die Top-4-Gründe der Arbeitsüberlastung:

  • 77 Prozent sehen einen Personalmangel bei Pflegekräften.
  • 73 Prozent geben auch bürokratische Tätigkeiten als Ursache an.
  • 72 Prozent klagen über den Personalmangel bei Ärzt:innen.
  • 63 Prozent leiden darunter, zu wenig Zeit für Patient:innen zu haben.

 

Nur 22 Prozent der Ärzt:innen sind mit ihrem Arbeitsalltag zufrieden. Das ist weniger als ein Viertel der Befragten.

Nur 11 Prozent der befragten Ärzt:innen geben an, dass sie ihr Arbeitspensum ohne Überstunden schaffen – der Rest schafft es nicht.

25 Prozent der Ärzt:innen sagen, dass sie ihre gesetzlichen Ruhezeiten gar nicht einhalten können – das ist ein Bruch des Arbeitsrechts.