Was hat es mit den 140 Toden Mozarts auf sich, wurde Mozart tatsächlich nur in einem Armengrab begraben und wo genau befindet sich eigentlich dessen letzte Ruhestätte? Regelmäßig begibt sich Hans-Peter Petutschnig bei medinlive auf eine Zeitreise zu den Spuren der alten Wiener Medizin. Dabei gibt es viel zu entdecken, längst Vergangenes, mitunter Skurriles, Schockierendes oder auch Prägendes. In dieser Folge: Auf den Spuren von Wolfgang Amadeus Mozart in Wien.
Hans-Peter Petutschnig
Wolfgang Amadeus Mozarts Spuren finden sich an zahlreichen Stellen der Stadt: im Palais Collalto (Am Hof 13, die erste Wohnadresse Mozarts in Wien), die spätere Wohnadresse Judenplatz 3-4 (daran erinnert eine Gedenktafel am heutigen Haus Judenplatz 3), das Eckhaus Milchgasse 1/Petersplatz 8, wo Mozart seine „Entführung aus dem Serail“ komponierte, das Mozarthaus in der Domgasse 5 („Figaros Hochzeit“, „Eine kleine Nachtmusik“), Mozarts Sterbehaus in der Rauhensteingasse 8 und schließlich die sogenannte „Kruzifixkapelle“ neben der Capistrankanzel an der Außenseite des Stephansdoms, wo die Totenfeier für den „Compositeur Mozart“ stattfand.
Um Mozarts Tod ranken sich viele Legenden. Sehr wahrscheinlich ist seine Frau Constanze nicht ganz unschuldig daran: Sie stand nach dem Tod ihres Mannes mit zwei Kindern und beträchtlichen Schulden da. Gemeinsam mit ihrer Schwester Aloisia Lange veranstaltete sie daher Konzerte, die sich möglicherweise mit „Geschichten“ besser vermarkten ließen. Eine dieser Legenden berichtet von einer Probe des Requiems, die noch am Sterbebett stattgefunden haben soll: „Sie waren bei den ersten Takten des ‚Lacrimosa‘, als Mozart heftig zu weinen anfing, die Partitur bei Seite legte und elf Stunden später, um ein Uhr nachts, verschied.“ Es war die Nacht vom 4. auf den 5. Dezember 1791. Als Todesursache wurde „Hitziges Friesel Fieber“ vermerkt. Constanze war es wichtig, das Requiem vollenden zu lassen, um den bereits erhaltenen Geldbetrag nicht rückerstatten zu müssen. Dafür beauftragte sie mehrere Schüler Mozarts, unter anderen Maximilian Stadler und Franz Xaver Süßmayer.
Bis heute ist Mozarts Tod Anlass zur Spekulation für viele Mediziner. „Mozart wurde wahrscheinlich das Opfer eines akuten rheumatischen Fiebers“, resümiert 2009 Faith Fitzgerald, Internistin an der University of California in Davis. Rheumatisches Fieber wird von Streptokokkenbakterien ausgelöst. Heute ist diese Infektion wegen der vorhandenen Antibiotika keine Gefahr mehr, doch im 18. Jahrhundert konnten Menschen an der eigenen Immunreaktion auf die Bazillen sterben.
Im selben Jahr gelangte der niederländische Wissenschaftler Richard Zegers über ein akribisches Quellenstudium zur Erkenntnis, dass Mozart an einer Pharyngitis gelitten habe, einer Halsentzündung, die mit Krämpfen, Fieber, Ausschlag und Schwellungen am Hals einherging. Mozarts Schwägerin Sophie Haibel hatte diese Symptome so beschrieben. Einen weiteren Hinweis gibt das Wiener Totenregister im Winter 1791, das mehrere Todesfälle aufgrund dieser Krankheit vermerkte. Die Diagnose von Zegers gilt in der Forschung als die wahrscheinlichste.
Mozarts 140 Tode
Hätten alle Mozart-Forscher mit ihren Diagnosen recht, wäre der Komponist mindestens 140 Tode gestorben – unter anderem an einer Streptokokken-Infektion, an Masern, Bauchtyphus, Tuberkulose, Fadenwürmern, Vergiftung durch Mykotoxine, Hirnblutung infolge einer Schädelfraktur, Herzmuskelentzündung, Vergiftung durch bleihaltigen Wein, Harnvergiftung durch Nierenversagen und rheumatisch-entzündliches Fieber. Beliebt sind auch etliche Mordvarianten. So kam in den 1930er-Jahren die Hypothese auf, Mozart sei von Juden, Freimaurern oder Jesuiten ermordet worden. Manche Forscher sind nach wie vor überzeugt, dass ihn sein Kontrahent Antonio Salieri vergiftet hat.
Kurz vor dem Tod des Vaters am 28. Mai 1787 schrieb Mozart am 4. April 1787 an diesen unter anderem: „Da der Tod (genau zu nehmen) der wahre Endzweck unseres Lebens ist, so habe ich mich seit ein paar Jahren mit diesem wahren, besten Freunde des Menschen so bekannt gemacht, dass sein Bild nicht allein nichts Schreckendes mehr für mich hat, sondern recht viel Beruhigendes und Tröstendes! Und ich danke meinem Gott, dass er mir das Glück gegönnt hat, mir die Gelegenheit (Sie verstehen mich) zu verschaffen, ihn als den Schlüssel zu unserer wahren Glückseligkeit kennen zu lernen.“
Bestattung 3. Klasse
Bestattet wurde Mozart am St. Marxer Friedhof – weit außerhalb der damaligen Stadt. Es ist immer wieder die Rede vom Armenbegräbnis Mozarts. Auch das gehört zu den viel verbreiteten Mythen über Mozart: unverstanden, arm und leidend, und niemand kam mit zum Grab, weil es ein Wintergewitter gab ... Tatsächlich wurde Mozart nach der damals geltenden Josephinischen Begräbnisordnung beigesetzt – in einem „Schachtgrab“, gemeinsam mit vier bis fünf weiteren Toten, ohne Grabkreuz oder Verabschiedung am Grab. Das war kein Armengrab, sondern eine Bestattung, wie sie für einen Großteil der Wiener Bevölkerung damals üblich war (Bestattung 3. Klasse – die 1. und 2. Klasse waren dem Adel und dem reichen Bürgertum vorbehalten): Einsegnung des Leichnams in der Stadt und danach Überführung ohne Trauergäste und nur mit dem Totengräber zum Friedhof. So war auch Constanze nur bis zum Stubentor mit dem Leichnam mitgegangen. Außerdem mussten die Leichentransporte nach Einbruch der Dunkelheit erfolgen.
Die Friedhöfe außerhalb des Linienwalls machten natürlich Sinn, um Krankheiten und Epidemien zu vermeiden. Die damals vorherrschende Theorie zur Erklärung der Ausbreitung von Seuchen war die Miasmen-Theorie. Der griechische Begriff „Miasma“ bedeutet Verunreinigung. Zu damaligen Zeit verstand man darunter eine „krankheitsverursachende Materie, die durch faulige Luft entsteht“. Man ging davon aus, dass sich die „besudelte Luft“ über die Atemwege oder auch über die Haut, eventuell auch über die Nahrungsaufnahme, direkt auf den Menschen überträgt und ihn krank macht. Als Hauptansteckungsgefahr sah man die Fäulnisprozesse im Boden und in den stehenden Gewässern. Daher versuchte man, die Friedhöfe weit außerhalb der Stadt anzulegen. Gestank bedeutete Krankheitsgefahr und sollte daher, nach den damaligen Hygienevorstellungen, umgangen werden.
Zurück zu Mozarts Grabstätte: Constanze versuchte erst 17 Jahre nach dessen Tod, sein Grab am St. Marxer Friedhof zu besuchen – wahrscheinlich im Zuge der Erstellung einer der ersten Biografien Mozarts durch ihren zweiten Mann Georg Nikolaus von Nissen, mit dem sie seit 1809 verheiratet war. Das soll nicht weiter verwundern, war es damals doch keinesfalls üblich, weit entfernte Friedhöfe zu besuchen. Sie suchte vergeblich: 1801 war die Grabstätte ihres ersten Mannes umgegraben und gemäß den Gepflogenheiten nach zehn Jahren einer neuen Verwendung zugeführt worden. Da der Totengräber von damals bereits verstorben war, konnte Constanze nicht in Erfahrung bringen, wo Mozarts Grab war – nur die Reihe der im Jahr 1791 angelegten Gräber war noch bekannt.
Hans-Peter Petutschnig ist seit vielen Jahren für die Pressearbeit und den Verlag der Wiener Ärztekammer verantwortlich. Er ist zudem stellvertretender Kammeramtsdirektor der Ärztekammer für Wien und organisiert zahlreiche kulturelle Veranstaltungen für Ärztinnen und Ärzte. Zusammen mit der staatlich geprüften Wiener Fremdenführerin sowie Kunst- und Kulturvermittlerin Bibiane Krapfenbauer-Horsky hat er das Buch „Auf den Spuren der alten Heilkunst in Wien – Medizinische Spaziergänge durch die Stadt“ verfasst.