Percy Lane Oliver, 1878 in St. Ives/Cornwall geboren, wollte eigentlich Arzt werden, letztendlich landete er aber als Bibliothekar im Rathaus des Südlondoner Stadtteils Camberwell. Dor gründete er vor dem ersten Weltkrieg eine Zweigstelle des britischen Roten Kreuzes. In dieser Funktion erhielt er im Oktober 1921 einen Anruf aus dem King‘s College Hospital, das dringend eine Blutspende benötigte. Mehrere Rotkreuz-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stellten sich spontan zur Verfügung, eine unter ihnen hatte die passende Blutgruppe und wurde somit zur weltweit ersten freiwilligen Blutspenderin. Nach dieser Initialzündung richtete Oliver zunächst in seinen eigenen vier Wänden den ersten Blutspendendienst der Welt ein. Er sammelte Gesundheits- und Blutdaten von Freiwilligen und ein Telefon wurde rund um die Uhr besetzt – im ersten Jahr läutete es neun Mal. Fünf Jahre später hatte er bereits 400 Spenderinnen und Spender registriert, die zu über 700 Blutspende-Einsätzen gerufen wurden. Percy Lane Oliver geriet nach seinem Tod im Jahr 1944 in Vergessenheit, aber seine Idee eines auf Freiwilligkeit basierenden Blutspendedienstes setzte von den bescheidenen Anfängen in Südlondon zu einem globalen Siegeszug an.
1 Papst, 3 Spender, 4 Tote
Die Historie der Blutspende und unzähliger Versuche mit Bluttransfusionen von Mensch zu Mensch, aber auch von Tier zu Mensch, reicht indes Jahrhunderte zurück. Eine der ersten in Europa dokumentierten „Blutspenden“ fand im Jahr 1492 statt, als dem schwer kranken Papst Innozenz VIII. das Blut von drei Knaben oral verabreicht wurde. Dem Papst half es aber nichts, er verstarb und die drei Burschen verbluteten.
Die Entdeckung des Blutkreislaufs durch den englischen Arzt William Harvey zu Beginn des 17. Jahrhunderts, niedergeschrieben in seinem Werk „Exercitatio anatomica de motu cordis et sanguinis in animalibus“, das als eines der bedeutendsten wissenschaftlichen Werke der Frühen Neuzeit gilt, diente sozusagen als Startschuss für etliche Versuche mit Bluttransfusionen. Zunächst von Tier zu Tier: Die erste dieser Art führte Richard Lower, ebenfalls ein englischer Mediziner, im Jahr 1665 durch.
Schafe und Kälber als erste Blutspender
Jean-Baptiste Denis, einer der Leibärzte des „Sonnenkönigs“ Ludwig XIV., ging einen Schritt weiter und wagte zwei Jahre später die erste Bluttransfusion von Tier zu Mensch. Er injizierte einem 15-jährigen Jungen das Blut eines Lamms, indem er die Halsschlagader des Schafes mit einer Vene seines Patienten verband. Der Bursche überlebte diese Prozedur tatsächlich, wie auch ein paar weitere Patienten. Nach dem ersten Todesfall jedoch, als er einem Geisteskranken das Blut eines Kalbes injizierte und beide verstarben, wurde er angeklagt. Im folgenden Prozess wurde Jean-Baptiste Denis zwar freigesprochen, aber danach das sogenannte Edikt von Chatelet erlassen, welches Transfusionen ohne Zustimmung der Pariser Medizinischen Fakultät verbot. Ähnliche Verbote folgten auch in Italien sowie in England und beendeten damit vorerst die Forschung über beziehungsweise Experimente mit Transfusionen für mehr als 100 Jahre, bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts erstmals Transfusionen von Menschen zu Menschen versucht wurden. Und es war wieder ein Brite, der Arzt James Blundell, der hier Pionierarbeit leistete und 1825 die ersten erfolgreichen Bluttransfusionen von Mensch zu Mensch durchführte. Etwa ein Drittel dieser Versuche endete aber immer letal für den Transfusionsempfänger. Denn erst die Entdeckung des AB0-Blutgruppensystems durch Karl Landsteiner im Jahr 1900 ermöglichte es, Bluttransfusionen sicher durchzuführen. Für seine wissenschaftliche Forschung auf diesem Gebiet erhielt Landsteiner 30 Jahre später auch den Medizin-Nobelpreis.
330.000 Blutspenden pro Jahr
Das Gesundheitssystem ist auf regelmäßige Blutspenden angewiesen. Denn Blut kann weder künstlich hergestellt, noch „auf Lager“ gebunkert werden, weil Blutkonserven maximal 42 Tage haltbar sind.
In Österreich haben 2021 insgesamt 222.295 Personen beim Roten Kreuz Blut gespendet, das sind 3,56 Prozent der Bevölkerung im spendenfähigen Alter. 2020 gab es 332.917 Vollblutspenden zu je 465 Milliliter Blut von 211.556 Spenderinnen und Spendern abgenommen. Ein Rückgang gegenüber dem Jahr 2019, in dem es 337.561 Vollblutspenden von 217.757 Personen waren.
Alle dürfen Blut spenden, außer…
In Österreich wird etwa alle 90 Sekunden eine Blutkonserve benötigt. Pro Vollblutspende werden 465 Milliliter Blut aus einer Armvene entnommen, sofort Sicherheitstests unterzogen, in verschiedene Komponenten getrennt und zu verschiedenen Blutprodukten verarbeitet bevor das Spenderblut an Spitäler ausgeliefert wird. Ein Drittel des österreichischen Spenderblutes wird von Frauen, zwei Drittel von Männern gespendet. Blutspenden dürfen in Österreich grundsätzlich alle Personen zwischen 18 und 70 Jahren, deren Körpergewicht zumindest 50 Kilogramm beträgt – Erstspenderinnen und Erstspender müssen unter 60 Jahren alt sein. Es gibt aber auch vorübergehende sowie permanente Ausschließungsgründe für Blutspenden: Etwa ein vierwöchiges Blutspendeverbot nach dem Ende der Einnahme von Antibiotika oder eine sechsmonatige Pause nach der Rückkehr aus Malariagebieten. Weiters sind unter anderem Personen mit Diabetes (Typ 1 & 2) grundsätzlich von Blutspenden ausgeschlossen, ebenso Epileptiker, HIV-Positive sowie an Hepatitis-B und Hepatitis C-Erkrankte.
Mit kommendem September gibt es auch in Österreich ein diskriminierungsfreies Blutspenden unabhängig vom Geschlecht oder der sexuellen Orientierung. Die dafür erforderliche Novelle zur Blutspenderverordnung des Gesundheitsministeriums wurde am Freitag kundgemacht. Die neue Regelung, die nicht mehr zwischen hetero-, bi- und homosexuellen Menschen unterscheidet, tritt am 31. August in Kraft. Lange Zeit waren homosexuelle Männer nämlich de facto vom Blutspenden ausgeschlossen. Für sie galt bis 2019 ein generelles Blutspende-Verbot. Das wurde nach einem Entscheid des Europäischen Gerichtshofs gekippt und zunächst auf eine zwölfmonatige Frist der sexuellen Enthaltsamkeit reduziert, die wiederum Anfang dieses Jahres noch vom ehemaligen Gesundheitsminister Rudolf Anschober auf vier Monate verkürzt wurde.
Zukünftig sind Personen, die unmittelbaren Kontakt zu einer mit HBV, HCV oder HIV infizierten Person hatten oder sich einem Risiko für die Ansteckung mit sexuell übertragbaren Infektionen, insbesondere mit Hepatitis B, Hepatitis C und HIV ausgesetzt haben, für die Dauer von zwölf Monaten vom Blutspenden ausgeschlossen. Als Risikogruppe sind in der Verordnung – losgelöst vom Geschlecht oder der sexuellen Orientierung bzw. Definition – Personen definiert, die innerhalb von drei Monaten mehr als drei Sexualpartner hatten, und deren Sexualpartner, soweit sie von diesem Umstand Kenntnis haben oder davon ausgehen müssen. Bei einem nachgewiesenen negativen Test auf Hepatitis B, Hepatitis C und HIV reduziert sich die „Sperre" auf drei Monate. „Mit der Kundmachung der novellierten Blutspendeverordnung beseitigen wir endlich die Diskriminierung von homo- und bisexuellen Männern, ihrer Partner und Partnerinnen und Trans-Personen", hielt Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) fest. Und weiter: „Die sexuelle Orientierung wird beim Blutspenden künftig keine Rolle mehr spielen, dafür habe ich mich eingesetzt." Gleichzeitig seien weiterhin die höchsten Sicherheitsstandards für Blutkonserven gewährleistet.
In einem nächsten Schritt wird die Blutkommission eine aktualisierte Empfehlung für die Blutspende-Fragebögen aussprechen, kündigte Rauch an: „Ab Herbst soll niemand, der mit einer Blutspende helfen will, aufgrund der sexuellen Orientierung oder des Geschlechts daran gehindert werden". Ausdrücklichen Dank zollte Rauch der LGBTIQ+ Community „für das hartnäckige, große Engagement", die seit mehr als 20 Jahren auf die Diskriminierung beim Blutspenden hingewiesen habe. „Ohne Eure Unterstützung wäre diese Lösung nicht möglich gewesen", betonte der Minister.