„Eine jetzt im Fachmagazin 'Science' veröffentlichte Studie der Charite - Universitätsmedizin Berlin mit afrikanischen Kooperationspartnern zeigt: Omikron-Vorläufer gab es auf dem afrikanischen Kontinent schon deutlich vor dem ersten Nachweis von Omikron. Demnach ist die Virusvariante schrittweise über mehrere Monate in verschiedenen Ländern Afrikas entstanden „, schrieb die Universitätsklinik Donnerstagabend in einer Aussendung.
Seit Beginn der Pandemie verändert sich das Coronavirus. Den bisher größten Sprung in der Evolution von SARS-CoV-2 konnten Forschende vor einem Jahr beobachten, als eine Variante entdeckt wurde, die sich durch mehr als 50 Mutationen vom Erbgut des ursprünglichen Virus unterschied. „Erstmals Mitte November 2021 bei einem Patienten in Südafrika nachgewiesen, erreichte die später als Omikron BA.1 bezeichnete Variante innerhalb weniger Wochen 87 Länder der Erde. Bis Ende Dezember 2021 hatte sie das zuvor dominierende Delta-Virus weltweit verdrängt“, stellten die deutschen Experten fest.
Seither wurde über den Ursprung dieser sich so rasant ausbreitenden Variante spekuliert. Diskutiert wurden vorrangig zwei Hypothesen: Entweder sei das Coronavirus vom Menschen auf ein Tier übergesprungen und habe sich dort weiterentwickelt, bevor es als Omikron wieder einen Menschen infizierte. Oder das Virus habe in einem Menschen mit unterdrücktem Immunsystem für längere Zeit überdauert und sich dort verändert. Eine neue Auswertung von COVID-19-Proben, die schon vor der Omikron-Entdeckung in Südafrika gesammelt worden waren, widerspricht demnach beiden Annahmen.
Durchgeführt wurde die Analyse von einem internationalen Forschungsteam um Jan Felix Drexler, Wissenschafter am Institut für Virologie der Charite und am Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF). Innerhalb des europäischen und panafrikanischen Netzwerks maßgeblich beteiligt waren die Universität Stellenbosch in Südafrika und das Referenzlabor für hämorrhagische Fieber in Benin.
Innerhalb weniger Wochen durch den afrikanischen Kontinent
Die Forscher entwickelten zunächst einen speziellen PCR-Test, um die Omikron-Variante BA.1 spezifisch nachweisen zu können. Diesen Test wandten sie dann bei mehr als 13.000 Proben aus 22 Ländern Afrikas an, die zwischen Mitte 2021 und Anfang 2022 genommen worden waren. Dabei fand das Forschungsteam Viren mit Omikron-spezifischen Mutationen bei 25 Menschen aus sechs verschiedenen Ländern, die bereits im August und September 2021 an Covid-19 erkrankt waren - also zwei Monate vor dem ersten Nachweis der Variante in Südafrika.
Um mehr über die Entstehung von Omikron herauszufinden, entschlüsselten die Forschenden zusätzlich bei rund 670 Proben das virale Erbgut. So entdeckte das Team mehrere Viren, die unterschiedlich starke Ähnlichkeiten mit Omikron aufwiesen, aber eben nicht identisch waren. „Unsere Daten zeigen, dass Omikron verschiedene Vorläufer hatte, die sich miteinander mischten und zur selben Zeit und über Monate hinweg in Afrika zirkulierten „, erklärte Drexler. „Das deutet auf eine graduelle Evolution der BA.1-Omikron-Variante hin, während der sich das Virus immer besser an die vorhandene Immunität der Menschen angepasst hat.“
Aus den PCR-Daten folgern die Wissenschafter darüber hinaus, dass Omikron zwar nicht allein in Südafrika entstand, dort aber als erstes das Infektionsgeschehen dominierte und sich dann innerhalb weniger Wochen von Süd nach Nord über den afrikanischen Kontinent ausbreitete.
„Das plötzliche Auftreten von Omikron ist also nicht auf einen Übertritt aus dem Tierreich oder die Entstehung in einem immunsupprimierten Menschen zurückzuführen, auch wenn das zusätzlich zur Virusentwicklung beigetragen haben könnte“, sagte Drexler.
„Dass wir von Omikron überrascht wurden, liegt stattdessen am diagnostischen blinden Fleck in großen Teilen Afrikas, wo vermutlich nur ein Bruchteil der SARS-CoV-2-Infektionen überhaupt registriert wird. Die Entwicklung von Omikron wurde also einfach übersehen. Deshalb ist es wichtig, diagnostische Überwachungssysteme auf dem afrikanischen Kontinent und in vergleichbaren Regionen des globalen Südens jetzt deutlich zu stärken und den Datenaustausch weltweit zu erleichtern“, fügte der Fachmann hinzu.
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