Österreich fast durchwegs über dem EU-Durchschnitt
Das Angebot an illegalen Drogen in Europa wächst. Nicht nur kommen ständig neue Substanzen auf den Markt, auch ihre mitunter hochgradige Reinheit und ihre für Konsumenten oft geringe Unterscheidbarkeit stellen Drogenpolitik und Gesundheitswesen vor immer größere Probleme. Das geht aus dem am Freitag in Brüssel präsentierten Europäischen Drogenbericht 2023 hervor. Beim geschätzten Drogenkonsum liegt Österreich fast überall über dem EU-Durchschnitt.
Im Jahr 2022 wurden dem Frühwarnsystem der EU (EWS) 41 neue Substanzen gemeldet, sodass die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EMCDDA) mit Sitz in Lissabon nun insgesamt 930 Drogen beobachtet. „Da diese in Form von ähnlich aussehenden Pulvern oder Pillen verkauft werden können, wissen die Konsumierenden möglicherweise nicht, was sie einnehmen“, heißt es in einer Zusammenfassung des Berichts, der sich auch mit neuen psychoaktiven Substanzen (NPS) befasst.
EU-Innenkommissarin Ylva Johannson zeigte sich in einem schriftlich verbreiteten Statement „zutiefst besorgt darüber, dass die heute in Europa konsumierten Substanzen möglicherweise noch gesundheitsschädlicher sind als in der Vergangenheit. Der Europäische Drogenbericht 2023 beschreibt, wie die Mitgliedstaaten Rekordmengen an illegalen Drogen beschlagnahmen.“ Im Jahr 2021 erreichten die in der EU beschlagnahmten Mengen an Cannabisharz (816 Tonnen) und Cannabiskraut (256 Tonnen) den höchsten Stand seit einem Jahrzehnt, bei Kokain wurde die Rekordmenge von 303 Tonnen beschlagnahmt. Die von den EU-Mitgliedstaaten beschlagnahmte Menge an Heroin hat sich im Jahr 2021 mit 9,5 Tonnen gegenüber dem Vorjahr mehr als verdoppelt.
Cannabis ist dem Bericht zufolge weiter die am häufigsten verbreitete illegale Droge in Europa. Schätzungen zufolge haben etwa acht Prozent (22,6 Millionen) der europäischen Erwachsenen (15 bis 64 Jahre) im vergangenen Jahr Cannabis konsumiert. Im Laufe ihres Erwachsenenlebens kommen 29,3 Prozent der EU-Bürger mit Cannabis in Berührung, in Österreich sind es 22,7 Prozent - die einzige Drogenkategorie, in der Österreich unter dem EU-Schnitt liegt. Zwei Entwicklungen werden in Zusammenhang mit Cannabis beschrieben: Einerseits haben immer mehr EU-Mitgliedstaaten (etwa Deutschland, Luxemburg, Malta, die Niederlande und die Tschechische Republik) sowie die Schweiz neue Konzepte zur Regulierung des Angebots von Cannabis für den Freizeitkonsum, andererseits gibt es immer mehr synthetische oder halbsynthetische Cannabinoide in der EU. So wird Hexahydrocannabinol (HHC) in einigen EU-Ländern als „legale“ Alternative zu Cannabis verkauft.
Kokain am Häufigsten in Zusammenhang mit akuten Vergiftungen
Die illegale Kokainherstellung in der EU gewinnt laut dem Bericht immer mehr an Bedeutung. 2021 wurden 34 Kokainlaboratorien ausgehoben, um die Hälfte mehr als im Jahr zuvor. Kokain wurde im vergangenen Jahr von geschätzten 1,3 Prozent (3,7 Millionen) der europäischen Erwachsenen konsumiert und war im Jahr 2021 die häufigste Substanz im Zusammenhang mit akuten Vergiftungen in den Notaufnahmen der Krankenhäuser. Mit einer geschätzten grundsätzlichen Verbreitung von 6,2 Prozent bei Erwachsenen liegt Österreich über dem EU-Durchschnitt von 5,4 Prozent.
Bei der Einschätzung der Hochrisiko-Fälle im Heroinkonsum rangiert Österreich hinter Finnland und Irland auf Platz drei. Heroin ist nach wie vor das am häufigsten konsumierte illegale Opioid in Europa, aber auch die Besorgnis über den Konsum synthetischer Opioide wächst. „Viele synthetische Opioide sind hochwirksam und bergen die Gefahr von Vergiftungen und Tod „, heißt es. Auf dem europäischen Drogenmarkt tauchten immer wieder neue unkontrollierte synthetische Opioide auf.
Auch beim geschätzten Konsum von MDMA (etwa Ecstasy) und Amphetaminen ( „Speed „) liegt Österreich über dem EU-Durchschnitt. „Ketamin, das in der Medizin als Narkosemittel und Schmerzmittel verwendet wird, hat sich in einigen Bereichen als Freizeitdroge etabliert“, heißt es weiters. Auch der zunehmende Freizeitkonsum von Distickstoffoxid (Lachgas) in einigen Teilen Europas „gibt Anlass zu gesundheitlichen Bedenken“. Die Risiken umfassen Vergiftungen, Verbrennungen und Lungenverletzungen sowie in einigen Fällen bei längerem Gebrauch auch Nervenschäden.
Finnland führt die Statistik der Drogentoten an
In der Statistik der Drogentoten liegt Österreich mit 39 Fällen auf eine Million Einwohner (die Angabe stammt aus dem Jahr 2021) auf dem achten Platz. Traurige Spitzenreiter sind Finnland (79) und Irland (73) vor Schweden (64) und Norwegen (63). Der EU-Durchschnitt liegt bei 18,3.
2024 wird die Beobachtungsstelle mit einem erweiterten Aufgabenbereich zur Drogenagentur der EU (EUDA) und soll ein europäisches Netz an forensischen und toxikologischen Laboratorien einrichten. Es sei „an der Zeit, dass die EMCDDA nun ein stärkeres Mandat und einen stärkeren internationalen Aufgabenbereich erhält, um mit diesem fortschreitenden Drogenproblem Schritt zu halten“, meinte Kommissarin Johannson. Der Österreicher Franz Pietsch ist als Vorsitzender des Verwaltungsrats der EMCDDA federführend an dem Um- und Ausbau beteiligt. „Wir freuen uns auf die Umsetzung dieser vielversprechenden neuen Aufgabe, mit der die Agentur ihre Monitoringkapazitäten ausbauen, die EU besser auf Herausforderungen vorbereiten und zur Entwicklung von Kompetenzen für bessere Maßnahmen im Drogenbereich beitragen wird“, so Pietsch.