Zwar beinhalte der Gesetzesentwurf eine Beschränkung auf gemeinnützige Träger, es stehe jedoch zu befürchten, dass gewinnorientierte Investorengesellschaften rasch Umgehungskonstruktionen finden würden.
Ein weiterer Kritikpunkt der Ärztekammer für Wien an der Gesetzesnovelle betrifft die Schlechterstellung junger Ärzti:innen. Ärzt:innen, die noch keinen Kassenvertrag haben, werden mit willkürlichen Auswahlkriterien in Konkurrenz zu Ambulatorien gestellt. „Wenn man die Bevorzugung von jungen kassenvertragswilligen Ärzt:innen bei der Vergabe von PVE-Verträgen gesetzlich beseitigt, darf man sich nicht wundern, wenn sich junge Ärzt:innen aufgrund der zusätzlichen Unsicherheiten von diesem System abwenden“, so Ferenci.
Auch Erik Randall Huber, Obmann der Kurie niedergelassene Ärzte und Vizepräsident der Ärztekammer für Wien, bewertet die Ankündigung der Regierung zwar grundsätzlich positiv, führt allerdings ins Treffen: „Die Regierung macht hier Ankündigungen, ohne selbst ihre Hausaufgaben erledigt zu haben.“ So scheitere die Gründung einer PVE oft schon am ersten Schritt, nämlich dem Finden einer geeigneten Immobilie. Verantwortlich dafür sei unter anderem das Umsatzsteuergesetz. Vermieter verlieren bei Vermietung an Ärzt:innen oder an ärztliche PVE den Vorsteuerabzug. Das führt dazu, dass Ärzt:innen als Mieter abgelehnt werden oder mit völlig überhöhten Mieten rechnen müssen. Zudem müssten sich Vermieter verrechnungstechnisch alle Rechnungen der letzten 20 Jahre (etwa für Instandhaltung und Investitionen) aufheben.
„Das Problem besteht bereits seit 2012 und wird von der Ärztekammer seit Jahren an die Politik - vor allem an das Finanz- und Gesundheitsministerium - herangetragen. Bis dato ohne Lösung“, resümiert Huber. Und weiter: „Für uns ist das völlig unverständlich. Wir wären mit der Umsetzung von PVE schon viel weiter. Man kann sich aber nicht für diese Versorgungseinheiten aussprechen und sie dann bei Mietflächen steuerlich benachteiligen“. Es brauche endlich eine Gesetzesreparatur.
Auch sei es essentiell, dass PVE langsam und organisch wachsen können. Denn nur dann würde ein solches Konstrukt auch funktionieren. Daher sollten nicht zwingend drei Ärzt:innen für eine PVE-Gründung nötig sein, wie aktuell vorgesehen. Alternativ müsse es auch reichen, „wenn sich zwei Kollegen zusammenfinden oder es einen Inhaber gibt, der Ärzt:innen anstellt“, erklärt Kurienobmann Huber.
Attraktivierung des öffentlichen Systems notwendig
Einig sind sich die beiden Kurienobmänner, dass an einer Attraktivierung des öffentlichen Systems kein Weg vorbeiführe. „Mit einer Gesetzesnovelle zum Ausbau der Primärversorgung ist es nicht getan. Seit Monaten herrscht in den Wiener Spitälern Ausnahmezustand, eine noch nie zuvor gesehene Personalflucht greift um sich, das Gesundheitspersonal läuft in Scharen davon“, schildert Ferenci die Lage. Es werde daher kein Weg daran vorbeiführen, mehr Geld ins System zu investieren, um das Personal zu halten und einen Kollaps zu verhindern. Erst dann könne man sich den strukturellen Problemen im österreichischen Gesundheitswesen widmen. Die 15a-Verhandlungen böten nun die Chance, das notwendige zusätzliche Geld für die Spitäler zu budgetieren. „Den Ärzt:innen reicht es. Wenn die Politik jetzt nicht rasch handelt, stehen die Zeichen auf Streik“, vermutet Ferenci.
Kurienobmann Huber erneuert in diesem Zusammenhang seine Forderung nach einer Attraktivierung der Kassenmedizin und der längst überfälligen Auslagerung von Leistungen, um die Spitalsambulanzen zu entlasten. Die Wiener Ärztekammer habe hier mehrfach konkrete Vorschläge gemacht, zum Beispiel für die Urologie, Kardiologie oder die Augenheilkunde. Huber: „Der Traum eines zügigen PVE-Ausbaus wird platzen, wenn die Politik nicht schleunigst die Rahmenbedingungen entsprechend adaptiert.“