Die Modifikation des humanen Stoffwechselhormons aus Biotech-Produktion hat in den vergangenen Jahrzehnte viele Verbesserungen für Zuckerkranke gebracht: Auf der einen Seite sind das extrem schnell und kurz wirksame Insulinformen, bei denen Diabetiker faktisch noch während des Essens die richtige Dosis berechnen und sich dann injizieren können. Für Typ-2-Diabetiker aber ist im späteren Verlauf ihrer Erkrankung oft die Verabreichung von lang wirksamen Insulinen notwendig. Hier gibt es schon seit längerem 24-Stunden-Insuline. Offenbar bald in Zulassung kommen sollen aber Insuline, welche überhaupt nur noch einmal wöchentlich injiziert werden müssen.
Vor Kurzem fand in San Diego im US-Bundesstaat Kalifornien der Jahreskongress der amerikanischen Diabetes-Gesellschaft statt (ADA-Kongress; 22. bis 26. Juni). Dort wurden gleich zwei groß angelegte Zulassungsstudien für das Ultralangzeit-Insulin Icodec vorgestellt. Gleichzeitig erfolgte die Publikation der beiden klinischen Untersuchungen im New England Journal of Medicine (DOI: 10.1056/NEJMoa2303208) und im Journal der amerikanischen Ärztegesellschaft (JAMA; DOI:10.1001/jama.2023.11313).
In der im New England Journal of Medicine veröffentlichten Untersuchung verglichen der texanische Diabetologe Julio Rosenstock (Velocity Clinical Research) und seine Co-Autoren zwei Gruppen von Erwachsenen mit Typ-2-Diabetes. Je 492 Patient:innen bekamen entweder einmal wöchentlich das ultralang wirksame Insulin oder täglich ein herkömmliches Langzeit-Insulin. Die Resultate sprachen für die nur einmal wöchentlich zu verabreichende Form des Stoffwechselhormons: Während 52 Wochen sank der Wert für mit Zucker beladene rote Blutkörperchen (HbA1c; mittelfristig aussagekräftiger Parameter für die Blutzuckereinstellung) von im Mittel 8,5 auf 6,93 Prozent. In der Vergleichsgruppe mit täglichen Insulininjektionen wurde eine Reduktion von im Mittel 8,44 Prozent auf 7,12 Prozent registriert. Für eine gute Blutzuckereinstellung bei Diabetikern sprechen Werte von 6,5 Prozent und darunter.
Während die Patient:innen unter Ultralangzeit-Insulin fast 72 Prozent der Zeit Blutzuckerwerte zwischen 70 und 180 Milligramm pro Deziliter Blut aufwiesen, lag dieser Anteil in der Vergleichsgruppe mit fast 67 Prozent deutlich niedriger. Auf der anderen Seite wurden in der Gruppe mit der einmal wöchentlichen Insulin-Verabreichung mehr Episoden einer Unterzuckerung (Hypoglykämie) registriert. Als bedenklich wurde das nicht gewertet, weil sie sich als geringgradig herausstellten.
Das neue Basisinsulin hat eine extrem lange Halbwertszeit im menschlichen Körper von 196 Stunden. Der Hersteller, das dänische Pionierunternehmen Novo Nordisk auf dem Gebiet der Diabetestherapie, hat das humane Insulin durch eine Veränderung von drei Aminosäure-Bestandteilen und durch weitere Modifikationen auf diese Weise adaptiert. Einerseits wird das Insulin sehr langsam abgebaut, andererseits nach einer Bindung an Albumin-Eiweiß im Blut nach der Injektion unter die Haut nur langsam freigesetzt.
Zu ganz ähnlichen Ergebnissen wie Rosenstock und seine Co-Autoren kam auch eine internationale Studie (92 Zentren in elf Staaten) mit dem neuen Insulin (veröffentlicht in JAMA). Je eine Gruppe von 294 Diabetikern erhielt einmal wöchentlich die neue Insulinform (mit sonst täglichen Placebo-Injektionen) oder ebenfalls täglich ein 24-Stunden-Insulin als Vergleich. Die Reduktion der HbA1c-Werte war praktisch ident mit jener der anderen klinischen Untersuchung. Auch hier war das Ultralangzeit-Insulin etwas besser. Allerdings wurden unter seiner Verwendung ebenfalls mehr Phasen von Unterzuckerung registriert, sie waren aber extrem selten (im Durchschnitt weniger als eine solche Episode pro Jahr).
Das neue Insulin wurde von Novo Nordisk bereits zur Zulassung in den USA bzw. in Europa sowie bei den Arzneimittelbehörden zusätzlicher Staaten eingereicht. Typ-2-Diabetiker können durch eine Lebensstiländerung mit Abnehmen und viel Sport oft eine medikamentöse Behandlung vermeiden bzw. hinauszögern. Dann folgen zumeist orale Antidiabetika und auch neue injizierbare Medikamente (GLP-1-Agonisten etc.) und/oder Arzneimittel, welche die Zuckerausscheidung über die Nieren fördern. Bei weiterem Fortschreiten der Erkrankung kann schließlich aber Insulin notwendig werden.