Psychotherapie für Kinder: Mehr Bewusstsein in Schulen gefordert

Die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Österreich hat sich nach dem Ende der Corona-Pandemie nicht wie erhofft verbessert, sondern verschlechtert. Darauf wiesen Expert:innen des Bundesverbands für Psychotherapie (ÖBVP) hing und forderten rascher mehr Gratis-Betreuungsplätze und auch mehr Psychotherapie in der Schule und dortiges Bewusstsein dafür.

red/Agenturen

Die Zahl der Kinder- und Jugendsuizide stieg laut Statistik Austria von 2021 auf 2022 um 57 Prozent auf 36 Fälle, berichtete Psychotherapeut Peter Stippl bei einem Pressetermin. Das sei der ausschlaggebende Grund gewesen, die Kinder- und Jugendpsychotherapeuten im ÖBVP zur Situation ihrer betreuten Personen zu befragen und die Ergebnisse wissenschaftlich auszuwerten. 91 zwischen Mitte August und Mitte September verschickte Fragebögen wurden retourniert.

Keine Beruhigung nach Pandemie

Bei 71 Prozent der behandelten Kinder und Jugendlichen wurde von den Psychotherapeut:innen festgestellt, „dass sie in den vergangenen zwölf Monaten höhere Belastungen haben als im Jahr davor“, berichtete Markus Böckle vom ÖBVP aus der Befragung. Die Annahme, dass sich die Situation nach der Covid-Pandemie beruhigen wird, sei nicht eingetreten, sagte der Experte. Bei circa 31 Prozent der Behandelten bestanden Sorgen um Suizidalität vonseiten der Therapeut:innen. In 37 Prozent der Behandlungen werden Suizidversuche geäußert.

Als Faktoren für die Zunahme psychischer Belastungen sehen die Behandler:innen vor allem die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie (42 Prozent), schulische Probleme (41 Prozent) und die generelle Zunahme psychischer Erkrankungen (40 Prozent). Hinzu kommen häufig familiäre Probleme (36 Prozent), Cybermobbing und Mobbing (28 Prozent) und die mangelnde Versorgung psychischer Probleme (26 Prozent). Auch der relativ nahe zu Österreich gelegene Krieg in der Ukraine habe Auswirkungen, erläuterten Stippl und Böckle, die die Erhebung durchgeführt haben.

Leistungsgerecht bezahlte Psychotherapie

Die Therapeut:innen fordern zur Verbesserung der Situation eine leistungsgerecht bezahlte Psychotherapie ohne Stundenlimit, mehr Psychotherapie in Schule und die Förderung von Jugendgruppen und deren Arbeit. Die Befragten empfehlen außerdem eine bessere Vernetzung und Kooperation mit Kliniken und Fachärzten. Dies könne ein wichtiger Qualitätsfaktor sein, dafür sollte das Bewusstsein gefördert werden und es brauche diesbezügliche Pilotprojekte, sagte Böckle zu den Ergebnissen.

„Ganz eine wichtige Schnittstelle ist die Schule“, verwies ÖBVP-Präsidentin Barbara Haid darauf, dass Kinder dort viel Zeit verbringen. Eine Verbesserung könnte auch die Veränderung der Lehrpläne bedeuten, regte sie ein eigenes Schulfach Gesundheitskompetenz an oder das Thema in verschiedene Fächer zu integrieren. Es gibt verschiedene Konzepte und ein Bewusstsein für die Notwendigkeit, die Umsetzung ist aber „sehr, sehr schleppend“, kritisierte Haid.

Programme wie „Gesund aus der Krise“ und die kostenlose psychotherapeutische Beratungshotline „fit4school“ für Schüler:innen, Eltern und Lehrer:innen seien noch zu wenig bekannt, sagte Roland Bernhard von der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule Wien/Krems. „Es gibt so viel engagierte Lehrpersonen da draußen, die sich auch um die psychische Gesundheit der Kinder kümmern“, betonte er. Manchmal geraten diese jedoch an eine Grenze, deswegen sei es gut, dass es Kooperation gibt. Er empfahl auch die Implementierung von Charakterbildungskonzepten für Kinder, die in sehr vielen Ländern „boomen“ würden und bereits ab dem Kindergarten zum Einsatz kommen könnten.

Service

Suizidpräventionsportal  des Gesundheitsministeriums

Gesund aus der Krise

fit4school“, Telefon: 05-12561734