UN-Vertreter: Sonderschule in Österreich ähnelt Rassentrennung

Bereits im Sommer hat der UN-Fachausschuss zur Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen Kritik an der mangelnden Umsetzung der Vorgaben zur inklusiven Bildung in Österreich geübt. Nun verglich UN-Berichterstatter Markus Schefer bei einer Fachkonferenz in Wien das System mit Sonderschulen und Regelschulen mit der Rassentrennung in den USA.

red/Agenturen

„Leider ist in Österreich - wie auch in Deutschland und der Schweiz - die Vorstellung weit verbreitet, dass Menschen mit Behinderungen in wesentlichen Bereichen ihres Lebens in einem getrennten Umfeld leben sollen“, bemängelte Schefer. Viele würden nicht in jene Schule gehen, in die die anderen Kinder gehen, nicht am gleichen Arbeitsmarkt sein wie die meisten anderen Leute und könnten ihr tägliches privates Leben nicht so verbringen wie der Rest. Für sie werde praktisch eine Parallelwelt eingerichtet - aus der fürsorglichen Vorstellung heraus, dass sie keinen Platz haben in der normalen Welt.

Diese Vorstellung sei nicht neu, meinte Schefer. Vor 125 Jahren habe das US-Höchstgericht in einer richtungsweisenden Entscheidung kein Problem darin gesehen, dass Schwarze und Weiße in Louisiana unterschiedliche Eisenbahnwaggons benutzen mussten. Damit wurde das Prinzip „Separate but equal“ (Getrennt aber gleich) als Basis der Rassentrennung in den Südstaaten etabliert. Diese Praxis habe dann 60 Jahre lang die amerikanische Praxis geprägt - erst in den 1950er-Jahren sei das Gericht dann in einer Entscheidung zum Bildungswesen zur Einsicht gekommen, dass diese Trennung falsch sei.

Die Mär von der „Wahlmöglichkeit“

In Österreich gibt es seit den 1990er-Jahren das System der Wahlfreiheit für Eltern von Kindern mit Behinderungen. Diese können sich grundsätzlich aussuchen, ob sie diese in eine Sonderschule schicken oder in einer Regelschule integrativ unterrichten lassen. Diese Vorstellung sei gleich auf zwei Ebenen falsch, so Schefer. Einerseits müsse man immer vergleichen, worin denn die „Wahlmöglichkeit“ bestehe. Wenn die eine Variante viel schlechter sei als die andere, sei das keine echte Wahl. Auf der anderen Ebene sei schon allein die Wahlmöglichkeit ein Problem und führe zurück ins Jahr 1896 in Louisiana: „Wenn Sie wählen können zwischen segregierter Schule und nicht segregierter, sind wir wieder bei 'Getrennt aber gleich'.“

Dürfen keine Parallelwelten schaffen

Die Grundidee der UN-Konvention sei aber klar: „Wir dürfen keine Parallelwelten und Ausschlüsse schaffen.“ Alle Schüler*innen und Studierenden sollten im gleichen Umfeld ihre Bildung erhalten können.

In Österreich würden dazu schon die Voraussetzungen fehlen. „Wenn Sie tiefgreifende Änderungen eines Systems angehen, müssen Sie wissen, wie das Problem aussieht“, meinte Schefer. Dazu brauche man etwa Daten. „Wenn man einmal festhält, wie viele Leute mit Behinderungen an den Universitäten studieren und wie viele studieren könnten, wenn sie proportional vertreten wären, merkt man, dass irgendwo was schiefgelaufen ist.“ Derzeit fehlten aber solche Auflistungen, um damit etwa Druck auf das Bildungsministerium zu machen.

Behinderung Zeichen
Für Kinder mit Behinderungen werde in Österreichs Schulsystem praktisch eine Parallelwelt eingerichtet, so der Vorwurf von UN-Berichterstatter Markus Schefer.
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