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Warum Zecken widerstandsfähiger werden

Die Ausbreitung und das Überleben von Zecken und damit auch das Auftreten der von ihnen übertragenen Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) wird auch durch den Klimawandel begünstigt. „Damit die Zecke im Winter nicht überlebt, braucht es richtig knackig tiefe Temperaturen, die auch einmal wochenlang andauern“, sagte Ute Mackenstedt von der Universität Hohenheim in Stuttgart am Freitag.

mil/Agenturen

Da tiefe Temperaturen von minus 15 Grad Celsius durch den Klimawandel selbst in den Alpen immer seltener würden, seien Zecken auch in den Wintermonaten aktiv. Als Folge der milden Winter würden Zecken „früher im Jahr aktiv oder sind sogar ganzjährig aktiv“, warnte die Parasitologin. Selbst in den Bergregionen bis 1.200 Meter Höhe würden heute stabile Zeckenpopulationen gefunden. „Zecken machen keine Winterpause mehr."

Auch die trockeneren Sommer scheinen den Experten zufolge den Tieren anders als früher angenommen nicht so viel auszumachen. Bei Zecken und speziell beim Holzbock zeige sich, dass sie es „ganz gut geschafft“ hätten, sich an wärmere Jahre anzupassen, sagte Gerhard Dobler, Leiter des Nationalen Konsiliarlabors für Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) am Institut für Mikrobiologie der deutschen Bundeswehr. Einheimische Zecken kämen „sehr gut“ mit den hiesigen Bedingungen zurecht.

Zwar ist das Risiko einer FSME-Infektion durch Zeckenstiche in Norddeutschland geringer als in Süddeutschland. Ein Infektionsrisiko besteht den Experten zufolge aber „flächendeckend“ vom Alpenrand bis zur Küste."

Dobler verwies darauf, dass eine FSME-Infektion auch sehr untypische Symptome hervorrufen könne, so dass gerade bei Kindern die Gefahr einer Fehldiagnose bestehe. Die bekanntesten Symptome seien zwar Gehirn- und Hirnhautentzündung, aber auch Symptome einer Sommergrippe wie Fieber, Kopfschmerzen oder Erbrechen und selbst Darmsymptome könnten unter Umständen auf eine FSME-Infektion hindeuten. 98 Prozent der Erkrankten seien nicht oder nur unvollständig geimpft.

Rechtzeitige Impfauffrischung wichtig

Mit 80 Prozent ist die Durchimpfungsrate gegen die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) in Österreich durchaus beachtlich. Dennoch gab es im Vorjahr 179 Personen, die nach Zeckenbissen in Spitälern behandelt werden mussten, sowie zwei Todesfälle. Entsprechend appellierte der Verband der Impfstoffhersteller kürzlich die Grundimmunisierung durchzuführen und vor allem nicht auf die notwendigen Auffrischungen zu vergessen.

Laut Maria Paulke-Korinek von der Abteilung für Impfwesen im Gesundheitsministerium ist die Schutzrate durch den Stich mit 83 bis 99 Prozent sehr hoch. Nach der dreiteiligen Grundimmunisierung erfolgt nach drei Jahren die erste Auffrischung, danach reicht alle fünf Jahre ein weiterer Stich. Über 60-Jährige sollten diesen Abstand jedoch auf drei Jahre reduzieren, da ihr Immunsystem nicht mehr so wirksam ist. Abgeraten wird von einer Titer-Bestimmung, die lediglich eine Momentaufnahme sei. Und auch bei jenen, die länger auf eine Auffrischung vergessen haben, würde eine einfache Auffrischung genügen, so die Expertin.

Die Stadt Wien organisiert eine vierwöchige Impfaktion, die am 3. April startet. Bis zum 15. Geburtstag ist nur der Impfstoff zu bezahlen, danach auch ein Impfhonorar. Der Impfstoff kostet jeweils für Erwachsene und Kinder pro Dosis 28,77 Euro ohne ÖGK-Zuschuss, mit ÖGK-Zuschuss EUR 24,27 Euro (E-Card erforderlich). Das Impfhonorar beläuft sich zusätzlich (ab dem 15. Geburtstag) auf 10,87 Euro.

Experten warnen vor verspäteten Diagnosen nach Zeckenbissen 

Zecken-Experten in Deutschland warnen auch vor Fehldiagnosen bei Kindern, weil Infektionen nach Bissen der Tiere aus ihrer Sicht auch sehr untypische Symptome hervorrufen können. „Wir sehen, dass die Frühsommer-Meningoenzephalitis vor allem im Erststadium und erst recht bei Kindern relativ unspezifisch verlaufen kann“, sagte Gerhard Dobler vom Institut für Mikrobiologie der deutschen Bundeswehr (München) am Freitag.

FSME ist eine Hirnentzündung. Zecken können die Viren übertragen. In Tschechien würden laut Studien zwei Drittel der FSME-Fälle bei Kindern zunächst falsch diagnostiziert, sagte Dobler bei einer Video-Konferenz mit anderen Fachleuten. Ähnliche Studien in Deutschland gebe es nicht. Dobler rief Ärzte aber dazu auf, sich nicht alleine auf die FSME-Risikokarte des Robert Koch-Instituts (RKI) zu verlassen.

Die bekanntesten FSME-Symptome seien zwar Gehirn- und Hirnhautentzündung, sagte der Münchner Experte. Unter Umständen könnten aber auch Anzeichen einer Sommergrippe wie Fieber, Kopfschmerzen oder Erbrechen und selbst Darmsymptome auf eine sogenannte FSME-Infektion hindeuten. Es gebe auch zunehmend Fälle mit einer völlig untypischen Symptomatik wie einer Darmlähmung, aber auch Leber- und Herzentzündungen.

Ein erhöhtes Infektionsrisiko besteht laut RKI vor allem in Bayern und Baden-Württemberg, in Südhessen, im südöstlichen Thüringen, in Sachsen und seit dem Vorjahr auch im südöstlichen Brandenburg. Allerdings werden die weitaus meisten FSME-Fälle in Baden-Württemberg und Bayern registriert. In den ausgewiesenen Risikogebieten empfiehlt die Ständige Impfkommission (Stiko) eine FSME-Impfung. Ute Mackenstedt vom Fachgebiet Parasitologie der Stuttgarter Universität Hohenheim betonte am Freitag aber, das Risiko sei auch in Norddeutschland gegeben, es sei dort nur vergleichsweise geringer.

Zecken können auch die Erreger der Lyme-Borreliose übertragen, was oft erst Stunden nach Beginn des Saugakts erfolgt. Sie ist laut RKI wesentlich häufiger und komme deutschlandweit vor. Erstes Symptom ist oft eine größer werdende Rötung um die Einstichstelle herum, später können Nerven, Gelenke und Herz von den Bakterien befallen werden.

„Wiener“ Impfstoff gegen Zecken-Borreliose im Wirksamkeitstest

Eine von dem aus Wien stammenden Biotech-Unternehmen Valvneva entwickelte Vakzine gegen die (Lyme-)Borreliose wird von Valneva und dem US-Pharmakonzern Pfizer in eine Phase-III-Studie (Wirksamkeit/Verträglichkeit) gebracht. An der Untersuchung sollen rund 6.000 Probanden (inklusive Placebo-Gruppe) über fünf Jahren in sechs Staaten teilnehmen, teilte der US-Konzern vergangenes Jahr mit.

Bei der Vakzine handelt es sich um VLA15, ein Borreliose-Impfstoff, der von dem Wiener Biotech-Unternehmen Valneva entwickelt worden ist. Pfizer stieg in die klinischen Studien (Probanden) ein. Das Projekt lief bei Valneva (Österreich/Frankreich) seit Jahren - zuletzt auch im Hintergrund der Aktivitäten zur Entwicklung eines mittlerweile für Personen zwischen 17 und 50 Jahren in der EU zugelassenen Covid-19-Impfstoffes auf der Basis inaktivierter SARS-CoV-2-Erreger.

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„Leider gibt es aber noch Kinderärzte, die glauben, dass es die FSME bei Kindern nicht gibt und die daher bei der Diagnose auch nicht daran denken", sagte Gerhard Dobler vom Institut für Mikrobiologie der deutschen Bundeswehr.