ÖGK und Sozialversicherung zweifeln an Plan für mehr Kassenärzte

Die österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) und der Dachverband der Sozialversicherungsträger haben am Dienstag Zweifel am Plan der Regierung geäußert, noch heuer 100 zusätzliche Kassenarztstellen zu schaffen. Man könne diese Zahl schnell einmal in einen Stellenplan schreiben. Er wage aber zu bezweifeln, dass diese auch so schnell mit Ärzt:innen und gegebenenfalls anderen Gesundheitsberufen zu besetzen sein werden, so Andreas Huss, Arbeitnehmervertreter und ÖGK-Vizeobmann auf Ö1.

red/Agenturen

Immerhin seien schon jetzt 300 Kassenstellen nicht besetzt. Wichtiger wäre für ihn, die Kassenverträge durch einen einheitlichen Leistungskatalog und einheitlichen Gesamtvertrag attraktiver zu machen. Das würde zusätzliche Kosten von mehreren hundert Millionen Euro pro Jahr bedeuten, so Huss.

Auch Peter Lehner, Obmann des Dachverbands der Sozialversicherungsträger, verwies im Ö1-„Morgenjournal“ auf die schon jetzt unbesetzten Kassenstellen. Aus seiner Sicht müsste vor allem bei der Medizinausbildung und bei der Patientensteuerung angesetzt werden, mit einer besseren Bezahlung für Kassenstellen sei es nicht getan. Eine Lösung könnte auch der angekündigte schnellere Ausbau der Primärversorgungseinheiten (PVE) sein, die Bundesregierung will am Mittwoch eine Verdreifachung der Primärversorgungszentren von 40 auf 120 Einheiten bis zum Jahr 2025 in den Nationalrat einbringen. Genau diese Flexibilität für Ärzt:innen sei gefordert, so Lehner.

Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) geht davon aus, dass neben den 100 Mio. Euro aus EU-Fördermittel auch der Bund für den Ausbau der Primärversorgungseinheiten mehr Geld in die Hand nehmen wird müssen. Dazu sei man auch bereit, wenn es um strukturelle Reformen geht, sagte er am Dienstag auf einer Pressekonferenz. Eine Summe nannte der Minister nicht, dies sei Inhalt der noch laufenden Finanzausgleichsverhandlungen mit den Bundesländern.

Wiener Ärztekammer: Ja zu PVE, nein zu Konzernisierung!

In der Ärztekammer reagierte man am Dienstag per Aussendung zwar erfreut darauf, dass „der Gesundheitspolitik endlich der Platz zugestanden wird, der ihr als eines der zentralen Zukunftsthemen gebührt“. Allerdings müssten dabei auch die Ärzt:innen eingebunden werden. Primärversorgungseinheiten seien an manchen Standorten sinnvoll. Das Grundproblem, dass Ärzt:innen wegen der starren Strukturen und des Honorarkatalogs keine Kassenstelle annehmen wollen, werde damit aber nicht gelöst. Außerdem würden die kommunizierten Öffnungszeiten der PVE keine Entlastung der Spitäler bringen.

Für die FPÖ sind sowohl die 100 zusätzlichen Kassenarztstellen als auch die Novelle des Primärversorgungsgesetzes „unausgegoren und phantasielos“. Die Novelle des Primärversorgungsgesetzes sei unzureichend, die neu geplanten Kassenstellen schlichtweg unattraktiv, so der freiheitliche Gesundheitssprecher Gerhard Kaniak, der auf einen zuletzt präsentierten Sechs-Punkte-Plan der FPÖ zur Beseitigung des Personalmangels im Gesundheitswesen verwies.

Die NEOS kritisierten wiederum, dass künftig auch die ÖGK oder das Land eine Primärversorgungseinheit betreiben können soll. Es sei „absolut ineffizient“, wenn mit der ÖGK der Leistungserbringer auch der Zahler sei, so Gesundheitssprecherin Fiona Fiedler. Laut Rechnungshof-Berichten habe das schon bei den Ambulatorien nicht funktioniert. Stattdessen brauche es mehr Freiheit durch eine Öffnung auch für private Betreiber. Wenn neben Ärzt:innen auch andere Gesundheitsberufe und private Unternehmen ein Primärversorgungszentrum betreiben können, würde automatisch der Anteil der Kassenverträge steigen, so Fiedler.

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