Studie

Seit Corona verschwundene Bakterien Mykoplasmen sind zurück

Nach über drei Jahren Abwesenheit sind die Lungenentzündung verursachenden Mykoplasmen zurück. Das belegt die Studie eines internationalen Forschungsteams unter Schweizer Leitung, die am Donnerstag im Fachblatt „The Lancet Microbe“ veröffentlicht wurde. „Auch in der Schweiz gibt es derzeit eine deutliche Zunahme“, sagte Studienleiter Patrick Meyer Sauteur vom Kinderspital Zürich auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA.

red/Agenturen

China kämpft bereits mit einem gehäuften Auftreten von Lungenentzündungen. Die WHO hatte in der Nacht auf Donnerstag Informationen dazu gefordert. Die Nationale Gesundheitskommission Chinas führt die Zunahme solcher Erkrankungen im Land auf die Verbreitung der Erreger nach Aufhebung der Corona-Maßnahmen zurück. Wie die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua am Mittwoch berichtete, verzeichnet vor allem die Grippe in Peking einen „steilen Aufwärtstrend“. Auch Mykoplasmen-Infektionen seien in letzter Zeit vermehrt aufgetreten. Die Studie zum Wiederauftreten der Mykoplasmen wurde deshalb früher als ursprünglich geplant veröffentlicht.

„Auch in der Schweiz gibt es derzeit eine deutliche Zunahme“, sagte Studienleiter Patrick Meyer Sauteur vom Kinderspital Zürich auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Wie sich die Infektionen hierzulande entwickeln, werde nun genau beobachtet.

Über drei Jahre abwesend

Mykoplasmen (Mycoplasma pneumoniae) gehörten vor der Pandemie zu den häufigsten bakteriellen Erregern von Lungenentzündungen bei Kindern. Zudem können sie auch zu Erkrankungen der Haut und der Schleimhäute oder des Nervensystems führen. Mit den Corona-Maßnahmen waren die Bakterien verschwunden und so lange weggeblieben, dass Forscher rätselten, ob sie überhaupt wiederkommen.

„Aus Sicht der Wissenschaft war das absolut faszinierend“, sagte Studienleiter Patrick Meyer Sauteur. Auch bei anderen Krankheitserregern führten die Maßnahmen gegen Covid-19 zu einem Rückgang der Übertragungen. Mit Ausnahme der Mykoplasmen kehrten sie aber nach Aufhebung der Maßnahmen fast alle wieder zurück.

Inzwischen haben auch die Infektionen mit Mykoplasmen das Niveau vor der Pandemie erreicht oder sogar übertroffen, wie das Forschungsteam unter der Leitung von Meyer Sauteur in der Studie nachweist. „Wir erleben gerade das lange erwartete Wiederauftreten von Mykoplasmen-Infektionen und verzeichnen bereits jetzt Rekordzahlen in der Schweiz“, so der Arzt.

Nicht erkennen kann gefährlich werden

In vielen Fällen verlaufen die Infektionen mit Mykoplasmen mild und heilen von selbst wieder, schwerere Infektionen werden in der Regel mit Antibiotika behandelt. „Dazu müssen sie aber erkannt werden“, stellte Meyer Sauteur klar. Denn Penicillin-Antibiotika, die primär für bakterielle Lungenentzündungen empfohlen sind, wirken nicht gegen Mykoplasmen.

„Dadurch, dass das Bakterium so lange weg war, besteht die Möglichkeit, dass das Fachpersonal trotz entsprechender Symptome nicht mehr an Mykoplasmen denkt“, sagte Meyer Sauteur. In den Schweizer Spitälern sei das Wiederauftreten der Mykoplasmen bislang aber sehr gut gehandhabt worden.

Immunität möglicherweise geringer

Was bleibt ist die Frage, wie sich die Infektionen weiter entwickeln. „Die Entwicklung jetzt im Herbst müssen wir genau im Auge behalten, der Anstieg an Infektionen in den letzten Monaten ist sehr eindrücklich“, sagte Meyer Sauteur.

Zudem sei die Immunität in der Bevölkerung nach über drei Jahren Absenz geringer, was mehr und teilweise schwerere Infektionen zur Folge haben könnte. Bisher sei das aber nicht der Fall.

Krankes Kind Lungenentzündung
Mykoplasmen (Mycoplasma pneumoniae) gehörten vor der Pandemie zu den häufigsten bakteriellen Erregern von Lungenentzündungen bei Kindern.
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